Hamburg. Die Stadt geht mit Razzien gegen Überbelegung, Verwahrlosung und Mietwucher vor. Aber oft fehlt starke Handhabe gegen Eigentümer.
Sie kamen mit einem großem Aufgebot, mit Polizei, Zoll, Bauprüfamt und Mitarbeiter der Jobcenter. In Form von Razzien geht eine Arbeitsgruppe der Stadt seit vergangenem Jahr verstärkt gegen Vermieter vor, die vor allem Osteuropäer in hoffnungslos überbelegte und verwahrloste Schrottimmobilien hausen lassen – während Miete und Nebenkosten teils noch vom Staat erstattet werden (das Abendblatt berichtete). Die Zugriffe brachten aber keinen uneingeschränkten Erfolg.
Die Seehafenstraße in Harburg. Formell noch Hafengebiet, unwirtliche Gegend, hoch aufragende Fassaden an der Straße. Hier erfolgte im September 2017 der erste größere Zugriff der Arbeitsgruppe, im Behördensprech „Aktionstag“.
In dem Haus lebten teils mehr als ein Dutzend Menschen in kleinen Wohnungen, meist Osteuropäer; zwischen Uringeruch, Ratten, Kakerlaken und maroden Wänden. Obwohl der Vermieter das Gebäude offenbar verrotten ließ, verlangte er inklusive Nebenkosten bis zu 25 Euro pro Quadratmeter.
Nach Auflagen regelmäßige Schädlingsbekämpfung
Bei der Überprüfung wurden diverse Mängel festgestellt. In drei Fällen fielen die Wohnungen mehr als zehn Prozent kleiner aus, als eigentlich im Mietvertrag angegeben. In neun weiteren Fällen lag die Miete laut Sozialbehörde mehr als die Hälfte über den „ortsüblichen“ Preisen – ein möglicher strafbarer Mietwucher.
Aktuell gibt das Gebäude von außen noch immer kein schmeichelhaftes Bild ab. Aber der Vermieter hat grundlegende Auflagen erfüllt, der Innenhof wurde versiegelt und neu betoniert – und es werde regelmäßig für die Bekämpfung von Schädlingen gesorgt, heißt es. „Es finden auch Kontrollen der Zustände dort statt“, so eine Sprecherin des Bezirksamtes Harburg.
"Die habe eine andere Lebensweise"
Aber obwohl die Stadt den Bewohnern des „Horror-Hauses“ („Mopo“) diverse Alternativangebote machte, sind alle früher dort gemeldeten Bewohner wieder in dem Gebäude wohnhaft – unter noch immer grenzwertigen Bedingungen. „Die haben eine andere Lebensweise“, sagt ein Polizist. „Selbst wenn man Bewohner einer eindeutig überbelegten Wohnung in eine leere Wohnung darüber einquartiert, gehen sie zurück in die alte Wohnung und vermieten die obere Wohnung an andere weiter.“
Ein Teil der Bewohner bezieht staatliche Leistungen; darunter sind auch EU-Ausländer, die zuvor über einen längeren Zeitraum in Hamburg gearbeitet haben.
Über den aktuellen Stand einer möglichen strafrechtlichen Aufarbeitung konnten Polizei und Staatsanwaltschaft unmittelbar keine Auskunft geben. Nach Abendblatt-Informationen ist von den Vorwürfen jedoch nicht viel übrig geblieben. Sofern etwa die verdächtigten Vermieter ihre Wohnungen „möbliert“ vergeben haben, entgehen sie dem Vorwurf des Mietwuchers deutlich leichter und können höhere Preise verlangen.
Mieter zeigten wenig Kooperationsbereitschaft
Dass der Vermieter wirklich die Schuld an der enormen Überbelegung trägt, ist häufig unklar und nicht leicht zu belegen. In der Seehafenstraße hätten die Bewohner bereits früher reihenweise ihre kleinen Wohnungen noch an Freunde und Familien untervermietet.
„Die Mieter zeigen leider auch häufig sehr wenig Bereitschaft dazu, mit uns zu kooperieren“, heißt es aus Behördenkreisen. Der Vermieter des Gebäudes an der Seehafenstraße lebt selbst nördlich der Elbe; ihm gehören weitere Immobilien in Wilhelmsburg sowie Ferienwohnungen an der Ostsee.
Zuletzt hatte die Stadt am vergangenen Mittwoch ein Gebäude in Bergedorf räumen lassen, das ebenfalls als „Horror-Haus“ gilt. Dort war es bereits der zweite Zugriff. Laut Sozialbehörde liegen drei Verdachtsfälle von Mietpreisen im Wucherbereich vor, unter den Bewohnern sind ebenfalls Hartz-IV-Empfänger.
Wie es heißt, lässt sich die tatsächliche Größe der Wohnungen nicht vergleichen – denn in den Mietverträgen, die dem Jobcenter zur Bewilligung vorgelegt wurden, war von Anfang an keine Quadratmeterzahl angegeben. Bei Mieten unter 400 Euro genehmigen die Sachbearbeiter in der Regel die Zahlung ohne tiefere Prüfung.
Komplexes Verfahren mit vielen Beteiligten
„Das Haus in Bergedorf verdeutlicht, dass es in diesem komplexen Verfahren auch noch enorm viele Beteiligte gibt“, heißt es aus der Verwaltung. Beim Kampf gegen die Überbelegung spielen die Jobcenter, das Bauprüfamt, der Bezirk, die Meldeämter, das Einwohnerzentralamt, die Innen- und die Sozialbehörde sowie der Zoll und die Steuerfahndung jeweils eine Rolle.
„Wegen des Datenschutzes ist ein enger Austausch eigentlich nicht vorgesehen“, sagt ein Behördenmitarbeiter. Das Jobcenter hat etwa keinen Zugriff auf die Meldekartei, um zu prüfen, ob etwa bereits viel zu viele Menschen gleichzeitig in einem Wohnhaus gemeldet sind.
Mit der Arbeitsgruppe habe man jedoch einen Weg gefunden, besser zu reagieren und ein Signal zu setzen. „Alle beteiligten Stellen sind sensibilisiert“, sagt Marcel Schweitzer, Sprecher der Sozialbehörde. „Und auch Vermietern ist bewusst, dass wir aufmerksam sind.“ Der Jobcenter-Chef Dirk Heyden sagt, dass man die „kriminellen Strukturen“ zerstören wolle. Ein Anwalt ist damit beauftragt worden, alle unrechtmäßig bezahlten Gelder des Staates in den bekannten Fällen zurückzufordern.