Hamburg. Die Serie erinnert an das Leben des verstorbenen Rüdiger Kowalke. Teil 3: Wie er seine berühmten Gäste bewirtete und bei Laune hielt.

Rüdiger Kowalke verstand nicht nur, sein Restaurant geschickt zu vermarkten. Er schaffte es von Beginn an auch, prominente Gäste in die Große Elbstraße zu locken. Wie, das blieb immer sein Geheimnis. Aber nicht selten standen ganz zufällig die Reporter im Restaurant, wenn mal wieder ein bekannter Mann oder eine bekannte Frau in seinem Fischereihafen Restaurant abgestiegen war. In seinem Buch „Fisch & Kult“ (Edel Books) beschreibt er einige von ihnen.

Prinz Charles wurde auf einer Hafenbarkasse bewirtet.
Prinz Charles wurde auf einer Hafenbarkasse bewirtet. © Edel Verlag

Diana und Charles

„,Bitte‘, hieß es etwa im Wortsinn, ,bereiten Sie ein Vier-Gänge-Menü für Prinz Charles und Lady Di vor. Und bitte eine typische hamburgische Speisefolge.‘ Kurze Besprechung mit dem Küchenchef, dann war klar, was wir auftischen wollten: Räucheraal, Labskaus mit Wachtelei, Hamburger Pannfisch. Danach einen Kümmel, wie es sich gehört. Das Problem war nur, das hochherrschaftliche Mahl sollte nicht bei mir im Restaurant serviert werden, sondern auf einer Barkasse zwischen Landungsbrücken und Teufelsbrück. Das hieß, für Zubereitung und Service von vier Gängen hatte ich nur 60 Minuten Zeit. Und das auf engem Raum in fremder Umgebung. Das war in einer Stunde nicht zu schaffen.

Mit dem Barkassenführer hatte ich deshalb eine kleine, freundschaftliche Unterredung. Die 120 Journalisten, die im Schlepptau des königlichen Gefährts schipperten, spekulierten später, ob der Mann am Ruder nicht möglicherweise betrunken war. Die Barkasse fuhr keineswegs den geraden Weg nach Teufelsbrück wie angekündigt. Sie machte weite Bogen und Schlenker, bis sie endlich weit über der Zeit ihr Ziel erreichte. Ich hatte mir ein paar englische Floskeln zurechtgelegt, um ein paar Worte über die Menüfolge zu sagen. Die Königlichen Hoheiten lobten die für sie ungewohnte Kost, und Lady Di genoß den Kümmel danach, ohne mit der Wimper zu zucken.“

Uwe Seeler

„Den ersten Kontakt hatten wir in Kaltenkirchen, als ich ihm ein auf Holzkohle gegrilltes, leicht durchwachsenes Club-Steak servierte. Er besuchte mich dann öfters, und wir kamen ins Gespräch. So wurden wir – und sind es bis heute – Freunde. Bewundert habe ich ihn schon als Teenager. Mit meinem Vater saß ich 1960 im Volksparkstadion – HSV gegen Westfalia Herne, Oberliga Endrunde. Schnoor bei uns im Tor, Dörfel und Uwe im Sturm. Wir 0:1 im Rückstand, dann dieser unglaubliche Fallrückzieher – umgerempelt, am Boden liegend. Aber sein Schuss – unhaltbar! Endstand 2:1. Oder 1961, das 5:1-Spiel gegen Dänemark: er zum ersten Mal Kapitän, ein Hattrick mit drei Kopfbällen.

HSV-Fan war ich schon immer. Ich weiß noch, 1963 habe ich Wetten abgeschlossen, dass der Hamburger Sport-Verein Deutscher Meister wird. Leider verloren, kam nur auf Platz sechs. Aber Uwe wurde Torschützenkönig in der neu gegründeten Bundesliga. Auch ein Grund zum Feiern! Und dann: Was für ein Aufstand, als Italien ihn für die unglaubliche Transfersumme von 1,2 Millionen Mark uns wegkaufen wollte. Und der Jubel, als er beschloss, in Hamburg zu bleiben. Da wurde Bollinger ausgeschenkt. Wir verstanden uns auf Anhieb, wohl auch deshalb, weil wir beide nicht auf Rosen gebettet aufwuchsen. Uwes Vater war Hafenarbeiter. Beide haben wir unseren Weg gemacht, in völlig verschiedene Richtungen natürlich. Ich als Fußballer? Mich hätten sie bereits in der Amateurliga vom Platz gestellt. Uwe als Gastronom? Eine voraussehbare Insolvenz! Über Fußball und Gastronomie reden wir selten. Damals warb er ziemlich unvermittelt für seine ,Uwe Seeler Stiftung‘, die er 1996 gegründet hatte.

Mit dem Geld unterstützt die Stiftung Menschen, die wegen ihres körperlichen, geistigen oder seelischen Zustandes auf Hilfe angewiesen oder unverschuldet in Not geraten sind. Uwes Motto ist: ,Wer auf der Sonnenseite des Lebens steht, sollte die unterstützen, die auf der Schattenseite stehen.‘ Das sprach mich sofort an. Seit 1998 unterstützen mein Sohn Dirk und ich die Stiftung mit der Fischereihafen Trophy. Sie wird alle zwei Jahre im Golfclub auf der Wendlohe Hamburg ausgetragen, bei der stets gut 150 Prominente und Freunde spielen und spenden – 25.000 Euro kommen da stets zusammen, einmal sogar 55.000. Abends laden wir zu einem Galadinner ein. Ein Paradegast fürs Fischereihafen Restaurant ist uns Uwe allerdings nicht. Der früher so kampfstarke Mittelstürmer zeigt sich ziemlich defensiv, wenn es um Fischgräten geht. Er isst bei mir gern Labskaus. Seezunge bestellt er nur nach langem Überreden und der Zusicherung, dass ich sie filetiere und hoch und heilig verspreche, kein Grätchen werde in seinem Hals landen.“

Helmut Kohl war gern Gast bei Rüdiger Kowalke und dessen Sohn Dirk.
Helmut Kohl war gern Gast bei Rüdiger Kowalke und dessen Sohn Dirk. © Edel Verlag

Helmut Kohl

„Der Patriarch als Stammgast. Sicher 20-mal gab uns Helmut Kohl die Ehre. Wir wussten schon im Voraus, was er bestellen würde: Räucheraal auf Rührei, Schellfisch in Senfsauce, dazu eine Flasche guten Pfälzer Wein. Die Frage ,Dessert – ja oder nein‘, richtete sich danach, ob er gerade auf seine Linie achtete oder nicht. Oftmals bestellte er als Dessert noch einmal seinen geliebten Räucheraal auf Rührei.“

Dirk Kowalke mit Bundeskanzlerin Angela Merkel.
Dirk Kowalke mit Bundeskanzlerin Angela Merkel. © Michael Holz

Angela Merkel

„Eine Frau Merkel rief an. Mein Mitarbeiter blätterte in dem Bestellbuch. Er müsse bedauern, sagte er zu der Dame am Telefon, zu dem Zeitpunkt sei heute kein Platz frei. Aber wenn sie und ihr Begleiter an der Bar einen Drink nehmen wollten, würde zu einem späteren Zeitpunkt sicher ein Tisch frei werden. Die Anruferin war einverstanden. Meinem Sohn Dirk Kowalke traf fast der Schlag, als am Abend die Bundeskanzlerin in Begleitung ihres Ehemanns Professor Sauer vor ihm stand. Von Sicherheitsleuten keine Spur. Natürlich fand sich schnell ein Tisch. Stillvergnügt ohne jedes Aufsehen genossen Angela Merkel und ihr Mann den Abend.“

Muhammad Ali

„Stiller Abend mit ,The Greatest‘. Ganz in sich gekehrt saß die Boxlegende Muhammad Ali an seinem Tisch. Die Parkinsonkrankheit hatte den ,Sportler des Jahrhunderts‘ deutlich gezeichnet. Man erinnerte sich an den Spruch aus seiner Glanzzeit ,Float like a butterfly, sting ­like a bee‘ (,Schwebe wie ein Schmetterling, stich wie eine Biene‘) – und wurde traurig.“

Tina Turner

„Im Fischereihafen Restaurant brach Tina Turner (,Break every rule‘) keine einzige Regel. Sie war ein angenehmer Gast. Das Album mit dem aufrührerischen Titel hatte sie gerade fertiggestellt. Im Jahr darauf, 1986, wurde es ein Riesenerfolg mit Songs wie ,What`s Love Got to Do with It‘ oder ,Typical Man‘.“

Es kamen aber in all den Jahren noch viele andere berühmte Persönlichkeiten an die Große Elbstraße: Sean Connery, Günther Jauch, Placido Domingo, Bianca Jagger, Sheryl Crow, David Has­selhoff, Michael Douglas, Boris Becker, Thomas Gottschalk, Kirk Douglas, Mel Brooks, Woody Allen, Wolfgang Joop, Peter Ustinov, Peter Hofmann und viele mehr. Die meisten hinterließen dem engagierten Wirt einen liebevollen, lustigen oder schlicht begeisterten Eintrag in seinem Gästebuch.