Hamburg . Polizei warnt vor Identitäts-Diebstählen – Alexander M. hatte sich als Vermieter ausgegeben und Bankdaten verlangt.

Ein Pedelec für 3699 Euro, ein Iphone für 1319 Euro, ein Samsung-Fernseher (75 Zoll) für 4768 Euro. Wenn Alexander M. mit der gestohlenen Identität seiner Opfer in den Online-Shops von Media Markt und Saturn einkaufen ging, konnten die Geräte gar nicht exklusiv, nicht teuer genug sein. Behalten wollte er sie aber nicht – die Polizei geht davon aus, dass der 24-Jährige die Waren weiterverkauft und so seinen Lebensunterhalt bestritten hat.

Um an die Daten seiner Opfer zu gelangen, hatte Alexander M. nach Erkenntnissen der Polizei zwischen Mai und Ende Juli 2018 im Internet Köder ausgeworfen. Auf Immobilien-und Kleinanzeigen-Portalen gab er als vermeintlicher Vermieter Wohnungsanzeigen auf – vornehmlich in solchen Städten, in denen Wohnungen knapp und die Mieten hoch sind. Um sich auf eine Wohnung zu bewerben, sollten ihm die Interessenten Gehaltsnachweise, Schufa-Auskünfte und Ausweiskopien schicken. 60 Wohnungssuchende aus ganz Deutschland bissen an. Eine Antwort bekamen sie nach dem Versand der Unterlagen nicht – dafür jede Menge Ärger.

Hamburger Spiele-Entwickler unter den Opfern

So wie Jan D., Spiele-Entwickler in Hamburg. Der 37-Jährige stöberte im Internet im Frühsommer 2018 nach einer Wohnung und stieß dabei auf eine Anzeige von Alexander M. Dutzende Bewerbungen habe er verschickt, häufig auch so persönliche Unterlagen, wie sie Alexander M. verlangte. „Das ist nicht ungewöhnlich, sondern die Regel bei Wohnungsanzeigen im Internet“, sagt er. Dass er einem Betrüger aufsaß, fiel ihm nur durch Zufall auf – als das Bezahlen mit der EC-Karte in einer Tankstelle nicht klappte. Wie er herausfand, war sein Dispo-Kredit wegen eines negativen Schufa-Eintrags gekündigt worden. Grund: Mutmaßlich Alexander M. hatte unter Verwendung seiner Personalien mit einer Online-Partnerbank von Media-Markt den Ratenkauf eines 1300 Euro teuren Produkts vereinbart.

Wie der Täter das Post-Ident-Verfahren ausgetrickst habe, sei ihm ein Rätsel, sagt Jan D. Wer einen Kreditvertrag mit einer Online-Bank abschließt, muss sich in der Regel in einer Filiale der Deutschen Post mit seinem Ausweis legitimieren. Offenbar verfügt Alexander M. über Erfahrungen im Frisieren von Ausweisen. Bei der Durchsuchung seines Zimmers in der mütterlichen Wohnung im Spliedtring (Billstedt) seien gefälschte rumänische ID-Karten sichergestellt worden, so die Polizei.

Kein Haftbefehl

Mit einer davon soll er im Wichernsweg eine Wohnung angemietet haben. An diese Adresse seien die meisten Waren geliefert worden. Einige Bestellungen seien jedoch zurückgegangen, weil der polizeibekannte junge Mann zeitweise in Haft saß. Nachdem sie das Depot ermittelt hatten, indem sie die Personalien Betroffener bei den Online-Händlern abglichen und auf die immergleiche Lieferadresse stießen, ließen sich die Beamten den Mietvertrag zeigen. Darauf fanden sie nach Abendblatt-Informationen Fingerabdrücke, die sie Alexander M. zuordnen konnten. Weil keine Haftgründe vorliegen, sei kein Haftbefehl beantragt worden, sagt Polizeisprecher Timo Zill. Bei der Durchsuchung im Wichernsweg entdeckten die Ermittler keine Waren mehr – der 24-Jährige hatte sie offenbar bereits verkauft.

Bei Jan D. war es nicht nur die Bestellung – der Betrüger hatte mit seiner gestohlenen Identität auch zwei Kreditkarten mit einem Verfügungsrahmen von 3500 und 4200 Euro abgegriffen. „Damit hob er dreisterweise jeden Tag 500 Euro ab, bis nichts mehr übrig war“, sagt Jan D. Einen finanziellen Schaden habe er zwar nicht erlitten. Vermutlich bleiben die Finanzdienstleister vorerst auf dem Gesamtschaden von mehr als 90.000 Euro sitzen. Doch es habe ihn „viel Kraft und Zeit“ gekostet, die Angelegenheit mit der Schufa und den Banken zu regeln. Das Geld für ein Premium-Abo bei der Schufa sei gut investiert, findet Jan D. Sollte sich unvorhergesehen etwas an der eigenen Bonität ändern, werde man von der Schufa umgehend per E-Mail über den neuen Status informiert.

Polizei warnt Bürger

Zill appelliert an die Bürger, im Internet und den sozialen Netzwerken restriktiv mit persönlichen Daten umzugehen. Sensible Dokumente wie Ausweise, Gehaltsnachweise oder Schufa-Auskünfte sollten „niemals an unbekannte Personen verschickt werden.“

Eine andere Relevanz als die massenhaften (Klein-)Betrügereien im Internet hat ein weiterer jetzt aufgeklärter Warenkreditbetrug in Hamburg. Ein 63-Jähriger hatte sich von einem Wandsbeker Fachmarkt für Baustoffe Waren im Wert von 35.000 Euro liefern lassen. Nachdem der Prokurist der Firma auch Monate später kein Geld sah, erstattete er Anzeige. Die Polizei rückte zur Lieferadresse aus, einer 1500 Quadratmeter-Halle an der Grusonstraße, stellte dort Apparaturen für Großküchen, Kfz-Teile und Türzargen sicher. Vier Beschuldigte gerieten unter Verdacht. Wie herauskam, hatte sich die Bande von 14 Baufirmen aus ganz Deutschland Waren im Wert von 265.000 Euro liefern lassen. Am 30. April durchsuchten die Ermittler sieben Büros und Wohnungen der Beschuldigten. Ihr Verdacht: Sie wollten die Waren gar nicht verkaufen, sondern für eine eigene Baufirma und weitere Bauprojekte nahe Hamburg verwenden.