Hamburg. CDU im Alstertal beklagt, dass die Infrastruktur mit der Zunahme der Wohnungsprojekte nicht Schritt hält. Eltern sehen Bedarf.

Der Rasen wirkt noch ziemlich kümmerlich an manchen Stellen, aber immerhin sind die Straßen und Wege an der Ohlendiekshöhe in Poppenbüttel vollendet – auf etlichen Terrassen stehen schon Gartenmöbel. Denn seit Beginn des Jahres sind alle Wohnungen im neuen „Quartier an der Mellingbek“ fertiggestellt. Das Neubauquartier von „Fördern & Wohnen“ mit dem klangvollen Namen bietet neben 118 Wohnungen für knapp 500 Flüchtlinge weitere 198 geförderte Wohnungen und 61 Wohnungen ohne Förderung.

Sina Mohr ist mit ihrem Mann und dem 16 Monate alten Sohn Henri im November eingezogen. Einen Kita-Platz hat sie im Viertel vergebens gesucht. Damit verzögerte sich auch ihr beruflicher Wiedereinstieg nach der Elternzeit. „Ich wollte eigentlich schon im Januar oder spätestens Februar wieder anfangen zu arbeiten“, sagt die Finanzbeamtin. Dabei war sie durchaus flexibel: „Ich habe bei etwa zehn Kitas angefragt – ohne Erfolg.“ Glücklicherweise habe sie zu guter Letzt einen Platz bei einer Tagesmutter im Stadtteil gefunden und ist nun seit Anfang März wieder berufstätig.

Doch spätestens wenn Henri drei Jahre alt ist, brauche sie einen Kita-Platz, sagt sie, weil die Tagesmutter nur Krippenkinder betreut. Und den sucht sie möglichst im Neubaugebiet. Theoretisch sollte das kein Problem sein. Das Deutsche Rote Kreuz betreibt seit einem Jahr eine Kindertagesstätte mit 50 Plätzen. Doch Sina Mohr hätte nicht vor Mitte April einen Platz für Henri bekommen.

Große Kita ist fest geplant

„In dem Neubaugebiet ist seit Planungsbeginn eine große Kita fest geplant und von der Stadt zugesagt. Das steht seit Juli 2016 fest“, sagt Wolfgang Kühl, doch bisher sei nichts passiert. Dabei wohnten in den neuen Quartier schon jetzt mehr als 200 Kinder, so der CDU-Politiker vom Ortsvorstand Alstertal. Die neue Kita solle Platz für 120 Kinder und ein Eltern-Kind-Zentrum haben. „Die Stadt hat zu klein geplant. Dafür reicht die vorhandene Fläche nicht. Es muss jetzt dreigeschossig geplant werden“, kritisiert der CDU-Politiker.

„Für die zweite Kita an der Ohlendiekshöhe wird – anders als für die erste, die in ein Wohnhaus integriert wurde – ein eigenes Gebäude errichtet“, sagt Susanne Schwendtke, Sprecherin von „Fördern & Wohnen“. „Für die Ausschreibung der Bauleistungen wurden die Funktionen, die die Räume erfüllen sollen, zunächst mit der zuständigen Fachbehörde abgestimmt.“

Derzeit würden die Bauleistungen ausgeschrieben. „Wir streben eine bauliche Fertigstellung des Gebäudes Ende 2019 an“, so Schwendtke. Der Bedarf ist groß. Viele Grundstücke in Poppenbüttel, auf denen früher nur ein Einfamilienhaus stand, würden nun mit Mehrfamilienhäusern bebaut, sagt Wolfgang Kühl. Die extreme Nachverdichtung in Poppenbüttel, die man vielerorts beobachten könne, schaffe Probleme: „Man muss sich fragen, was die wachsende Bevölkerung für die Kitas und die Schulen hier bedeutet.“

Breites Beteiligungsverfahren

Dass es schon jetzt an vielen Schulen platzmäßig knirscht, weiß auch Michaela Knoke. Sie ist im Vorstand des Elternrats des Carl-von-Ossietzky-Gymnasiums, das in derselben Straße liegt wie die Grundschule Müssenredder. Theoretisch seien die Klassengrößen gedeckelt, sagt die Mutter von drei Kindern, aber praktisch seien häufig 30 Schüler und mehr in einer Klasse anstatt 28. Und all die neu zugezogenen Kinder kämen ja absehbar auf weiterführende Schulen.

Hendrikje Pankoke ist Vorstandsmitglied im Elternrat der Grundschule Hinsbleek und Mitglied im Kreiselternrat. Auch sie sagt, noch sei die Grundschule dreizügig, „aber die Deckelung funktioniert nicht mehr richtig“. Es gebe keine freien Räume; um mehr Platz zu schaffen, müssten wohl Container aufgestellt werden. „Aber dann werden die Schulhöfe kleiner, und das gibt mehr Konfliktpotenzial. Der CDU-Politiker Kühl kritisiert, „dass es keinen aktuellen Schulentwicklungsplan gibt.“

Peter Albrecht, Sprecher der Schulbehörde, sagt dazu: „Die konkreten Planungen für Erweiterungen und Neugründungen von Schulen werden wir im (Entwurf des) neuen Schulentwicklungsplan vorstellen, voraussichtlich noch vor den Sommerferien. Danach gibt es ein breites Beteiligungsverfahren mit allen Schulen, Kreiselternräten, Kreisschülerräten, schulischen Kammern und Bezirken.“ Fest stehe, dass die Grundschulen Alsterredder, Poppenbüttel und Grützmühlenweg jeweils mit einem Zug mehr in das neue Schuljahr starten.

Großer Neubaukomplex

Kühl dringt auch auf eine Anpassung des KESS-Faktors, weil sich die soziale Zusammensetzung im Stadtteil verändert habe. Der KESS-Faktor hat zum Beispiel Auswirkungen auf die Klassengröße sowie auf die Mittel für die sprachliche und sonderpädagogische Förderung.

Antje Hartung (l.) leitet die DRK-Kita. Anwohnerin Sina Mohr hat noch keinen Platz für ihren Sohn bekommen
Antje Hartung (l.) leitet die DRK-Kita. Anwohnerin Sina Mohr hat noch keinen Platz für ihren Sohn bekommen © HA | Marcelo Hernandez

Ein großer Neubaukomplex ist auch am Butterbauernstieg nahe dem Ring 3 entstanden. Dort gibt es in der „Unterkunft mit Perspektive Wohnen“ 360 Plätze für Flüchtlinge. Für weitere 182 Wohnungen der Saga wurde im Februar Richtfest gefeiert. Laut einer Antwort des Senats auf die Anfrage des CDU-Abgeordneten Dennis Thering leben in der Unterkunft derzeit 350 Flüchtlinge, darunter 173 Kinder und Jugendliche.

Darunter sind 59 Kinder unter sechs Jahren sowie 114 Kinder im schulpflichtigen Alter (Stand Ende Februar). Noch in diesem Jahr sollen zudem die ersten Mieter in die neuen Wohnungen einziehen. Im Frühjahr sollte auch hier eine Kita den Betrieb aufnehmen, doch daraus wird nichts. „Die Kita wird nach derzeitigem Planungsstand erst voraussichtlich zum Schuljahreswechsel 2020 in Betrieb gehen“, sagt Saga-Sprecher Gunnar Gläser. Der Grund sei ein geänderter Entwurf