Hamburg. Neue Dienststelle mit rund 30 zusätzlichen Beamten geplant. 33.000 Fälle allein im vergangenen Jahr registriert.

Da waren viele gute Zahlen, weniger Gewaltdelikte, weniger Einbrüche – und doch dieser eine große Makel für den Polizeipräsidenten Ralf Martin Meyer, als er die Kriminalitätsstatistik vorstellte. Mit 33.000 Fällen pro Jahr und einem erneuten Anstieg um 1,9 Prozent drohen die Betrugsdelikte in Hamburg überhandzunehmen. „Das ist eine große Herausforderung“, sagte Meyer. Hinter den Kulissen machte auch Innensenator Andy Grote (SPD) persönlich Druck auf das Landeskriminalamt, das Thema in den Griff zu bekommen.

 Nun will die Polizeispitze nach Abendblatt-Informationen in die Offensive gehen. Die Zahl der eingesetzten Beamten soll  erhöht und die Ermittlungen effizienter gemacht werden. „Die Konzeption ist abgeschlossen“, bestätigte Polizeisprecher Timo Zill auf Anfrage. Der Betrug wird nach den Plänen der Führung nun neben Einbrüchen zu einem der großen Schwerpunkte der Hamburger Polizei. Unterteilt in acht sogenannten Regionalgruppen sollen rund 130 Beamte im alten Shell-Gebäude in der City Nord künftig den Tätern schneller auf die Spur kommen. Nach Abendblatt-Informationen war in einem internen Papier zuvor bereits davon die Rede, dass es jährlich fünf neuer Ermittler bedürfe, um den seit mehr als fünf Jahre andauernden Anstieg der Fälle bewältigen zu können.

Jeder Ermittler muss 35 Fälle bearbeiten

Die Abteilung wird in das Landeskriminalamt 1 verlegt, das für die Alltagskriminalität in der Fläche zuständig ist. In der Praxis sollen die Beamten so etwa regional agierenden Tätern in der Stadt besser auf die Spur kommen. Ähnlich wie bei der Dienststelle „Castle“ gegen Einbruch sahen die Überlegungen der LKA-Leitung zuletzt außerdem vor, das neue Betrugsdezernat mit dem englischen Beinamen „Fox“ zu versehen.

Die bisherige Dienststelle im LKA gilt bereits seit mehreren Jahren als teils heillos überlastet. Jeder Ermittler hat bislang bis zu 35 Fälle gleichzeitig zu bearbeiten. Während in fast allen anderen Bereichen die Kriminalität in Hamburg zurückgeht, stieg vor allem die Zahl der Betrügereien im Internet – etwa der sogenannte Identitätsklau – in den vergangenen Jahren deutlich an.

Die Polizeispitze hatte dafür zuletzt auch die laschen Sicherheitsvorkehrungen großer Internethändler mitverantwortlich gemacht. „Viele Betrugsphänomene sind präventabel, wenn Onlineversender vor dem Warenversand ein Mindestmaß an Überprüfung des Bestellers sicherstellen“, sagte der LKA-Chef dazu zu Jahresbeginn dem Abendblatt. Polizeisprecher Zill wollte die neuen Pläne nicht im Detail kommentieren, da das Konzept erst noch mit dem Personalrat der Polizei abgestimmt werden müsse.

36 unterschiedliche Phänomene beim Betrug

Die verschiedenen Maschen der Betrüger sind schon lange bekannt: Dazu gehören Bestellungen im Internet auf fremde Namen, vorgetäuschte Schnäppchen, als Polizisten oder Verwandte getarnte Trickbetrüger am Telefon oder an der Haustür, verlockende vorgetäuschte Erbschaften und angeblich gekaperte Computer – die „Hacker“ verlangen dann Geld von ihren Opfern, damit gespeicherte Schlüpfrigkeiten nicht veröffentlicht werden. „Wir kennen 36 unterschiedliche Phänomene beim Betrug“, sagte der LKA-Leiter Frank-Martin Heise­. Die Polizei hat bereits Bankmitarbeiter darin geschult, alarmiert zu sein, wenn ältere Menschen plötzlich besorgt am Schalter stehen und größere Bargeldbeträge abheben wollen. Eine noch einmal verstärkte Prävention soll nun ebenfalls Teil der Offensive sein.

Schon mit gesundem Menschenverstand von Verbrauchern könnten viele Taten verhindert werden, sagen Polizeibeamte. „Das Grundproblem bleibt aber, dass diese Taten leicht zu begehen und schwer zu verfolgen sind.“ Große Internethändler lassen häufig eine Bestellung auf Rechnung ohne Prüfung des angeblichen Käufers zu – dass darunter Betrüger sind, wird dagegen „eingepreist“ und die Forderungen an Inkasso-Firmen abgegeben. Die unbeteiligten Opfer müssen sich in der Folge der Forderungen erwehren und auch Schufa-Einträge fürchten. Professionelle Täter verschleiern dabei noch ihre Spuren im Internet und lassen die bestellten Produkte an fremde Adressen liefern, um den Paketboten dort abzufangen.

Aufklärungsquote beim Internetbetrug sank deutlich

So sei das Problem nicht nur die schiere Zahl der Fälle, kritisierte der Gewerkschafter Jan Reinecke vom Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK). „Die Geschwindigkeit unserer Internetverbindung im Präsidium reicht zum Beispiel nicht aus, um den Tätern effektiv auf die Spur zu kommen.“ Zuletzt sank die Aufklärungsquote beim sogenannten Waren- und Warenkreditbetrug deutlich von 55 auf 39 Prozent. Inwiefern die neue Dienststelle, die möglicherweise den Beinamen „Fox“ oder „Fraud“ tragen wird, auch technisch besser ausgestattet wird, ist noch nicht bekannt.

An den neuen Plänen wurde bereits seit dem Frühjahr des vergangenen Jahres gearbeitet. Noch steht jedoch die Zustimmung des Personalrats aus. Nach Abendblatt-Informationen besteht zwar grundlegende Einigkeit über die Aufstockung, jedoch Differenzen über die Berechnung der Personalstärke. „Wie in vielen anderen Dienststellen haben wir viele Kollegen, die etwa wegen der Kinderbetreuung nicht in Vollzeit arbeiten“, sagt ein Personalrat. Auch der Krankenstand in der bisherigen Betrugsabteilung hat sich in den vergangenen Jahren zeitweise auf 16 Prozent verdoppelt.

Auf der anderen Seite sorgte für Entlastung, dass etwa abgezogene Beamte aus der Soko „Schwarzer Block“ wieder in die Betrugsbekämpfung zurückwechseln. Auch gelang es, einen Berg von bis zu 5000 zurückgestellten Fällen zur Zeit des G-20-Gipfels auf ein Normalmaß abzutragen.

LKA-Chef sieht Betrug als langfristige Herausforderung

Angesichts eines stark wachsenden Internethandels ist jedoch auch leider unausweichlich, dass es zu mehr Betrugstaten komme, betonte der Polizeisprecher Timo Zill. Der LKA-Chef Heise rechnet trotz der Anstrengungen damit, dass man einen langen Atem brauche. „Betrug ist eines der dominierenden und herausfordernden Felder in der Kriminalität. Das wird auch erst mal noch eine Weile so bleiben.“