Hamburg. Vorstandschef Rolf Habben Jansen ist seit fünf Jahren bei Hamburgs Traditionsreederei. Seitdem hat sich ihr Aussehen stark gewandelt.
Rolf Habben Jansen ist kein sehr geduldiger Mensch. Wenn ihn ein Vortrag bei einer Konferenz langweilt, passiert es schon mal, dass der Vorstandsvorsitzende der Hapag-Lloyd AG fast schon demonstrativ sein Smartphone zückt, um neue Nachrichten zu checken. Seine Aufmerksamkeitsspanne sei begrenzt, heißt es aus seinem direkten Umfeld. Wer ihm etwas Wichtiges mitzuteilen habe, müsse schnell zum Punkt kommen.
Seine Ungeduld hat aber auch ihre Vorteile. Der Mann ist ein Treiber, mit dem Blick fürs Wesentliche, einer der nur eine Richtung kennt: vorwärts. „Ich bin nicht da“, sagt er, als das Abendblatt zwecks eines Gesprächs anfragt. „Ich bin die ganze nächste Woche unterwegs.“ Zürich, London. Schließlich einigt man sich auf ein enges Zeitfenster. Die Anlass ist gewichtig genug: In dieser Woche ist es genau fünf Jahre her, dass Rolf Habben Jansen bei der Hamburger Reederei anheuerte. Seitdem hat sich das traditionsreichen Schifffahrtsunternehmen mit dem prunkvollen Sitz am Ballindamm komplett gewandelt und seinen Platz in der Schifffahrtswelt gefestigt.
Als der 1966 in Spijkenisse nahe Rotterdam geborene Manager im April 2014 bei Hapag-Lloyd einstieg, stand es um das Unternehmen gar nicht gut. Die Reederei steckte inmitten der seit Jahrzehnten andauernden schwersten Schifffahrtskrise, hatte mehrere verlustreiche Jahre hinter sich und drohte angesichts eines in der Branche einsetzenden Konzentrationsprozesses, seine Bedeutung als eines der weltgrößten Transportunternehmen zu verlieren.
Eine der profitabelsten Linienreedereien
Heute – fünf Jahre später – zählt Hapag-Lloyd zu den profitabelsten Linienreedereien der Welt, was auch Analysten anerkennen. So lag die so genannte Ebit-Marge, die das Verhältnis von Gewinn zum Umsatz kennzeichnet, und somit die Profitabilität eines Unternehmen widerspiegelt, im vergangenen Jahr bei 3,8 Prozent. Im Vergleich zu anderen Industriezweigen ist das gering, bezogen auf die Schifffahrtsbranche, die noch immer unter den Folgen der Krise leidet, ist man damit weit vorne. Zum Vergleich: Die Ebit-Marge der beiden großen Konkurrenten CMA CGM und Maersk lag im vergangenen Jahr bei 2,6 und 1,6 Prozent. „Die machen vieles richtig“, sagt der Schifffahrtsexperte der Nord LB, Thomas Wybierek, respektvoll über den Vorstand von Hapag-Lloyd.
Aber wie ist der Umschwung gelungen? Fragt man den Chef selbst, führt er die Wandlungsfähigkeit seines Unternehmens an: „Hapag-Lloyd hat sich in den mehr als 170 Jahren seines Bestehens immer wieder verändern müssen – vom Segelschiff über das Dampfschiff und Stückgutschiff bis zum modernen Containerriesen von heute“, sagt Habben Jansen. Diese Fähigkeit, sich den Markterfordernissen immer wieder aufs Neue anzupassen und sich kontinuierlich zu verändern, sei angesichts der aktuellen Herausforderungen – zum Beispiel durch die Digitalisierung – eine ganz wesentliche Voraussetzung für die Wettbewerbs- und Zukunftsfähigkeit. Tatsächlich hat Hapag-Lloyd eine rasante Entwicklung hinter sich: von dem ur-hamburgischen Unternehmen zum internationalen Schifffahrtskonzern. Und die Entwicklung ist ganz eng mit dem Namen Habben Jansen verbunden. Sie begann, als er kam.
Fusion scheiterte an den Oetkers
Um seine Marktstellung zu erhalten, hatte Hapag-Lloyd damals die Übernahme der chilenischen Containersparte der Reederei Compañía Sudamericana de Vapores (CSAV) eingeleitet, nachdem zuvor eine Fusion mit der zweiten großen Hamburger Reederei Hamburg Süd am Widerstand ihrer Eigentümer, der Familie Oetker, gescheitert war.
Es ist ein Treppenwitz der Geschichte, aber auch ein Beweis für die Konsolidierung der Branche, dass Oetker sich Jahre später genötigt sah, Hamburg Süd an den weltweit größten Reedereikonzern und Konkurrenten von Hapag-Lloyd, Maersk, zu veräußern.
Am Ballindamm entschied man sich dann für CSAV. Eingeleitet hatte die Hochzeit mit den Chilenen noch Habben Jansens Vorgänger und heutige Aufsichtsratschef, Michael Behrendt, der weltweit über sehr gute Kontakte verfügt. Umsetzen musste die Fusion Habben Jansen, der seinem Unternehmen damit wichtige Fahrtgebiete nach Südamerika sicherte und durch den Zusammenschluss Einsparungen von umgerechnet 265 Millionen Euro jährlich erwartete. Ende 2014 begann der Zusammenschluss, acht Monate später war die Fusion abgeschlossen. Die erwarteten Synergien von 265 Millionen Euro wurden in der Folge übertroffen.
Hier zeigte sich, wie entschlossen Habben Jansen handelte. Blitzschnell wurden die Leitungsfunktionen neu verteilt, gemischte Teams beider Gesellschaften gebildet und die chilenische Flotte in das Hapag-Lloyd-System integriert. Schon damals sagten Habben Jansen nahestehende Mitarbeiter über ihn: „Er ist unglaublich fokussiert und sehr schnell beim Denken und Handeln.“ Und vom Zusammenschlüssen verstand er auch etwas.
Mit Sparprogrammen Effizienz gesteigert
Nach einem Wirtschaftsstudium an der Erasmus-Universität Rotterdam und verschiedenen Karriereschritten bei der Logistik-Tochter der Deutschen Post, DHL wurde Habben Jansen 2009 Chef der Spedition Damco, ein Tochterunternehmen von Maersk. Seine erste Aufgabe damals: Die Fusion Damcos mit der Schwestergesellschaft Maersk Logistics.
Noch schneller war Habben Jansen bei der Übernahme der United Arab Shipping Company (UASC) durch Hapag-Lloyd. Anfang Mai 2017 wurde sie perfekt, viereinhalb Monate später war die Integration nahezu abgeschlossen. Umgerechnet 387 Millionen Euro an Synergien erwartete man aus diesem Deal. erst im Laufe des Jahres sollten diese voll zum Tragen kommen. Ende 2018 waren sie bereits erreicht.
Hinzu kamen verschiedene Sparprogramme, mit denen Habben Jansen die Effizienz der Reederei steigerte, eine Pünktlichkeitsoffensive bei den Fahrplänen, mehr Kundenservice und die Ausweitung der Transportmengen.
Die heutige Hapag-Lloyd AG hat mit der Firma vor fünf Jahren nicht mehr viel gemein. Die Zahl der Mitarbeiter hat sich gegenüber 2014 annähernd verdoppelt, ebenso der Umsatz und die Menge der transportierten Container. Die Zahl der Schiffe ist von 153 auf 227 gestiegen.
Seit November 2015 an der Börse
Durch die Fusion mit den Arabern sind auch die außergewöhnlich großen Frachter mit einer Kapazität von 20.000 Containern in die Flotte gekommen. Und das Unternehmen hat trotz der Konsolidierung am Schifffahrtsmarkt seine Stellung als fünftgrößte Reederei der Welt halten können. Allerdings ist durch die Übernahmen auch die Nettoverschuldung kräftig angewachsen, weil sowohl CSAV als auch UASC ihrerseits Schulden mit in die Ehe brachten.
Die Kehrseite der Medaille: Hapag-Lloyd ist eigentlich kein deutsches Unternehmen mehr. Die Mitarbeiter kommen aus 90 verschiedenen Ländern, und von den einst ausschließlich deutschen Eigentümern sind nur noch der umtriebige Logistik-Unternehmer Klaus-Michael Kühne mit 25 Prozent und die Stadt Hamburg mit 13,9 Prozent übrig. Stärkster Eigentümer ist inzwischen mit 25,8 Prozent die chilenische CSAV. Hinzu kommen aus dem Zusammenschluss mit UASC Katar mit 14,5 und Saudi Arabien mit 10,2 Prozent. 10,6 Prozent des Unternehmens werden an der Börse gehandelt. Denn auch das hat Habben Jansen über die Bühne gebracht: Einen Börsengang im November 2015.
„Wir sind ein internationales Unternehmen mit sehr unterschiedlichen Eigentümern verschiedenster Herkunft. Ich halte unterschiedliche Mentalitäten und Absichten nicht für problematisch, sondern ganz im Gegenteil für eine hohe Qualität“, sagt der Hapag-Lloyd-Chef über die Besitzerstruktur. „Wir sind ein Konzern, der auf der ganzen Welt zu Hause ist. Und das sind unsere Eigentümer auch. Das passt also wunderbar.“
Unterschiedliche Mentalitäten der Anteilseigner
Dass es manchmal Knatsch gibt, ist angesichts der der unterschiedlichen Mentalitäten der Anteilseigner nicht unüblich. Dann muss Habben Jansen eine ganz andere Seite zeigen und vermittelnd wirken. „Natürlich gibt es hin und wieder Diskussionen in Einzelfragen – aber das ist auch wichtig und im Grunde völlig normal. Wichtig ist doch, dass wir uns über die grundsätzliche strategische Ausrichtung des Unternehmens völlig einig sind“, sagt er.
Mit dem neuen Chef änderte sich auch die Unternehmenskultur. Früher war Hapag-Lloyd überspitzt gesagt der heilige Schrein unter den Reedereien. Von außen bewundert und von innen erfüllt mit dem Stolz, einer langen Seefahrtstradition anzugehören. Die Hapag hat Geschichte geschrieben, als wichtiger Faktor in den Zeiten der Auswanderung, als Erfinder der Kreuzfahrtindustrie, als weltumspannendes Seetransportunternehmen, das unter der deutschen Flagge Qualität bot und Schnelligkeit. Entsprechend klangvoll ist der Name in der Schifffahrtswelt, entsprechend selbstbewusst war das Auftreten der Mitarbeiter bis hinauf zum Vorstand. Die Vorstandsmitglieder waren die Wächter dieses traditionsreichen Bildes. Erfolgreich, perfekt vom Scheitel bis zu Sohle gestylt, mit sorgfältig gefaltetem Einstecktuch im Jackett.
Hierarchien durch flachere Strukturen ersetzt
Und dann kam Habben Jansen. „Ich heiße Rolf“, sagte er, legte die Krawatte ab und krempelte die Ärmel seines Hemdes hoch. Er baute die streng hierarchische Gliederung des Konzerns ab und ersetzte diese durch flache, effiziente Strukturen. Auf die Mitarbeiter lässt er nichts kommen. Wenn man ihn fragt, warum er gerne für Hapag-Lloyd arbeitet, dann kommt zunächst diese Antwort: „Es sind vor allem die Menschen und die Teams in allen Teilen der Welt, die mit großer Leidenschaft und hoher Motivation für Hapag-Lloyd arbeiten. Wo immer ich auf der Welt bin, treffe ich auf diesen besonderen Hapag-Lloyd-Teamspirit.“
Erst als zweites nennt er den Reiz der Branche: „Als Motor der Weltwirtschaft sind wir natürlich voll und ganz in internationale Produktions- und Logistikströme eingebunden. Da ist kein Tag wie der andere – das macht unsere Branche und unser Unternehmen so spannend und vielseitig.“
In Hamburg ist Habben Jansen inzwischen angekommen. Hatte er 2014 noch seinen Lebensmittelpunkt mit Frau und zwei Töchtern in Basel, lebt er inzwischen hier. „Hamburg ist jetzt meine Heimatstadt, in der ich mich rundum wohl fühle.“ Gibt es auch etwas, dass er nicht an Hamburg mag? Habben Jansen überlegt: „Da fällt mir wirklich wenig ein. Allenfalls das Wetter.“