Hamburg. Senator Brosda: Bedeutung der Einrichtung wird wachsen. Verantwortliche sollen mehr Freiheit bei ihrer Arbeit bekommen.
Die KZ-Gedenkstätte Neuengamme steht vor einer bedeutenden organisatorischen Veränderung: Der Senat will die Einrichtung in eine Stiftung öffentlichen Rechts überführen. Bislang ist die Gedenkstätte wie auch das Planetarium eine Abteilung der Kulturbehörde. „Uns ist wichtig, dass die Gedenkstätte bei der Wahrnehmung ihrer kulturellen und gesellschaftlichen Aufgaben nicht nur heute, sondern auch in Zukunft im höchsten Maße politisch unabhängig agieren kann“, sagte Kultursenator Carsten Brosda (SPD) im Gespräch mit dem Abendblatt. „Die Gedenkstätte wird mehr Freiheit haben, und die Autonomie ihrer Arbeit wird größer.“
Streng genommen sind der Leiter der Gedenkstätte, Detlef Garbe, als Abteilungsleiter der Kulturbehörde und die rund 40 Mitarbeiter zurzeit weisungsgebunden wie Beamte. Zwar gebe es keine Klagen über eine Einflussnahme des Senats seitens der Gedenkstätte auf deren Arbeit, so Brosda, aber er wolle mit dem Schritt auch für die Zukunft in denkbaren anderen Konstellationen vorbauen. Um der besseren Sichtbarkeit und größeren Eigenständigkeit der Gedenkstätte willen hat der Senat darauf verzichtet, Neuengamme in die Stiftung Historischer Museen zu integrieren.
Brosda erwartet Wachstum
„Im Übrigen sind alle anderen großen KZ-Gedenkstätten in Deutschland eigenständige Stiftungen. Hamburg ist bislang ein Sonderfall“, sagte Brosda. Die politische Unabhängigkeit der Einrichtungen betone auch der Bund in seiner Gedenkstättenkonzeption. Der Bund unterstützt Neuengamme als einzige Hamburger Kultureinrichtung mit jährlich 827.000 Euro. Aus dem Hamburger Haushalt wird die Arbeit der Gedenkstätte mit jährlich 2,3 Millionen Euro finanziert. Weitere 300.000 Euro kommen von privaten Stiftungen. An der Finanzierung des Areals in Neuengamme im Wesentlichen durch den Staat wird sich auch in Zukunft nichts ändern, denn Stiftungen öffentlichen Rechts arbeiten ohne eigenes Stiftungskapital. Die Gedenkstätte wird künftig allerdings Budgethoheit haben, kann also eigenständiger als bislang Schwerpunkte setzen.
Brosda erwartet, dass die Bedeutung der KZ-Gedenkstätte in den kommenden Jahren wachsen wird. „Neben der schon heute wichtigen koordinierenden und beratenden Funktion übernimmt die Gedenkstätte in den nächsten Jahren auch den Betrieb des im Entstehen begriffenen Dokumentationszentrums denk.mal Hannoverscher Bahnhof in der HafenCity“, sagte der Kultursenator. Aus Sicht des SPD-Politikers wird es auch darum gehen, neue Konzepte für die Gedenk- und Erinnerungsarbeit zu entwickeln. „Noch gibt es die Möglichkeit, Zeitzeugen des Nationalsozialismus zu befragen“, sagte Brosda.
Junge Menschen ansprechen
Wenn das nicht mehr der Fall sei, müssten andere Wege gefunden werden, gerade junge Menschen anzusprechen. „Und in der Stadtgesellschaft leben viele Menschen, die gar keinen direkten Bezug zu dem Thema haben, weil sie erst später zugewandert sind“, so der Senator. Auch diese Personengruppe müsse bei Planungen der Gedenkarbeit berücksichtigt werden. In einem ist sich Brosda sicher: „Der Besuch der Orte des Nazi-Terrors wie in Neuengamme führt zu einer veränderten Wahrnehmung.“
In Hamburg gibt es 110 Erinnerungsorte und Gedenkstätten des Nationalsozialismus – vor zehn Jahren waren es 75. Die Gedenkstätte Neuengamme berät die Einrichtungen, die zum Teil in privater Hand sind, und koordiniert ihre Aktivitäten. In dem Internetportal www.gedenkstaetten-in-hamburg.de findet sich das Verzeichnis aller Einrichtungen. „Der Senat plant, die wachsende Zahl an Gedenkorten besser zu vernetzen, unter anderem mit einer neuen Gedenkstättenkonzeption, die derzeit in enger Abstimmung mit der KZ Gedenkstätte erarbeitet wird“, sagte Brosda.
Mitarbeiter sollen Jobs behalten
Am gestrigen Mittwoch informierte der Senator die Mitarbeiter der Gedenkstätte über die geplante Umstrukturierung und sicherte ihnen den Erhalt ihrer Arbeitsplätze zu. „Derzeit prüfen wir die rechtlichen Rahmenbedingungen und die einzelnen Details genau und bereiten sie für eine abschließende Entscheidung vor“, sagte Brosda, der mit einem Beschluss der Bürgerschaft noch vor der Wahl am 23. Februar 2020 rechnet.
Bis 2003 existierte auf dem Gelände in Neuengamme noch ein Gefängnis. Ein erstes Mahnmal wurde 1965 errichtet, das später durch ein Dokumentenhaus ergänzt wurde. Die KZ-Gedenkstätte Neuengamme wurde erst zum 60. Jahrestag der Befreiung im Mai 2005 eröffnet. Heute besuchen rund 100.000 Menschen jährlich das Areal mit einer Fläche von 54 Hektar.