Hamburg. Viele Hamburger leiden schon seit Wochen wegen verstärkten Pollenflugs unter Allergiesymptomen. Wie man sie lindern kann.
Allergiker haben es in Hamburg gerade nicht leicht: Meteorologen warnen vor einem stark erhöhten Flug von Birkenpollen. Und da derzeit weder nennenswerter Regen noch die übliche Westwind-Wetterlage für „Durchlüftung" in Hamburg und im Norden sorgen, leiden Allergiker weiter. Die Nase läuft, die Augen jucken und dazu dieses häufige Niesen – jeder vierte Deutsche erkrankt mittlerweile im Laufe seines Lebens daran, Tendenz steigend.
In Großstädten wie Hamburg, in denen die Pollen noch verstärkt mit Umweltgiften wie Ozon oder Feinstaub in Kontakt kommen und dadurch aggressiver werden, leiden die Betroffenen besonders stark, wie Experten der Stiftung Deutscher Polleninformationsdienst (PID) herausgefunden haben. Und in diesem Jahr teilweise auch schon besonders früh.
Der „Vor-Frühling“ mit einigen außergewöhnlich warmen Tagen und Temperaturen bis 16 Grad Anfang März habe die Natur explodieren lassen, sagt Diplom-Meteorologin Michaela Koschak vom Institut für Wetter- und Klimakommunikation. „Warm, kaum Regen und etwas Wind – dadurch bedingt waren reichlich Hasel- und Erlenpollen in der Luft, die Allergikern zu schaffen gemacht haben.“ Das aktuell wechselhafte Wetter, das auch übers Wochenende anhalten soll, sorge für eine Verschnaufpause. „Aber bei der nächsten Hochdrucklage geht es natürlich wieder los“, so die Wetterexpertin.
Professor Dr. Philippe Stock, Chefarzt für Pädiatrie (Innere Medizin für Kinder) am Altonaer Kinderkrankenhaus und künftiger Präsident der Gesellschaft für pädiatrische Pneumologie, hat schon die ersten Patienten behandelt, die unter Heuschnupfen, also einer Allergie gegen Pollen leiden. Außergewöhnlich früh sei das für Anfang/Mitte März aber nicht. Hasel- und Erlenpollen, auch als „Frühblüher“ bekannt, flögen immer zu Beginn des Jahres, manchmal sogar schon im Dezember. Darauf folgt ab März dann die Birke, auf die besonders viele Menschen allergisch reagieren. „Das Problem ist, dass die Pollen einander stark ähneln und somit sehr kreuzreaktiv sind.“ Heißt: Wer vor allem auf Birkenpollen reagiert, leidet mit einiger Wahrscheinlichkeit auch schon leicht, wenn Hasel und Erle blühen.
Nasensprays und Augentropfen
Doch was tun, wenn die Beschwerden da sind? Professor Dr. Stock rät zu einem Allergietest. Auf das Ergebnis könne der behandelnde Arzt dann mit einer symptomatischen Therapie reagieren, also zu Nasensprays und Augentropfen raten, den sogenannten Antihistaminika, die in der Apotheke frei verkäuflich sind. Wirksamer, so der Lungenspezialist, seien kortisonhaltige Nasensprays, die es nur auf Rezept gebe. „Jetzt zucken wieder viele zusammen, weil das Medikament Kortison enthält. Aber bei einer rein lokalen Anwendung entstehen keine der oft befürchteten Nebenwirkungen.“
Ein weiterer Ansatz sei eine sogenannte kausale Therapie, die die Ursache des Leidens bekämpfe. Stichwort: Hyposensibilisierung. „Es gibt Studien, die eindeutig belegen, dass eine solche Immuntherapie, die in der Regel drei Jahre andauert, Symptome der Allergie signifikant abschwächt.“ Die klassische Hyposensibilisierung, möglich ab dem fünften Lebensjahr, erfolgt mit Spritzen, die alle vier bis sechs Wochen gesetzt werden. „Es kommen, anders als bei der Blutabnahme, sehr feine Nadeln zum Einsatz, aber es bleiben Spritzen, die auch gerade bei Kindern nicht sehr beliebt sind.“
Daher biete man am Altonaer Kinderkrankenhaus für die jungen Patienten zunehmend eine sublinguale Therapie an, das heißt, man verabreicht Tropfen oder Tabletten. „Das ist insofern praktisch, weil man nicht zum Arzt muss. Aber dieser Ansatz erfordert ein hohes Maß an Disziplin, denn über einen Zeitraum von drei Jahren muss die Tablette täglich eingenommen werden.“
Sogenannten Etagenwechsel verhindern
Auch Privatdozent Dr. Hans-Peter Hauber, Sektionsleiter der Pneumologie an der Asklepios Klinik Altona, rät zu einer Hyposensibilisierung. „Auch, um einen sogenannten Etagenwechsel zu verhindern. Also, um auszuschließen, dass der Heuschnupfen auf die Bronchien schlägt und irgendwann zu Asthma wird.“ Für den Alltag hat der Lungenexperte praktische Tipps: „Es ist günstig, frühmorgens durchzulüften, wenn noch möglichst wenig Pollen fliegen.“ Außerdem sollte man seine Kleidung abends nicht mit ins Schlafzimmer nehmen und eventuell abends vor dem Schlafengehen noch einmal die Haare waschen, weil diese die Pollen aufsaugten wie ein Schwamm.
Grundsätzlich schützen könne man sich jedoch kaum. Tatsächlich sei es möglich, noch im Alter von 70 oder 80 Jahren eine Pollenallergie zu entwickeln. Nur Kinder, die mindestens sechs Monate gestillt wurden, sind nach übereinstimmenden Angaben von Experten seltener betroffen. „Wobei es bei Heuschnupfen auch eine starke genetische Komponente gibt“, sagt Dr. Hans-Peter Hauber. „Wenn beide Elternteile betroffen sind, ist auch das Risiko für den Nachwuchs deutlich erhöht.“
Doch warum leiden die Bewohner von Ballungszentren so viel stärker als jene, die auf dem Land zu Hause sind? Da komme die „Hygiene-Hypothese“ ins Spiel. Im Klartext: Wer als Kind ordentlich im Dreck gespielt hat, mit Tieren in Kontakt war und sein Immunsystem auf diese Weise geschult und abgehärtet hat, ist weniger anfällig für Allergien. „Deshalb“, sagt Dr. Hans-Peter Hauber, „kann ich Eltern nur raten, die Kinder viel draußen spielen zu lassen. Und wenn sie dabei aus Versehen mal Sand essen, ist das kein Drama. Im Gegenteil, auf lange Sicht hilft es vielleicht sogar.“