Hamburg. Die Unterschiede sind groß: Beim Übergang von der Schule in die Ausbildung spielen Stadtteil und soziale Lage eine wichtige Rolle.
Jugendlichen, die die Schule ohne Abitur verlassen, eine berufliche Perspektive zu bieten ist ein zentrales bildungspolitisches Anliegen des Senats, seit Olaf Scholz (SPD) 2011 Erster Bürgermeister wurde. Damals wurden die Jugendberufsagenturen gegründet, die die Jugendlichen gezielt ansprechen, beraten und motivieren sollen und inzwischen Nachahmer in anderen Bundesländern gefunden haben. Seitdem wird auch der weitere Bildungsverlauf der Schulentlassenen statistisch erfasst. Doch die Konkurrenz ist groß, auch etliche Abiturienten machen nach der Schule eine betriebliche Ausbildung und haben im Rennen um eine Lehrstelle in der Regel die besseren Karten.
Vor wenigen Wochen erst hat Schulsenator Ties Rabe (SPD) die Übergangszahlen für das Jahr 2018 vorgestellt. Danach haben 1920 von 4781 Schülerinnen und Schülern, die die Stadtteilschulen, die Regionalen Bildungs- und Beratungszentren (ReBBZ) oder Privatschulen nach der neunten oder zehnten Klasse verlassen haben, direkt eine schulische oder betriebliche (duale) Ausbildung begonnen. Das sind 40,2 Prozent der Abgänger von diesen Schulen nach beiden Klassenstufen.
Am schlechtesten sind Aussichten in Billstedt
Im Vorjahr lag der Anteil bei 39,4 Prozent. Die Entwicklung ist durchaus positiv: Im Jahr 2012 lag die Quote noch bei 25,2 Prozent der Schulabgänger und steigerte sich in den folgenden Jahren auf rund 35 Prozent. 42,2 Prozent der Schulabgänger wechselten 2018 in Maßnahmen der Ausbildungsvorbereitung. Für weitere 16,9 Prozent wurden „sichere Verbleibe“ ermittelt: Auslandsaufenthalt, Freiwilligendienste oder berufsvorbereitende Maßnahmen der Agentur für Arbeit.
Doch jetzt zeigt sich, dass die Chancen auf einen Ausbildungsplatz in der Stadt sehr unterschiedlich verteilt sind. Aus der Senatsantwort auf eine Kleine Anfrage der Linke-Bürgerschaftsfraktionschefin Sabine Boeddinghaus ergibt sich, dass die soziale Lage der Schule, die die Schüler zuletzt besucht haben, eine mitentscheidende Rolle spielt. Die Übergangsquote in eine schulische oder betriebliche Ausbildung lag bei den Schulabgängern im Bezirk Hamburg-Mitte bei 34,4 Prozent, in Wandsbek (44,2 Prozent), Bergedorf (44,8 Prozent) und Eimsbüttel (45,5 Prozent) wesentlich höher.
Noch deutlicher werden die Unterschiede beim Blick auf einzelne Stadtteile: Von den Jugendlichen, die die zehnte Klasse einer Stadtteilschule in Billstedt 2018 verlassen haben, ergatterten nur 28,6 Prozent einen Ausbildungsplatz. Ganz anders ist die Lage im fast benachbarten Rahlstedt, wo die Übergangsquote bei 53,1 Prozent liegt, gefolgt von Langenhorn (47,3 Prozent), Lohbrügge (46,4 Prozent) und Harburg (45,7 Prozent).
Große Diskrepanzen
Auch in Jenfeld (35 Prozent), Neuallermöhe (36,3 Prozent) sowie Lurup (36,8 Prozent) und Dulsberg (37,4 Prozent) sind die Werte unterdurchschnittlich. Von Wilhelmsburger Schulen wechseln 40,2 Prozent der Abgänger direkt in eine schulische oder betriebliche Ausbildung, was dem Landesschnitt entspricht. Von Schulen in sozial stark belasteten Gebieten (Sozialindex 1) ergattern nur 31,3 Prozent der Abgänger einen Ausbildungsplatz. Am höchsten ist Wert an Schulen in tendenziell bevorzugten Quartieren (Sozialindex 4) mit 48,5 Prozent, gefolgt von Schulen mit dem noch höheren Sozialindex 5 (eher bevorzugt) mit 43,6 Prozent. In die Tabelle sind nur Stadtteile aufgenommen worden, deren Schulen mehr als 100 Schüler nach den Klassen neun und zehn verlassen haben.
Am größten sind die Diskrepanzen jedoch zwischen den einzelnen Schulen. Die Übergangsquote der Stadtteilschule Mümmelmannsberg liegt bei 22 Prozent, der Stadtteilschule Am Hafen bei 26 Prozent und der Stadtteilschule Fischbek/Falkenberg bei 27 Prozent. Am anderen Ende der Skala mit 100 und mehr Schulabgängern stehen die Stadtteilschulen Altrahlstedt (64 Prozent), Goethe-Schule Harburg (61 Prozent) und Kirchwerder (58 Prozent).
Auch pädagogische Gründe
Die sozialen Rahmenbedingungen sind nicht allein ausschlaggebend, offensichtlich spielen auch pädagogische Gründe eine Rolle. So finden 44 Prozent der Abgänger der Nelson-Mandela-Schule in Wilhelmsburg sofort einen Ausbildungsplatz, obwohl die Schule in einem Sozialindex-1-Gebiet liegt. Bei der benachbarten Stadtteilschule Stübenhofer Weg (Sozialindex 2) sind es sogar 46 Prozent. Auch der „Spitzenreiter“, die Stadtteilschule Altrahlstedt, liegt in einem Sozialindex-2-Gebiet.
In Blankenese schaffen zwar sehr viele Schüler das Abitur. Aber der direkte Übergang in die Berufsausbildung gelingt nur 30,3 Prozent der Abgänger der Stadtteilschule Blankenese (Sozialindex 5). Ähnlich ist der Wert für die Max-Brauer-Schule (ebenfalls Sozialindex 5) in Bahrenfeld mit 33,9 Prozent.
Kritik von den Linken
„Die Übergangsquoten werden einerseits vom Bildungsstand sowie vom sozialen Umfeld beeinflusst. Unsere Daten zeigen andererseits aber auch, dass einige Schulen aufgrund ihrer besonderen pädagogischen Konzepte sehr erfolgreich Schülerinnen und Schüler beim Übergang von der Schule in den Beruf beraten und begleiten“, sagt Schulsenator Ties Rabe (SPD).
„Der Senat ist mit seiner Berufsbildungspolitik gescheitert. Die SPD und Olaf Scholz haben immer wieder versprochen, dass alle jungen Erwachsenen in Hamburg entweder das Abitur machen oder eine klassische Berufsausbildung absolvieren sollen. Davon sind wir weit entfernt“, sagt dagegen Linke-Bildungspolitikerin Boeddinghaus, die als Konsequenz die Schaffung von mehr staatlichen Ausbildungsplätzen fordert.