Hamburg. Eine neue Umsatzsteuerpflicht für öffentliche Unternehmen sorgt für Probleme – und ebenfalls für politischen Ärger.

Führt die neue Umsatzsteuerpflicht für öffentliche Unternehmen zu einer großen Belastung der Bürger? Oder der Stadt? Oder beider? Seit Jahren beschäftigt diese Frage in Hamburg Politik und Verwaltung, doch obwohl die Frist bis zur Einführung der Neuregelung Ende kommenden Jahres abläuft, gibt es darüber immer noch keine Klarheit – dafür aber einen handfesten politischen Streit.

Doch der Reihe nach: Auf Basis von EU-Vorgaben hatte der Bund schon 2015 die Umsatzsteuerpflicht auf viele Bereiche der öffentlichen Hand ausgeweitet. Das neue Gesetz gilt eigentlich schon seit Anfang 2017, doch es enthält eine Übergangsfrist bis Ende 2020. Wie das Abendblatt berichtete, nutzen die Stadt und ihre betroffenen öffentlichen Unternehmen, darunter die Stadtreinigung, Hamburg Wasser, die Stadtentwässerung, die städtischen Friedhöfe, fördern und wohnen (f & w) und Dataport, aber auch andere öffentlich-rechtliche Einrichtungen wie die Handels- und Handwerkskammer oder der NDR, diese Übergangsfrist, um die kniffligen Rechtsfragen zu klären und die Folgen abzuschätzen.

Harte Einsparungen

Denn wenn dabei herauskäme, dass diese Unternehmen ganz oder teilweise Umsatzsteuer (auch Mehrwertsteuer genannt) zahlen müssten, könnte das wohl nur über harte Einsparungen, höhere Gebühren oder höhere Zuschüsse seitens der Stadt (sofern die Unternehmen überhaupt bezuschusst werden) zu kompensieren sein – so oder so keine schönen Aussichten. „Hamburger müssen dann womöglich mit höheren Müll- und Abwassergebühren, höheren Kosten für Bestattungen oder einem Anstieg des Rundfunkbeitrags rechnen. Auch Leistungen für die Verwaltung können teurer werden“, hatte die FDP-Finanzpolitikerin Jennyfer Dutschke schon vor einem Jahr gewarnt.

Der rot-grüne Senat hatte stets betont, dass es in der Verantwortung der Unternehmen selbst liege, diese Fragen zu klären. Schließlich seien diese rechtlich selbstständig, auch wenn sie ganz oder mehrheitlich der Stadt gehören. Eine zentrale Steuerung durch den Senat gebe es nicht. Ein entsprechender Antrag der FDP, die schon vor einem Jahr gefordert hatte, der Senat möge „eine systematische Untersuchung“ des Problems durchführen, wurde erst Ende Januar im Haushaltsausschuss der Bürgerschaft von SPD und Grünen abgelehnt. Stattdessen wurde die dezentrale Verantwortung der einzelnen Behörden und Unternehmen bekräftigt.

Kritik von der CDU

Umso überraschter war nicht nur die FDP, sondern auch die CDU, als ihr Finanzexperte Thilo Kleibauer nun als Antwort des Senats auf seine Kleine Anfrage erfuhr, dass die Finanzbehörde bereits eine sechsköpfige Arbeitsgruppe (intern „Projekt“ genannt) eingesetzt hat, die sich offensichtlich doch zentral der Thematik annimmt. Die jährlichen Personal- und Arbeitsplatzkosten dafür gibt der Senat mit 650.000 Euro an – wobei der Großteil der „Projekt“-Mitarbeiter allerdings ohnehin in Diensten der Stadt steht und nur für diese Sonderaufgabe abkommandiert wurde. Zudem haben diverse Tochterorganisationen der Stadt, darunter die Technische Universität, die Stadtreinigung, die Hamburg Port Authority und die Friedhöfe, bereits externe Beratungsaufträge vergeben, um die neuen steuerlichen Fragen zu klären.

„Der Senat macht bei der Umsetzung der neuen Umsatzsteuerpflicht für die öffentliche Hand keine gute Figur“, kritisiert Kleibauer. „Erst passiert jahrelang kaum etwas, und dann wird der Haushaltsausschuss völlig unzutreffend über die Auswirkungen dieser wichtigen Änderung informiert“, so der CDU-Politiker. Das Ende der Übergangsfrist Ende 2020 rücke näher, und die Finanzbehörde habe das Thema „offenbar ignoriert und dadurch viel Zeit vertrödelt“, sagt Kleibauer. „Wir brauchen bald Klarheit über die finanziellen Auswirkungen für die Stadt und die Bürger sowie mögliche rechtliche Risiken. Jetzt muss der Finanzsenator für Transparenz sorgen und klar sagen, wie der Stand der Einführung der neuen Umsatzsteuerpflicht in Hamburg aussieht.“

Spitzfindige Erklärung

Auch Jennyfer Dutschke ist äußerst verwundert, dass der Senat nun eine Leitung für die Arbeitsgruppe sucht: „Keine zwei Wochen nachdem Rot-Grün im Haushaltsausschuss unseren Antrag abgelehnt hat, schreibt der Senat eine neue Stelle aus. Und die soll nun genau das erfüllen, was wir in unserem bereits ein Jahr alten Antrag gefordert haben. Das ist schon ein bemerkenswerter Vorgang, der von schlechtem politischen Stil unter Rot-Grün kündet“, sagt die FDP-Bürgerschaftsabgeordnete. Sie freue sich dennoch, dass die Oppositionsarbeit „offenbar Wirkung“ zeigt, denn die Umsatzsteuerpflicht sei kein banales Thema. „Vom Preis fürs Mensa-Essen an den öffentlichen Hamburger Hochschulen über die Zahlungen der Stadt an ihren IT-Dienstleister Dataport bis hin zu den Rundfunkbeiträgen – vieles muss nun gut geprüft werden, um Rechtsunsicherheit zu vermeiden und Haushaltsklarheit zu schaffen.“

Die Finanzbehörde weist den Vorwurf zurück, die Abgeordneten nicht über die Arbeitsgruppe informiert zu haben. Die Erklärung ist allerdings etwas spitzfindig: Im Ausschuss sei es nur um öffentlich-rechtliche Töchter der Stadt gegangen – die würden aber, wie stets betont, in eigener Sache tätig. Das interne „Projekt“ beschäftige sich hingegen mit der Umsatzsteuerpflicht der Stadt und ihrer Behörden, Ämter und Landesbetriebe – verkürzt gesagt also mit der Frage, ob und wann auf Dienstleistungen, die eine städtische Stelle für eine andere erbringt, Mehrwertsteuer fällig wird. Sehr pauschal ausgedrückt ist das in der Regel dann der Fall, wenn es sich nicht um eine hoheitliche Aufgabe handelt, sondern diese Dienstleistung auch von einem (privaten) Wettbewerber erbracht werden könnte. Diese Frage sei aber nicht Thema im Ausschuss gewesen, so die Behörde, daher sei das „Projekt“ nicht erwähnt worden.

Einige Unternehmen haben bereits reagiert

Noch komplizierter wird die Sache dadurch, dass etliche städtische Unternehmen wie die Stadtreinigung oder die Hafenbehörde HPA mal hoheitlich tätig sind (etwa die Rest-Müllabfuhr) und mal Leistungen erbringen, für die es einen Markt gibt (etwa die Sammlung von Altpapier und anderen Wertstoffen). Und einige Firmen habe dieses Problem schon lange erkannt und entsprechend reagiert (das Krankenhaus UKE hat sich zum Beispiel selbst als umsatzsteuerpflichtig eingestuft), andere noch nicht. Die Frage, ob die neue Umsatzsteuerregelung nun zu steigenden Kosten für die Unternehmen führt und ob das über höhere Gebühren kompensiert wird oder eventuell den Haushalt der Stadt belastet, ist daher nach wie vor offen. Das, so die Finanzbehörde, „wird noch geprüft“.