Langenhorn. Güldane Altekrüger aus Langenhorn hat mit einem ungewöhnlichen Backbuch einen Bestseller geschrieben.
Ein Reihenhaus in Langenhorn. Die Sonne scheint. Nichts ist zu hören, außer Vogelgezwitscher in den Bäumen ringsherum. Güldane Altekrüger öffnet die Tür: „Kommen Sie rein in unser Chaos“, sagt sie und lacht. In dem kleinen Wohnessbereich ist die Arbeit bereits in vollem Gang. An der Wand stapeln sich Kartons. Der Esstisch ist Schreibtisch. Altekrügers Mann Markus und ihr Mitarbeiter Jens Groningen sitzen dort nebeneinander an ihren Laptops. Das Telefon klingelt. „Das ist momentan unser Büro“, sagt Altekrüger und bittet zum Gespräch in den nächsten Raum. Dort stehen Kisten mit Packpapier und Umschlägen. Alles Spuren des Erfolgs.
Denn Altekrüger ist seit einigen Monaten Bestsellerautorin. Die fröhliche Frau mit türkischen Wurzeln hat im November das Buch „Abnehmen mit Brot & Kuchen“ im Eigenverlag herausgebracht und seitdem mehr als 140.000-mal (!) verkauft. Vor wenigen Tagen hat sie ihren eigenen YouTube-Kanal eröffnet, auf dem sie vor laufender Kamera kocht und backt. Ihr erster Beitrag: der Hefezopf zu Ostern. Die 43-Jährige ist von dem Erfolg ihrer Idee überrollt worden. In nur wenigen Wochen hat sich das Leben von ihr und ihrer Familie grundlegend verändert. Aber der Reihe nach.
Nach der Geburt ihrer Tochter hatte Altekrüger ein paar Kilo zu viel
Begonnen hat diese Geschichte vor drei Jahren. Nach der Geburt ihrer Tochter Lale hatte Altekrüger ein paar Kilo zu viel auf den Rippen, wie sie sagt: „Ich habe viele verschiedene Diäten ausprobiert. Aber entweder hat es nichts gebracht. Oder die Kilos waren schnell wieder drauf.“ Das Schlimme an all den Versuchen: der Verzicht auf Brot und Süßes. „Ich bin Türkin. Ich koche und backe gern. Und ich liebe gutes Essen“, sagt Altekrüger. Stück für Stück sei die Erkenntnis in ihr gereift: „Ich muss es schaffen, eine für mich passende Ernährung in den Alltag zu integrieren.“ Nur dann klappt es auch langfristig mit dem Gewicht.
Bei den Weight Watchers lernte die junge Frau das Prinzip der guten und schlechten Lebensmittel kennen. Sie begann, mit den guten Lebensmitteln zu experimentieren. Was passt zusammen? Wie lässt sich Brot backen ohne viele Kalorien? Wie Kuchen? Alles sollte kalorienarm, gesund und trotzdem lecker sein. Dabei stellte sie beispielsweise fest: „Mit Haferkleie kann man wunderbar backen.“ Es entstanden die ersten Rezepte der Hamburgerin. Die veröffentlichte sie auf die Internetseite der Weight Watchers, um auch anderen Menschen zu zeigen, dass es ohne viel Zucker geht. „Ich habe unglaublich viel Zuspruch bekommen. Und den Rat, doch auf Instagram meine Rezepte zu veröffentlichen.“
Einige Bilder mit dem Smartphone aufgenommen
So entstand die Wölkchenbäckerei. „Ich weiß noch, wie wir die ersten 50 Follower gefeiert haben“, sagt Altekrüger. Follower sind Menschen, die sich regelmäßig ansehen, was ein anderer in den sozialen Medien veröffentlicht. Heute sind es mehr als 46.000, die sich die Beiträge der Langenhornerin anschauen. Die ersten Rezepte: Möhrenkuchen und Krustenbrötchen. Immer mehr Ideen kamen zusammen, und immer öfter kam die Frage auf: Warum machst du nicht ein Buch daraus? Altekrüger, die vor der Geburt ihrer zwei Kinder Noyan (4) und Lale (3) bei der Hamburger Staatsoper gearbeitet hatte, fand den Vorschlag reizvoll. Sie kündigte ihren Vertrag, besuchte Fortbildungskurse für Computer und Marketing.
Ein Dreivierteljahr ist es nun her, dass die ersten Bilder zu ihrem Erfolgsbuch entstanden sind. Als sie abends und nachts begann, das Buch am Computer zu gestalten. „Ich habe in unserer Küche gekocht und gebacken und das Ergebnis dann auf dem Wohnzimmertisch fotografiert.“ Einige der Bilder sind sogar mit dem Smartphone entstanden. „Nur das Logo unserer Wölkchenbäckerei habe ich mir von einer Grafikerin entwerfen lassen.“ Eine Druckerei musste gesucht, eine ISBN-Nummer beantragt werden. Und als alles fertig war, wurde die erste Auflage bestellt. „Ich wollte 2000 drucken lassen.“
Großer Erfolg nach Amazon-Anmeldung
Ihrem Mann Markus war das viel zu viel und zu teuer. Wer soll die denn alle kaufen?, habe er gefragt. Und sich für 500 Exemplare ausgesprochen. „Am Ende haben wir uns auf 1000 geeinigt.“ Altekrüger war sich sicher: „Über die Jahre werde ich die schon verkauft bekommen.“ Gemeinsam kratzten sie das Geld zusammen und gaben die Bestellung auf.
Die Autorin erinnert sich noch genau an die ersten aufregenden Tage im November vergangenen Jahres. Anfang des Monats kamen die Kisten mit den Büchern per Post. „Mann, waren das viele“, sagt sie heute. Vom 12. November an sollte das Buch verkauft werden. Am Abend zuvor meldete sich die junge Frau auf Amazon mit ihrem Titel an.
Stellte noch schnell einen Beitrag dazu auf Instagram ein und ging schlafen. „Morgens habe ich mich gar nicht getraut, auf die Amazon-Seite zu schauen, so aufgeregt war ich.“ Als sie es dann doch tat, wäre sie beinahe „hintenübergefallen“: „Ich hatte schon 120 Vorbestellungen und einen Bestseller-Button.“ Allein am ersten Tag stieg die Bestellmenge auf 450 an. „Ich war überhaupt nicht darauf vorbereitet.“
Das Ehepaar kam mit dem Packen nicht mehr hinterher.
Jetzt musste alles schnell gehen. Altekrüger besorgte spezielle Umschläge, Folie, druckte Rechnungen aus – und begann die Bücher zu verpacken. „Ohne die Hilfe von Markus hätte ich das natürlich nie geschafft“, sagt sie heute. Gemeinsam hätten sie vom späten Abend bis in die Nacht versucht, die vielen Bestellungen abzuarbeiten. „Wir dachten erst, das seien nur die Instragram-Follower, das ebbt schnell ab.“ Tat es aber nicht. Also musste schon nach wenigen Tagen die zweite Auflage bestellt werden. Als dann Zeitungen und Fernsehsender berichteten, „brach das Chaos aus“, wie Altekrüger sagt. Schon die dritte Auflage war eine Bestellung von 10.000 Stück.
Das Ehepaar kam mit dem Packen nicht mehr hinterher. Altekrüger erlitt einen Schwächeanfall. „Ich konnte einfach nicht mehr. Tagsüber hatte ich die Kinder. Und wenn die schliefen, mussten wir packen. Ich habe nie mehr als drei, vier Stunden geschlafen – und das wochenlang.“
Das Ehepaar suchte sich Hilfe. „Zum Glück haben wir ein Unternehmen gefunden, das auf den Versand von Produkten spezialisiert ist.“ So kehrte zumindest ein bisschen mehr Ruhe bei den Altekrügers ein. Aber auch nur ein bisschen. Güldane Altekrüger ist seitdem ein gefragter Gast in Morgensendungen und Talkshows. Und immer noch trudeln täglich große Bestellungen von Buchhändlern ein. Die werden allerdings mittlerweile direkt mit der Druckerei abgewickelt. „Für die sind wir jetzt ein wichtiger Großkunde.“
Markus Altekrüger hat Anfang des Jahres seinen Job gekündigt, um seine Frau besser unterstützen zu können. Der 45-Jährige war Fuhrparkmanager in einer großen Leasingfirma, spezialisiert auf Elektromobilität. „Wir haben gemeinsam entschieden, dass das jetzt unser Weg ist. Zumindest im Moment“, sagt der St.-Pauli-Fan. Klar, das sei mutig, aber es fühle sich einfach richtig an. „Und wenn wir merken, dass es sich ändert, kann ich in der Branche immer wieder einen Job finden.“ Dazu kommen zwei junge Männer, die für das Ehepaar arbeiten. Einer kümmert sich um die Buchhaltung, „da ist in den vergangenen Monaten ein absolutes Chaos entstanden, das muss dringend alles aufgearbeitet werden“. Der andere pflegt die Internetauftritte von Altekrüger und kümmert sich um den Kontakt zu den Fans. Altekrüger selbst plant mit ihrem Mann den Umzug in ein eigenes Büro mit Showküche. „Dort wollen wir dann nicht nur die Videos aufnehmen, sondern auch Workshops anbieten“, sagt sie. „Ja, wir sind mittlerweile ein kleines Unternehmen geworden.“ Auch an einem neuen Buch wird gearbeitet.
Bücher werden in eigenem Verlag erscheinen
Das wird dann in dem eigens gegründeten Verlag erscheinen. Altekrüger will sich auch nach dem großen Erfolg nicht an einen anderen Verlag binden. „Die Unternehmen sind natürlich angekommen, als sie gesehen haben, wie gut sich mein Buch verkauft“, sagt sie. Aber da sei es zu spät gewesen. „Wir haben entschieden, dass das jetzt unser Ding ist und wir es alleine durchziehen wollen.“ Nur so habe sie die Freiheiten, alles ganz allein zu entscheiden. „Und wenn wir das einmal so geschafft haben, schaffen wir das auch wieder. Jetzt sind wir ja sozusagen Profis.“
Dann müssen die beiden auch weiterarbeiten. Am Telefon ist die Redakteurin einer Frauenzeitschrift. Am anderen Apparat eine Buchhandlung mit einer Großbestellung. „Sie sehen, es gibt so viel zu tun“, sagt Altekrüger. Das alles mache sie beide sehr glücklich. „Wir erleben so viele schöne Momente. Treffen so tolle Leute. Und haben noch die Chance, anderen Menschen ein bisschen zu helfen oder sie glücklich zu machen. Das ist ein riesengroßes Geschenk.“