Hamburg. Zahl ersatzlos gestrichener Stunden niedrig, aber hoher Anteil von Vertretungen mit Arbeitsauftrag oder Zusammenlegung von Klassen.

Der hohe Unterrichtsausfall ist für viele Eltern nach wie vor ein wichtiges Thema, das Ärger verursacht. Immer wieder berichten Väter und Mütter, dass besonders in der Oberstufe Stunden in größerer Zahl ausfallen. Die Statistik der Schulbehörde, der die einzelnen Schulen ihre Daten melden, gibt das auf den ersten Blick nicht her.

Laut der Auswertung für das erste Halbjahr des Schuljahres 2018/19 hat sich der Anteil der ersatzlos ausgefallenen Unterrichtsstunden im Vergleich zum ersten Halbjahr 2017/18 kaum verändert. Danach liegt der Wert für alle Schulformen bei 0,76 Prozent (Vorjahr: 0,68 Prozent). Das teilt der Senat in seiner Antwort auf eine Kleine Anfrage der stellvertretenden CDU-Bürgerschaftsfraktionschefin Birgit Stöver mit. Lediglich bei den Stadtteilschulen sei ein „leichter Anstieg“ auf 1,27 Prozent (Vorjahr: 1,03 Prozent) registriert worden.

Aus Sicht des Senats bewegt sich der Anteil des ersatzlos gestrichenen Unterrichts „weiterhin auf einem niedrigen Niveau“ und bietet offensichtlich Anlass zum Lob. „Die Daten belegen, dass die Hamburger Schulen ihre Vertretungs- und Organisationsmittel zielgerichtet eingesetzt haben und damit den Unterrichtsausfall … bei enger werdenden Bedingungen auf dem Lehrerarbeitsmarkt gegenüber dem zurückliegenden Schulhalbjahr nahezu stabil … halten konnten“, heißt es in der Senatsantwort.

Nur 82 Prozent der Stunden wurden 2017 regulär erteilt

Doch das ist nur die eine Seite der Medaille. Schon länger konzentriert sich die Diskussion über das Thema Unterrichtsausfall auf zwei andere Aspekte: Wie hoch ist der Anteil des tatsächlich planmäßig erteilten Unterrichts? Und wie hoch ist der Anteil der Stunden, in denen den Schülern bei Abwesenheit des regulären Lehrers nur ein Arbeitsauftrag erteilt wird oder eine Klasse auf andere aufgeteilt oder mit einer anderen zusammengelegt wird?

Schulsenator Ties Rabe (SPD) hatte bereits im Oktober 2017 gesagt, er halte es für problematisch, dass damals nur noch 81,9 Prozent des Unterrichts so erteilt wurden, wie es im Stundenplan vorgegeben war. Zum Vergleich: Im Schuljahr 2012/13 waren es noch 85,5 Prozent gewesen. Ein Grund für den niedrigen Wert liegt im „Unterricht in besonderer Form“. Damit sind Projektwochen, Klassenfahrten, Exkursionen, Berufspraktika oder Theaterbesuche gemeint.

Anteil regulärer Unterrichtsstunden an Grundschulen am höchsten

Eine stichprobenartige Auswertung der aktuellen Senatsantwort ergibt, dass der Anteil des planmäßig erteilten Unterrichts von Standort zu Standort sehr unterschiedlich ist. An den Stadtteilschulen werden danach zwischen 79 und 87 Prozent des Unterrichts exakt nach Stundenplan gegeben. An den Gymnasien ist die Spanne mit 77 bis 90 Prozent etwas breiter. Am höchsten sind die Werte an den Grundschulen: Hier werden 86 bis 96 Prozent des Unterrichts regulär erteilt.

Neben dem fachidentisch vertretenen Unterricht ist an vielen Schulen die Vertretung durch Arbeitsauftrag, Teilung oder Zusammenlegung von Klassen ein weiterer großer Block. Am Carl-von-Ossietzky-Gymnasium (Poppenbüttel) liegt der Anteil bei fünf Prozent, während nur 1,5 Prozent der Stunden von einem Fachlehrer vertreten wurden. Am Charlotte-Paulsen-Gymnasium (Wandsbek) wurden sogar 6,8 Prozent aller Stunden durch Arbeitsauftrag oder Klassenteilung gegeben. An der Goethe-Stadtteilschule (Harburg) lag der Wert bei fünf Prozent.

Auch an einigen Grundschulen wurde ein großer Teil der Unterrichtsstunden durch Arbeitsauftrag oder Zusammenlegung der Klassen erteilt: An der Grundschule Am Pachthof (Horn) waren es sechs Prozent, an der Grundschule Archenholzstraße (Billstedt) wiederum fünf Prozent. An allen Standorten liegt der Anteil der ersatzlos ausgefallenen Stunden unter einem Prozent.

Vorwurf der CDU: Statistikwerte geschönt

CDU-Schulpolitikerin Stöver wirft der Schulbehörde vor, dass die Statistikwerte „geschönt“ seien. „Aus unserer Sicht ist die Kompensation von Unterrichtsausfall durch Aufgabenübertragung oder die Aufteilung von Klassen keine hochwertige Vertretung“, sagte Stöver.

Schulsenator Rabe hatte im Oktober 2017 angekündigt, eine Arbeitsgruppe in der Behörde einzurichten, die Vorschläge erarbeiten sollte, wie der Anteil des planmäßig erteilten Unterrichts erhöht werden könne. Dabei sollten vor allem die Aspekte des Unterrichts in besonderer Form sowie des Unterrichtsausfalls mit und ohne Arbeitsaufträge beleuchtet werden. „Wir brauchen einen Richtwert, wie viele Stunden mindestens nach Stundenplan unterrichtet werden müssen“, hatte Rabe damals gesagt.

CDU: „Ankündigungen des Schulsenators nur heiße Luft“

In der Senatsantwort auf die Stöver-Anfrage heißt es nun nur sehr allgemein, dass sich in der Behörde „abteilungs- und referatsübergreifend Mitarbeiter in ihren jeweiligen Zuständigkeiten mit unterschiedlichen Aspekten und zu unterschiedlichen Zeitpunkten bzw. Anlässen mit der o. g. genannten Zielsetzung (Vermeidung von Unterrichtsausfall, die Red.) auseinandergesetzt“ hätten. „Im Sommer 2018 wurde die Thematik auch in die Dienstbesprechungen mit den Schulleitern getragen, um in einem gemeinsamen Beratungsprozess abzustimmen, mit welchen Maßnahmen und Verabredungen weitere Verbesserungen erreicht werden können“, heißt es weiter. „Konkrete Ergebnisse einer Arbeitsgruppe gibt es nicht. Die Ankündigung des Senators ist damit heiße Luft“, sagte Birgit Stöver.