Hamburg. Vermittlung in spezialisierte und höhere Berufe bleibt Baustelle – 150.000 haben einen Job, meistens in Gastgewerbe und Handwerk.

Nicht nur auf der Landkarte ist es ein langer Weg: Flucht, Erstaufnahme, Registrierung, Asylantrag, Folgeunterkunft, Sprachkurse. Und erst danach die Suche nach einer richtigen Arbeit. Bereits rund 15.000 Flüchtlinge, die 2015 und 2016 nach Hamburg kamen, haben diese Herausforderung laut Arbeitsagentur jedoch schon gemeistert.

Die Sozialsenatorin Melanie Leonhard (SPD) sieht nicht nur die gute Konjunktur als Grund dafür, dass mehr als die Hälfte der erwerbsfähigen Flüchtlinge in Arbeit sind: „Es ist das Ergebnis von Bemühungen in Behörden, Unternehmen und vieler Einzelner“. Doch die Statistik fällt nicht in allen Bereichen positiv aus.

So sind aktuell noch 7300 Flüchtlinge in Hamburg arbeitslos gemeldet. Auch bleiben die Chancen für Ausländer ohne klare Bleibeperspektive teils gering. „Es bleiben große Anstrengungen nötig, um Geflüchteten nicht nur eine Beschäftigung, sondern eine dauerhafte Per­spektive zur Realisierung ihrer Lebensträume zu schaffen“, sagt der Chef der Arbeitsagentur in Hamburg, Sönke Fock.

Flüchtlinge sollen neben der Arbeit weitergebildet werden

Es mangele weder an Konzepten noch an der Motivation der Asylbewerber. „Für geflüchtete Menschen hat es oft aber einen sehr großen Anreiz, kurzfristig möglichst viel Geld zu verdienen“ – Unternehmen und Arbeitsmarkt seien dagegen weiter auf gut ausgebildete Fachkräfte angewiesen. „Unsere Aufgabe im Einzelfall lautet, diese beiden Interessen geschickt zu vereinen.“ Nach der Statistik der Arbeitsagentur waren im Juni 2018 rund 41 Prozent der Geflüchteten in ihren Jobs als Helfer tätig – unter den deutschen Beschäftigten in Hamburg liegt der Anteil bei nur neun Prozent.

Etwa 13 Prozent der arbeitenden Flüchtlinge sind in der Zeit- und Leiharbeit tätig. Auch in der Branche, die am meisten Flüchtlingen bislang einen Job gab, geht es oft um einfache und begrenzte Tätigkeiten: Fast jeder Fünfte der bereits in Arbeit stehenden Geflüchteten ist im Gastgewerbe angestellt. „Wir haben in der Vergangenheit erlebt, dass Hilfsstellen bei einem konjunkturellen Einbruch schnell und massiv gestrichen wurden, da der Bedarf wegfiel“, so der Arbeitsagentur-Chef Sönke Fock.

Flüchtlinge wollen sich weiterentwickeln

Der Bund bereitet sich intensiv auf das Ende der seit fast zehn Jahren florierenden Konjunktur vor. „Es gibt jedoch auch Anlass zur Hoffnung, dass ein Einbruch sich diesmal weniger stark in Stellenstreichungen auswirken wird“, sagt Fock. Dazu trage allein die Tatsache bei, dass Arbeitgeber oft große Schwierigkeiten hatten, überhaupt Kräfte zu finden. „Das wirft man nicht leichtfertig wieder weg“, so Fock.

Die Arbeitsagentur nutzt ihre bestehenden Förderprogramme, damit Flüchtlinge möglichst neben der Arbeit weitergebildet werden. Das habe sich als wirkungsvoll erwiesen. „Es ist auch bei Geflüchteten ein natürlicher Prozess, dass sie nach einigen Jahren des Ankommens auch einen Weg finden wollen, sich weiterzuentwickeln und in einen höheren sozialen Status hineinarbeiten zu wollen.“

Dass fast die Hälfte der Flüchtlinge bereits als Fachkraft arbeiten, wird in den städtischen Behörden als sehr gutes Zwischenergebnis aufgefasst. Bei der deutschen Bevölkerung liegt die Quote mit 53 Prozent nur leicht darüber. Viele junge Menschen, die zu uns geflohen sind, entscheiden sich hier auch für eine Ausbildung“, sagte die Sozialsenatorin Melanie Leonhard. Das ist in jeder Hinsicht ein Gewinn.“ Integration in Arbeit bedeute auch eine Integration in die Gesellschaft – „dass die Menschen neue Hamburgerinnen und Hamburger geworden sind“, so Leonhard.

Bereits seit der Flüchtlingskrise legen vor allem Handwerksbetriebe und das Sozialwesen große Hoffnungen in die Asylbewerber. Rund 500 Flüchtlinge waren nach den aktuell ausgewerteten Daten vom Juni 2018 in der Energie- und Entsorgungswirtschaft sowie im verarbeitenden Gewerbe tätig, weitere 500 Menschen in der Metall- und Elektroindustrie sowie im Baugewerbe; 430 Flüchtlinge arbeiteten in Schulen und Kitas und 576 geflüchtete Menschen im Heim- und Sozialwesen. Den größten Zuwachs an Flüchtlingen unter den Beschäftigten gab es im Bereich von Verkehr und Logistik.

Langfristig sollen 70 Prozent der Flüchtlinge arbeiten

Auch unter den Flüchtlingen, die als erwerbsfähig eingestuft werden, ist jedoch aktuell noch eine große Zahl von 7300 Menschen arbeitslos. Etwa die Hälfte der Teilnehmer schließt die Integrationskurse des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) nicht mit dem avisierten Sprachniveau ab, zuletzt gab es in Hamburg 3000 Kurswiederholer.

Die Arbeitsagentur sieht auch die Vermittlung der Flüchtlinge in akademische und spezialisierte Berufe (etwa Meister im Handwerk) als eine verbleibende Baustelle. 1100 Flüchtlinge oder zehn Prozent haben in Hamburg einen solchen Job inzwischen erreicht – also anteilig deutlich weniger als bei deutschen Beschäftigen, die zu 37 Prozent einer solchen hochqualifizierten Arbeit nachgehen. Dabei wird nach jüngsten Daten davon ausgegangen, dass rund jeder vierte Flüchtling einen akademischen Hintergrund aus seinem Heimatland hat.

Bei der Vermittlung in Arbeit liegt die Bundesagentur nach eigenen Angaben in Hamburg deutlich vor den zeitlichen Prognosen. Der Rechnung zufolge sollen nach 15 Jahren etwa 70 Prozent der Geflüchteten in Arbeit und nur 30 Prozent ohne Beschäftigung sein. Auch der Hamburger Agenturchef Fock räumt ein, dass die Integration auf dem Arbeitsmarkt nicht in allen Fällen funktionieren wird. „Ich sehe uns aber insgesamt auf einem guten Weg, auch die langfristige Zielmarke zu übertreffen.“