Hamburg. 21 Jahre alter Äthiopier siegt bei nasskaltem Wetter in 2:08:27 Stunden. Geschätzte 350.000 Menschen an der Strecke feuern Läufer an.
Als am Nachmittag dieses nasskalten Sonntags die Sonne das erste Mal hinter den Wolken hervorlugte, lächelte Tadu Abate immer noch. Und wenn der 21 Jahre alte Äthiopier dann erzählen sollte, wie es so war auf diesen 42,195 Kilometern entlang an Elbe und Alster, wie er diesen 34. Haspa Marathon gewinnen konnte, lobte er zunächst die Organisatoren: „Das war eine großartige Veranstaltung. Ich freue mich, wieder in Hamburg zu sein.“ Durfte er auch. Nach Platz zwei im vergangenen Jahr gewann der junge Man aus Addis Abeba im dritten Anlauf seinen ersten Marathon und 25.000 Euro Siegprämie. „Was ich mit dem Geld anfange, darüber habe ich mir noch keine Gedanken gemacht“, sagte er – mit nach wie vor breitem Grinsen.
Knappste Entscheidung in der Geschichte
Ähnlich unbekümmert war er auch die letzten Kilometer angegangen. Er nahm sich immer wieder Zeit, die Zuschauer an der Strecke mit Armschwüngen zu mehr Unterstützung aufzufordern, und als er auf die Zielgerade, auf die Karolinenstraße einbog, hatte er noch genug Kraftreserven, um seinen Landsmann Ayele Abshero (28), im Vorjahr Dritter, auf den letzten Metern zu überspurten. Dritter wurde diesmal mit etwas Abstand London-Olympiasieger Stephen Kiprotich (29) aus Uganda. Die international mäßige Siegerzeit von 2:08:27 Stunden interessierte Abate schließlich genauso wenig wie Frank Thaleiser, den Geschäftsführer der Hamburg Marathon Veranstaltungs GmbH.
„Das war Sport, eine packende Entscheidung, die knappste in der Geschichte des Haspa Marathons. Diese Zweikämpfe wollen die Zuschauer doch sehen“, sagte Thaleiser, und Abate tat, was er an diesem Tag immer tat, er lächelte dazu, nachdem ihn die Sätze übersetzt worden waren. „Wir mussten uns alle erst einmal auf den Regen, auf die nassen Straßen einstellen, in den vergangenen Tagen war das Wetter in Hamburg ja deutlich besser. Aber jetzt bin ich einfach nur glücklich“, sagte er noch.
Den Streckenrekord des Kenianers Eliud Kipchoge, 2:05:30 Stunden aus dem Jahr 2013, konnte und wollte unter den herrschenden Wetterbedingungen, acht Grad Celsius, Nieselregen, niemand angreifen. Weltrekordler und Olympiasieger Kipchoge (34) lief am Sonntag fast zeitgleich bei seinem Triumph in London 2:02:37 Stunden, die bisher zweitschnellste Marathonzeit der Geschichte. In der britischen Hauptstadt herrschten bei meist bewölktem Himmel ideale Temperaturen um zwölf Grad Celsius.
Ärzte und Sanitäter wurden nur rund 200-mal gerufen
Derjenige, der am Donnerstag noch am lautesten eine neue Bestzeit für das Hamburger Rennen angekündigt hatte, stieg als einer der Ersten aus. Der Kenianer Abel Kirui (37) spürte an der Binnenalster wieder eine alte Wadenverletzung und gab bei Kilometer 16 auf. Der Rest des Spitzenfeldes musste aber nicht nur auf den zweimaligen Weltmeister als Antriebskraft verzichten, auch die gut bezahlten Tempomacher („Hasen“) stellten ihre Arbeit weit früher als abgesprochen ein. Schon bei Kilometer 25 gab keiner von ihnen mehr den Rhythmus vor. Bester Deutscher wurde Frank Schauer (Tangermünde/2:16:55) als 26. Die nationale Konkurrenz startete allerdings bei den deutschen Meisterschaften in Düsseldorf. Tom Gröschel (Rostock) holte dort in 2:13:49 Stunden den Titel.
„Ich bin nicht enttäuscht von den Athleten, ich bin enttäuscht von diesem Schietwetter“, sagte Jurrie van der Velden, der Laufmanager aus den Niederlanden, der die Spitzenläufer und -läuferinnen für den Haspa Marathon engagiert hatte. Das Hauptproblem sei dabei weniger die Temperaturen oder nicht wasserabweisendes Schuhwerk gewesen, vielmehr sorgten die Nässe und das aufspritzende Wasser beim Laufen für eine nicht ungefährliche zusätzliche Kühlung. Die Muskeln verhärten dann, was zunächst zu Schmerzen, später zu Verletzungen führt. Unter den rund 210 Hilfeleistungen, zu denen Ärzte und Sanitäter am Sonntag gerufen wurden, befanden sich in erster Linie Erschöpfungen und Unterkühlungen. 15 Läufer mussten ins Krankenhaus gefahren werden, im Gegensatz zum Hitzelauf des Vorjahres blieben das Bagatellen.
Lediglich 401 Ausfälle
Die Frauen trotzten dem kühlen Nass diesmal besser als die Männer. Die 23 Jahre alte Äthiopierin Dibabe Kuma gewann im Alleingang – ohne Hasen – in guten 2:24:42 Stunden das drittschnellste Hamburger Frauenrennen mit 82 Sekunden Vorsprung auf die Kenianerin Magdalyne Masai. Thea Heim aus München belegte bei ihrem Marathon-Debüt in 2:36:10 Stunden Platz 15.
Als gegen 15.30 Uhr die letzten Ausdauersportler am Fernsehturm eintrudelten, konnte auch Marathon-Chef Thaleiser lächeln. 10.497 Läuferinnen und Läufer waren am Morgen – von rund 14.000 Angemeldeten – zum Marathon gestartet, 10.096 kamen wieder an. Nach rund 1000 Ausfällen im vergangenen Jahr diesmal nur 401, eine normale Quote. Beim Halbmarathon (2928 Starter, 2899 im Ziel) hielten fast alle durch wie bei den Staffeln (1579 Quartetts am Start, 1568 im Ziel). Beim Zehntel, dem Schülerlauf am Vortag (10.091 Anmeldungen), liefen 8325 ins Ziel. Gesamtzahl der Finisher: 27.585. „Darauf sind wir stolz“, sagte Thaleiser. Die Zuschauerzahl an der Strecke blieb hinter dem Vorjahr (500.000) zurück. Geschätzte 350.000 Menschen versammelten sich trotz des miesen Wetters an der Strecke.