Hamburg. Nach hitziger Debatte der Ereignisse an der Ida-Ehre-Schule hat das Abendblatt die wichtigsten Beteiligten an einen Tisch gebracht.

Fast drei Wochen lang haben das Vorgehen der Schulbehörde in der Ida-Ehre-Schule (IES) und die Berichterstattung darüber für hitzige Debatten in Hamburg und darüber hinaus gesorgt. Wie berichtet, hatte die Schulaufsicht in den Märzferien Aufkleber der vom Verfassungsschutz als „linksextremistisch“ eingestuften und beobachteten Gruppe „Antifa Altona Ost“ und Graffiti in der Schule entfernen lassen.

Diese fanden sich im Eingangsbereich, auf einer Pinnwand in einem Klassenraum des Oberstufengebäudes und im Treppenhaus. Darunter waren Sticker mit einem Vermummten vor brennenden Barrikaden oder der Slogan A.C.A.B. („All cops are bastards“, deutsch: Alle Polizisten sind Bastarde). Die Behörde hatte einen Verstoß gegen die Neutralitätspflicht der Schule festgestellt und eine Fachkonferenz angeordnet.

Kleine Anfrage der AfD

Anlass des Vorgehens der Behörde war eine Kleine Anfrage der AfD gewesen, die sich auf Meldungen in ihrem umstrittenen Internetportal „Neutrale Schule“ bezog, über das anonym angebliche Neutralitätsverstöße gemeldet werden können. Das Vorgehen seiner Behörde hatte Schulsenator Ties Rabe (SPD) Kritik eingetragen, etwa den Vorwurf, er mache sich zum Erfüllungsgehilfen der AfD. Auch das Abendblatt, das als Erstes über die Vorgänge berichtete, war für seine Darstellung kritisiert worden.

Die Schule hatte in einer Erklärung die Vorwürfe weitgehend zurückgewiesen und geschrieben, dass viele der Sticker Teil eines Schulprojekts gewesen seien. Die Behörde hatte betont, davon habe die Schule bei der Anfrage vor der Begehung nichts geschrieben. Zudem sei nichts als Projekt gekennzeichnet gewesen, und es habe die für solche Projekte nötige „Pluriperspektivität“, also die Vielfältigkeit, gefehlt, da vor allem Antifa-Sticker zu sehen gewesen seien.

Grundsätzliche Fragen

Mehr als drei Wochen nach der ersten Berichterstattung ist es nun gelungen, wichtige Beteiligte an einen Tisch zu bringen, um das Geschehene im Rückblick noch einmal zu analysieren und auch grundsätzliche Fragen für die Zukunft zu besprechen – etwa die, wie neutral Schule sein kann und muss. In der Abendblatt-Redaktion trafen sich: der Schulleiter der Ida-Ehre-Schule, Kevin Amberg; der Vorsitzende der Schülerkammer und CDU-Bezirkskandidat, Liam Zergdjenah; der Chefjustiziar der Schulbehörde, Andreas Gleim; und der anerkannte Bildungsexperte und frühere Grünen-Politiker Kurt Edler.

Hamburger Abendblatt: In den sehr hitzigen Debatten der vergangenen Wochen haben sich wohl manche gefragt, ob die große Aufregung vermeidbar gewesen wäre. Auch wir haben in der Redaktion darüber nachgedacht und sind bei dieser Selbstkritik zu dem Schluss gekommen, dass die zugespitzte Überschrift des ersten Artikels unglücklich gewesen ist. Das gilt auch für den am selben Tag erschienenen Kommentar, in dem der Autor zwar sehr deutliche Kritik am AfD-Portal geübt hat, aber auch hart mit Schule und Lehrern ins Gericht ging. Wir haben die Überschrift in der Online-Version nachträglich geändert und dies im Artikel vermerkt und den Kommentar aus dem Netz genommen. Gibt es etwas, dass auch Sie in dieser Sache heute anders machen würden?

Kevin Amberg: Ja, wir würden die besagte Pinnwand in dem Klassenraum heute deutlich als Teil eines Projekts kennzeichnen. Das hätte vermutlich viel Aufregung verhindert.

Andreas Gleim: Die Rechtslage ist sehr klar und ist von uns als Behörde richtig angewandt worden. Es geht im Kern um die Frage, was die Grenzen politischer Betätigung in Schulen sind und was das Verbot bedeutet, dort politische Werbung zu betreiben. Wenn diese Grenzen verletzt werden, muss die Behörde eingreifen. Da hat sich die Position nicht verändert.

Wie haben die Schüler in Hamburg die Debatte erlebt?

Liam Zergdjenah: Wir haben sehr viele Rückmeldungen von Schülersprechern aus unterschiedlichsten Schulen bekommen. Dabei ging es auch um Aktionen von Antifa-Gruppen an anderen Schulen, wo zum Beispiel auf Schulhöfen T-Shirts verteilt wurden.

Gab es nicht auch Kritik, die AfD setze mit ihrem Portal Schulen unter Druck?

Zergdjenah: Doch, klar, aber das machen ja beide: die AfD und die Antifa-Gruppen. Die Antifa benutzt sehr geschickt die Schüler bei diesen Solidaritätsaktionen. Dabei wissen viele Schüler gar nicht, was hinter solchen Organisationen steckt.

Herr Edler, wie haben Sie diesen Konflikt aus neutraler Perspektive beobachtet?

Kurt Edler: Es gibt aus meiner Sicht zwei Aspekte. Zum einen gibt es dieses AfD-Portal, das für künstliche Erregung und Aufmerksamkeit sorgt. Zum anderen, und das finde ich viel wichtiger, haben wir jetzt eine neue Politisierung der Jugend, nachdem wir 15 oder 20 Jahre die Klagen gehört haben, die Jugend sei so unpolitisch. Das sieht man nicht nur durch die Klimaschutzdemonstrationen mit Greta Thunberg, sondern auch bei anderen Gelegenheiten, etwa bei Aktionen gegen Rassismus. Schüler testen ihre Meinungsfreiheit aus, und das dürfen sie. Für Lehrer und die Schule gelten andere Regeln.

Wo verlaufen da die Grenzen?

Edler: Wenn eine Organisation sich gezielt propagandistisch an Schüler wendet und Propagandamittel verbreitet, die auch vom Inhalt her fragwürdig sind, greift das, was die Behörde anführt. Wir müssen natürlich auf den Meinungspluralismus in der Schule achten.

Herr Amberg, sehen Sie größere Aktivitäten dieser Gruppe, der Antifa Altona Ost, an der Ida-Ehre-Schule?

Amberg: Nein, die sehe ich nicht. Es wurden im Übrigen auch keine Flyer oder Plakate gefunden. 15 Sticker hingen im Klassenraum als Teil eines Unterrichtsprojekts und zehn im Eingangsbereich in einer Sitzecke. Und der A.C.A.B.-Schriftzug stand sehr klein an einem Treppenabgang im zweiten Stock eines wenig frequentierten Treppenhauses.

Wenn es um ein Unterrichtsprojekt ging, warum fanden sich dort dann nur einseitig Sticker einer politischen Richtung?

Amberg: Es war sicher etwas einseitig, aber da waren auch ganz andere Aufkleber. Der Eindruck, den die AfD mit ihren Fotos in der Anfrage erweckt hat, ist so nicht richtig.

Der Schulsenator hat betont, dass Sie auf die erste Anfrage der Behörde vor den Ferien gar nichts von einem Schulprojekt geschrieben hätten. Warum eigentlich nicht? Das hätte die ganze Angelegenheit von Beginn an entschärfen können.

Amberg: Weil ich das zum Zeitpunkt der Anfrage nicht wusste. Ich bin Schulleiter einer Schule mit 1300 Schülern und über 150 Lehrern und bin nicht in jedes Projekt involviert. Ich habe die Fragen am Freitag vor Ferienbeginn bekommen und habe sie bis zum darauffolgenden Dienstag (in den Schulferien) beantworten sollen.

Sind Sie denn nach der ja recht brisanten Anfrage mal in die Klasse gegangen und haben sich selbst ein Bild gemacht?

Amberg: Nein, ich habe die Anfrage am Freitag vor den Ferien um 19 Uhr bekommen und wollte dann auch nach Hause. Ich wohne nicht in Hamburg. Die Fragen habe ich dann von zu Hause aus nach bestem Wissen und Gewissen beantwortet und bin am Montag nicht noch einmal in die Schule gefahren.

Edler: Für solche Situationen gibt es keine Routinen in Schulen. Schulen funktionieren nicht zentralisiert und hierarchisch wie Polizeiwachen. Man sollte das unaufgeregt sehen.

Gleim: Ich sehe das durchaus auch unaufgeregt. Schule soll auch kein unpolitischer Ort sein, und Lehrer müssen nicht ständig durch alle Klos rennen und Aufkleber abreißen. Wichtig ist es aber, dass die Bedingungen des politischen Diskurses fair sind. Es müssen sich auch Schülerinnen und Schüler äußern können, die Positionen vertreten, die nicht der Mehrheit in der Lerngruppe entsprechen. Es darf an Schulen kein Meinungsklima herrschen, das dazu führt, dass sich Schüler lieber nicht äußern, wenn sie für Dieselautos oder meinetwegen die AfD sind. Wir wollen, dass Positionen offen diskutiert werden können. Das ist der Grund für das Verbot der politischen Werbung an Schulen.

Und dieses Verbot war in diesem Fall wirklich so verletzt, dass Sie die Schulaufsicht in die Schule schicken mussten?

Gleim: Ja. Das, was da auch auf den Fotos dokumentiert ist, das ist ganz klar politische Werbung. In diesem Fall für eine Antifa-Gruppe. Weil wir natürlich bei unserem Vorgehen die Verhältnismäßigkeit wahren, ist es bei der Bewertung auch noch ein Unterschied, ob hier einfach irgendwo etwa steht „Wählt die Grünen“ oder ob es auch um Rassismus oder etwa um implizite Aufrufe zu Straftaten oder dergleichen geht. Aber selbst die schlichte Werbung für eine Partei würden wir an Schulen nicht hinnehmen.

Wie sehen Sie das als Vertreter der Schüler, Herr Zergdjenah?

Zergdjenah: Ich sehe das wie Herr Gleim. Es ist völlig egal, ob Sticker linksextrem sind, von der CDU, der SPD oder den Grünen. Solche Sticker haben an Schulen nichts zu suchen. Für uns ist überraschend gewesen, was nach dem Vorfall an der Ida-Ehre-Schule an anderen Schulen passiert ist, was die Antifa da organisiert hat.

Sie meinen die im Internet, mittlerweile auch auf sehr rechten Seiten kursierenden Fotos, die vor Schulen gemacht wurden, in denen die wohl oft minderjährigen Schüler Antifa-Plakate oder -Sticker halten?

Zergdjenah: Ja, da wurden auch Plakate aufgehängt, auf denen stand „Hamburg bleibt rot“. Wir halten das für gefährlich, wenn wir der Antifa so viel Freiraum an Schulen geben, weil wir dann eine differenzierte Meinungsbildung nicht mehr fördern können. Mir wurde wegen dieser Haltung schon vorgeworfen, ich stünde der AfD nah, was natürlich Unfug ist. Unsere Position ist klar: Linksextremismus und Rechtsextremismus haben an Schulen nichts zu suchen. Wenn wir jetzt überall Schüler sehen, die auch noch minderjährig sind und auf den Schulhöfen Banner hochhalten, dann kann man schon von einer Instrumentalisierung sprechen.

Antifaschismus ist der IES ja auch angesichts der Geschichte der Schule sehr wichtig. Wie stark differenzieren Sie da zwischen dem Begriff selbst und möglicherweise extremistischen Organisationen?

Amberg: Wir haben uns sehr intensiv damit befasst, und auch die Lehrkräfte differenzieren da sehr genau. Im Unterrichtskontext natürlich sowieso.

Auslöser der Debatte war eine AfD-Anfrage. Sie selbst haben die Teilnahme an der Talkshow „Schalthoff Live“ bei Hamburg 1 abgelehnt, weil auch ein AfD-Vertreter eingeladen war. Anders als das Helene-Lange-Gymnasium, das den AfD-Fraktionschef Alexander Wolf zu einer Diskussion eingeladen hat, lehnen Sie solche Besuche für Ihre Schule ab. Sind das für eine so politische Schule die richtigen Signale?

Amberg: Das Signal, das rüberkommen sollte, ist: Wir bieten solchen Parteien keine Bühne. Schon gar nicht in diesem Kontext. Die Funktion einer solchen Sendung muss man natürlich auch hinterfragen.

Ordnen Sie die AfD als so weit rechts ein, dass Sie sagen: Mit denen darf man nicht reden?

Amberg: So ist das nicht zu verstehen. Man muss sich auch mit der AfD aus­einandersetzen, gar keine Frage. Die Frage ist aber, wie man das tut. Auseinandersetzen kann ich mich auch, ohne mit einem Parteivertreter am Tisch zu sitzen.

Wie kann die Auseinandersetzung denn ohne persönlichen Kontakt stattfinden?

Amberg: Parteivertretern, die sich wie auch immer geartet populistisch äußern, wollen wir an unserer Schule keine Bühne bieten. Weil wir aber gegebenenfalls alle Bürgerschaftsparteien einladen müssten, verzichten wir darauf, Politiker in die Schule zu holen. Wir setzen uns stattdessen mit den Positionen zum Beispiel über die Parteiprogramme aus­einander.

Herr Edler, wie sollten sich denn Schulen aus Ihrer Sicht mit der AfD auseinandersetzen?

Edler: Sie sollten den Mut haben, ihren Schülern ein eigenes Urteil zu überlassen und sich auch direkt mit den Personen auseinanderzusetzen, die Träger bestimmter Meinungen sind. Aber das muss sehr gut vorbereitet werden. Sonst droht so eine konsumistische Haltung, wo Schüler sich einfach nur ansehen, was da auf dem Podium für ein Spektakel passiert. Wichtig ist, dass sich Schüler selbst eine Meinung bilden können im Sinne des Beutelsbacher Konsenses ...

... der seit 1976 einen Rahmen für Politikunterricht setzt, nach dem Schüler nicht mit Meinungen „überwältigt“ werden dürfen, die Debatte nicht einseitig, sondern kontrovers geführt werden muss und sich an den Schülern orientieren soll.

Edler: Genau. Das setzt voraus, sich auf Gedanken einer Position, die einem fernsteht, auch erst mal einzulassen. Es setzt also Toleranz gegenüber Andersdenkenden voraus. Ich sehe da eine große Aufgabe auf uns zukommen – ganz unabhängig von dem AfD- oder dem IES-Thema. Es deutet sich nämlich an, dass feindselige Gegensätze in den Schülerschaften deutlich zunehmen werden. Umso wichtiger ist es, Toleranz zu üben. Das muss Programm werden in Philosophie, in Deutsch, in Politik und anderswo.

Erleben Sie so etwas in der Schülerschaft schon so?

Zergdjenah: Nein. Wir sehen bisher noch nicht, dass es Gruppen gibt, die anderen das Äußern eigener Meinungen unmöglich machen.

Edler: In Hamburg haben wir noch sehr liberale Verhältnisse. Aber es zeigt sich woanders schon, dass diese Konflikte deutlich zunehmen. Allerdings nicht anhand eines Links-rechts-Schemas, sondern eher durch religiös-kulturelle oder nationale Ressentiments.

Gleim: Wichtig ist es, die Schüler zu befähigen, sich auch im Internet ein differenziertes Bild zu machen – und sich nicht immer nur in diesen Blasen zu bewegen, in denen ich immer nur meine eigenen politischen oder religiösen Anschauungen höre.

Wie geht die Behörde künftig mit dem AfD-Portal um?

Gleim: Wir gehen mit diesem Portal gar nicht um, wir beantworten alle Anfragen aller Abgeordneten der Hamburgischen Bürgerschaft in der Zeit, die die Hamburgische Verfassung dafür vorsieht. Das ist selbstverständlich.

Gibt es denn eine rechtliche Handhabe gegen das Portal?

Gleim: Das zu bewerten ist nicht meine Aufgabe als Justiziar der Schulbehörde. Aber ich bin ja auch ein mittelguter Jurist. Und deswegen glaube ich, dass presserechtlich gegen dieses Portal nichts vorzubringen ist. Es gibt viele Bewertungsportale, auf denen Lehrer oder Schulen anonym bewertet werden, häufig auch unzutreffend und polemisch. Wir haben ein liberales Äußerungsrecht, das hat das Bundesverfassungsgericht immer wieder bestätigt. Danach ist wohl auch dieses Portal rechtlich zulässig – wie immer man es politisch bewerten mag.

Edler: Wenn Persönlichkeitsrechte verletzt würden, also etwa Lehrer an den Pranger gestellt würden, dann könnte der Betroffene dagegen vorgehen. Das wäre dann aber nicht eine Sache der Schulbehörde, sondern eine privatrechtliche Auseinandersetzung. Ich würde auch in Sachen AfD-Portal dazu raten, wieder auf den Teppich zu kommen. Wir stehen ja in dieser Debatte im Rahmen wachsender Transparenzansprüche der ganzen Gesellschaft. Die gelten auch für Schulen. Es gibt mittlerweile gute Tools, über die sich Lehrer der Kritik ihrer Schüler stellen können, weil sie natürlich nicht unfehlbar sind. Das sind allerdings seriöse Instrumente und keine marktschreierischen.

Also muss man mit dem AfD-Portal einfach leben?

Edler: Wenn Schulen offen und im Konsens mit solchen Transparenz-Instrumenten arbeiten würden, dann würde das grelle Licht, das nun auf so ein AfD-Portal fällt, sicher ein wenig gedimmt. Die AfD arbeitet ja mit der impliziten Behauptung, dass hinter den Schulmauern Unglaubliches geschehe, das unbedingt enthüllt werden müsse. Womöglich ist das hier und da auch der Eindruck mancher Menschen, vor allem von Eltern, die das Gefühl haben, sie wüssten nicht genug über den Schulalltag. Man kann dem strategisch nur entgegenarbeiten durch eine qualitätsvolle Transparenz, die der Schule und den Kindern und Jugendlichen nützt.

Zergdjenah: Wir als Schülerkammer warnen die Schulsprecher gezielt vor diesem AfD-Portal. Denn es gibt bei Problemen an Schulen ja ganz andere Möglichkeiten, Lösungen zu finden – oder auch mithilfe der Schülerkammer. Wir sind politisch neutral und schlagen keinerlei politischen Profit heraus und können deswegen am besten beraten.

Herr Amberg, fragen Sie sich eigentlich, wer derjenige war, der diese Fotos an die AfD geschickt hat?

Amberg: Nein, das fragen wir uns überhaupt nicht. Das Schulgebäude steht Tag und Nacht offen, da ist die Volkshochschule drin, da sind Sportvereine drin. Man kommt da bis 22 Uhr rein. Jeder hätte diese Fotos machen können.

Eine letzte Frage in die Runde, die wir uns als Redaktion, wie oben schon gesagt, auch gestellt haben: Gibt es etwas, das wir alle aus den Erfahrungen der vergangenen Wochen lernen können?

Zergdjenah: Ich habe zwei Dinge gelernt. Erstens brauchen wir eine bessere Definition, was wir unter Neutralität an Schulen verstehen. Und zweitens müssen wir darauf achten, welche Gruppierungen wie intensiv an Schulen aktiv sind. Wir sollten verhindern, dass Schüler auf Fotos landen oder Organisationen folgen, wenn sie vielleicht noch nicht genau einschätzen können, wofür diese stehen. Ganz wichtig ist dabei für mich ein guter und vielfältiger Politikunterricht.

Amberg: Ich möchte zunächst sagen, dass ich mich auch nach diesen sehr intensiven Wochen sehr über die starke gemeinsame Haltung unserer Schulgemeinschaft freue. Auch die Solidaritätsbekundungen von außen haben uns die Kraft gegeben, durch diese Wochen zu kommen. Klar geworden ist bei alldem auch: Unserem Kollegium ist der Beutelsbacher Konsens sehr bewusst, und er wird auch gelebt. Was das Lernen angeht: Wenn die nächste provokative Anfrage kommt, wäre es empfehlenswert, mindestens eine Nacht darüber zu schlafen, bevor man Handlungen folgen lässt. Also: nicht gleich antworten, nicht gleich die nächste effektheischende Überschrift formulieren, nicht gleich die nächste Aktion planen. Lieber mit Muße und Abstand den Kontext ansehen und in den direkten Kontakt zu den Verantwortlichen treten. Das wäre eine Haltung, mit der wir sicher alle deutlich weiterkämen.

Gleim: Die Mechanismen, die wir haben, haben sich aus Sicht der Schulbehörde bewährt. Richtig ist aber, dass die Bedeutung des Politikunterrichts auch durch die allgemeine gesellschaftliche Entwicklung zugenommen hat. Da müssen wir schauen, wie unsere Werkzeugkästen sortiert sind, und ob wir genug Angebote haben, um das Interesse der Schüler auch ausreichend aufzunehmen. Was den äußeren Rahmen angeht, sehe ich keine Notwendigkeit, Dinge zu verändern.

Edler: Extremismus und Populismus können an einer Schule, an der es eine entfaltete Demokratiekultur gibt, nur sehr schwer greifen. Das setzt voraus, dass Schulen den Mut haben, dafür Räume zu schaffen. Und es bedeutet ein kritisches Verhältnis zu dem, was PISA und Bologna-Leistungsvergleiche aus Schule gemacht haben. Der Hauptfeind ist nicht ein AfD-Portal oder eine Antifa-Strömung, Hauptfeind ist die tödliche Routine, die keine Zeit und keinen Raum mehr lässt für die gemeinsame demokratische Diskussion.