Hamburg . Jule Thumser will sich gegen den Vorstand des Hamburger Tierschutzvereins wehren. Dieser bezeichnet Interviewanfrage als „dreist“.

Aus den eigenen Reihen formiert sich eine Opposition im Hamburger Tierschutzverein (HTV). „Die Zahl derer, die vom aktuellen Vorstand und seinem Umgang mit berechtigter Kritik maßlos enttäuscht sind, ist groß – und wächst“, sagt HTV-Mitglied Jule Thumser. Die 64-Jährige ist außerdem Vorsitzende des Tierschutzvereins Hunde-Lobby. „Im HTV herrscht eine Art Diktatur“, sagt Thumser. Kritiker würden diskreditiert, sanktioniert und mundtot gemacht. Dagegen wolle sich die freie Journalistin mit einer wachsenden Zahl an Unterstützern nun wehren. „Wir wollen die rund 5200 Mitglieder darüber aufklären, was da eigentlich läuft“, sagt Thumser.

Doch das sei nicht einfach. „Zu den Mitgliederversammlungen kommen kaum Menschen, und die Homepage sowie der Newsletter werden vom Vorstand kontrolliert“, sagt Thumser. Außerdem gebe die Führung ganz augenscheinlich „ein kleines Vermögen“ für Rechtsanwälte und Öffentlichkeitsarbeit aus, um kritische Mitarbeiter loszuwerden und sich selbst in Szene zu setzen. „Dafür werden Spenden genutzt, die eigentlich für die Tiere gedacht sind“, sagt Thumser.

HTV-Mitglieder erwägen Klage gegen Vorstand

Die Mitglieder direkt anzuschreiben, sei für die Oppositionsgruppe die einzige Chance, ihre Sicht der Dinge darzustellen. Der Vorstand versuche das aber zu verhindern, weigere sich trotz mehrerer Anfragen, die Mitgliederliste zur internen Kommunikation herauszugeben. Vom Abendblatt mit diesem Vorwurf konfrontiert, wollte sich der Vorstand nicht äußern. „Der Bundesgerichtshof hat bereits 2010 eindeutig geklärt, dass es für die Meinungsbildung in einem Verein auch für einfache Mitglieder möglich sein muss, andere zu kontaktieren“, sagt Thumser. Deshalb werde in der Gruppe erwogen, zu klagen.

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Außerdem arbeite die 64-Jährige gemeinsam mit Unterstützern an einer Homepage, die nicht unter der Aufsicht des Vorstands stehen soll. „Wir fordern mehr Transparenz und Demokratie im Verein sowie funktionierende Kontrollmechanismen für den Vorstand“, sagt Thumser. Es müsse wieder ein Klima des offenen und vertrauensvollen Umgangs in Tierheim und Verein einziehen. „Es kann nicht angehen, dass die zahlenden Mitglieder mit teils offensichtlichen Lügen getäuscht werden“, sagt Thumser, bezogen auf die Stellungnahmen des Vorstands zu Vorwürfen von Behörde, Mitgliedern oder Angestellten des Tierheims.

Behörden ermitteln weiter gegen Tierschutzverein

Noch immer ermittelt das Veterinäramt wegen zahlreicher angeblicher Verstöße gegen Vorschriften und Gesetze. „Entgegen der Darstellung des Vereins sind die Vorwürfe mitnichten ausgeräumt“, sagt die Sprecherin des zuständigen Bezirksamts Mitte, Sorina Weiland. Auch klagen Beschäftigte und der Betriebsrat über „unhaltbare Zustände“ im Tierheim, und immer mehr Vereinsmitglieder berichten davon, dass sie das Vertrauen in den Vorstand verloren haben.

In seinen Stellungnahmen spricht dieser von „haltlosen Vorwürfen“, „Schikanen“ der Behörden und einer „Schmutzkampagne“. Es sei offensichtlich, dass die Kritiker des Vorstands versuchten „einzig aus persönlichen Gründen eine sehr erfolgreiche Tierschutzarbeit in den Schmutz zu ziehen“, sagt Sprecher Frank Wieding.

HTV-Vorstand hält Interviewanfrage für „dreist und impertinent“

In den vergangenen Wochen hat sich das Abendblatt ausführlich mit Vorgängen im Hamburger Tierschutzverein (HTV) und dem von ihm geführten Tierheim an der Süderstraße beschäftigt. Im Zuge der Recherchen wurden von mehr als 50 Personen aus dem Umfeld des HTV Vorwürfe gegenüber dem aktuellen Vorstand geäußert. Im Zentrum der meisten Anschuldigungen steht Vereinsvorsitzende Sandra Gulla.

Das Abendblatt hat ihr angeboten, sich in einem Interview ausführlich zu äußern. Selbstverständlich wäre es erst veröffentlicht worden, nachdem sie es gegengelesen und autorisiert hätte – so ist das übliche Verfahren. Sprecher Frank Wieding schrieb dazu auf der Vereinshomepage, dass weder Gulla noch ein anderer Vertreter des Vereins für die „dreiste Interview-Anfrage“ des Abendblatts zur Verfügung stünden. Und weiter: „Wir empfinden Ihre Anfrage als impertinent.“ Das Angebot des Abendblatts bleibt natürlich bestehen.