Hamburg. Bürgerschaft streitet heftig über das AfD-Internetportal, das Hinweise auf angebliche linksextreme Aktivitäten veröffentlichte.
Die Duftmarke wurde gleich am Anfang dieser aktuellen Stunde gesetzt. Der AfD-Fraktionschef Alexander Wolf hatte das Motto der Ida-Ehre-Schule in Eimsbüttel – „Schule ohne Rassismus“ – kaum ausgesprochen, als ein kräftiger und fast einminütiger Applaus vieler Abgeordneter und auch Zuhörer einsetzte, sodass Wolf seine Rede zunächst nicht fortsetzen konnte. Erst als wieder Ruhe eingekehrt war, fügte Wolf an, dass das die Theorie sei, die Realität aber angeblich anders aussehe.
Die Bürgerschaft diskutierte rund eineinviertel Stunden lang in Anwesenheit auch vieler Schüler und Lehrer über die Vorgänge an der Eimsbütteler Schule, die die Politik und viele Bürger seit einer Woche in Atem halten. Es war eine emotionsgeladene, aber doch weitgehend sachliche Debatte mit einigen überraschenden Wendungen. Ausgerechnet Schulsenator Ties Rabe (SPD) griff nicht in die Debatte ein. Die Unterstützung vor allem seiner Partei, der SPD wie auch des grünen Koalitionspartners, fiel bescheiden aus, vorsichtig ausgedrückt.
Schulbehörde sah Verstöße gegen Neutralitätsgebot
Aber der Reihe nach: Am Anfang stand eine Kleine Anfrage der AfD mit dem Vorwurf, an der Schule verbreite die Gruppe Antifa Altona-Ost linksextremistische Propaganda. Offensichtlich anonyme Informanten hatten auf dem umstrittenen AfD-Internetportal „Neutrale Schulen“ Fotos einer sogenannten „Antifa Area“ in einem Klassenraum eingestellt, die zahlreiche Aufkleber und Sticker unter anderem mit dem Schriftzug „FCK AfD“ und Aufrufen zu Demonstrationen der vom Verfassungsschutz beobachteten Gruppe „Ende Gelände“ enthielt. Im Flur des Oberstufenhauses der Schule war ein Aufkleber mit einem Mann vor brennenden Barrikaden und dem Schriftzug „Wir sind alle Antifaschisten“ angebracht. Die Schulbehörde hatte darin Verstöße gegen das Neutralitätsgebot der Schulen gesehen und die Beseitigung der Aufkleber und Sticker angeordnet. Die Schule hat im Nachhinein erklärt, die „Antifa Area“ sei Teil eines Kunstprojekts.
Doch in der Bürgerschaft ging es kaum um die möglichen Aktivitäten der Antifa-Gruppe an der Schule, sondern in erster Linie darum, dass diese Hinweise über das AfD-Portal bekannt worden waren. „Wir sind gegen Denunziation, ob in der Schule oder im Betrieb. Sie ist kein Bestandteil unserer Gesellschaft“, gab Barbara Duden, die bildungspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, die Richtung vor. Die AfD fordere „neutrale Schulen“, wolle aber in Wahrheit die Meinungsfreiheit einschränken. Antifaschistisches Engagement sei wichtig. „Ich finde es unerträglich, dass sich die AfD, die die Gesellschaft spalten will, als Hüterin der Demokratie aufspielt“, sagte Duden und erntete kräftigen Beifall der linken Seite des Hauses. Dazu, dass die SPD-geführte Schulbehörde einen Anlass gesehen hatte, in der Schule einzugreifen, äußerte sich Duden nicht.
Vowurf: Schulsenator Rabe ließ sich „vor den Karren spannen“
Die CDU-Schulpolitikerin Birgit Stöver warf Rabe vor, er habe „sich vor den Karren der AfD spannen“ lassen. Die Schulbegehung der Schulaufsicht, die zur Beseitigung des Antifa-Materials geführt habe, sei „eine Art Nacht-und-Nebel-Aktion“ gewesen. „Herr Rabe hat einen großen Fehler begangen und übereilt gehandelt“, sagte Stöver. Auch zu ihrer Schulzeit habe es „Provokationen“ durch politische Aufkleber gegeben. Wer Hinweise auf extremistische Aktivitäten an Schulen habe, müsse sich direkt an die Schulleitung oder die Schulbehörde wenden, nicht an ein Internetportal. „Ida Ehre würde sich im Grabe umdrehen“, sagte Stöver und erinnerte an die Theater-Prinzipalin und Schauspielerin, die von den Nazis verfolgt worden war.
„Die Grenze der Meinungsfreiheit liegt bei der Gewalt, und diese Grenze muss eingehalten werden, aber wir dürfen Denunziation und Bespitzelung nicht gesellschaftsfähig machen. Weder Presse noch Behörden sollten das zulassen“, sagte die Grünen-Abgeordnete Antje Möller. „Ohne Antifaschismus gäbe es keine Demokratie. Die AfD will den antifaschistischen Konsens in unserer Gesellschaft vergiften und stempelt diese Haltung als linksextremistisch ab“, so die Grünen-Abgeordnete.
SPD, Grüne und Linke sprechen Schule Solidarität aus
Auch Linken-Fraktionschefin Sabine Boeddinghaus warf dem Schulsenator vor, „über das Stöckchen der AfD gesprungen zu sein“. Die „unselige Debatte“ hätte vermieden werden können, „wenn sich die Behörde und der Senator von Anfang an hinter die Ida-Ehre-Schule gestellt hätten“. Das Internetportal der AfD sei ein „Kultur- und Tabubruch und gehört sofort abgeschaltet“. Wie SPD und Grüne sprachen auch die Linken der Schule ihre „volle Solidarität“ aus.
Nur FDP-Fraktionschefin Anna von Treuenfels-Frowein schlug einen anderen Ton an. „Der Vorgang an der Schule ist keine Petitesse. Hier wurden Symbole einer vom Verfassungsschutz beobachteten extremistischen Organisation offen zur Schau gestellt“, sagte die Liberale. Wenn es ein Schulprojekt gewesen sei, dann ein „höchst einseitiges“. Wenn solche Symbole ohne Widerspruch zur Schau gestellt würden, böte das „nicht nur den unmittelbaren Nährboden für politische Radikalisierung, sondern es spielt dem rechten Rand in die Hände“.
„Antifaschistisch sind wir alle“
Treuenfels-Frowein warf der Behörde vor, vorher nicht genau hingesehen zu haben, der Eingriff sei aber richtig gewesen. „Politische Extremismen aller Art haben in Schulen nichts zu suchen. Wehret den Anfängen – in jeder Richtung“, so die FDP-Politikerin, die auffällig viel Beifall von CDU-Abgeordneten erhielt.
„Das Vertrauen in die Neutralität der Schule ist längst verloren gegangen. Da müssen bei allen Demokraten die Alarmglocken schrillen“, sagte AfD-Fraktionschef Wolf. Die Schulbehörde habe das bestätigt, indem sie „das Propaganda-Material“ beseitigen ließ und eine Konferenz zur Aufarbeitung der Vorgänge anberaumte. Die Gruppe Antifa Altona Ost werde vom Verfassungsschutz beobachtet. Die „Antifa Area“ sei nicht nur unter Duldung von Lehrern, sondern unter Anleitung einer Lehrkraft entstanden. Die Schule habe Extremisten „den roten Teppich“ ausgerollt. Doch Wolf konnte die meisten seiner Zuhörer nicht überzeugen. „Antifaschistisch sind wir alle. Ich habe nichts mit dem Nationalsozialismus zu tun“, sagte der AfD-Politiker unter teils höhnischem Protest.