Hamburg . Nach der Kollision des Frachters mit der Hadag-Fähre “Finkenwerder“ laufen die Ermittlungen. Die wichtigsten Fragen und Antworten.
Am Montag nach dem Unglück schauen die Spaziergänger herüber, aber sehen nicht viel. Ein hoher Metallzaun riegelt den Zugang zum Blankeneser Fähranleger ab. Die Anlage ist verwaist. Die Restaurants „Fischclub“ und „Ponton op’n Bulln“ sind bis auf Weiteres geschlossen. Am Nachmittag rücken Sachverständige an: der Versuch, nach der schweren Kollision des Containerschiffs „Ever Given“ mit einer Hadag-Fähre die Schäden zu beziffern. Allein an dem kleineren Schiff beläuft er sich auf einen sechsstelligen Betrag.
Kurz vor dem Einlauf am Anleger war die Fähre „Finkenwerder“ am Sonnabend gerammt und schwer beschädigt worden – der 27 Jahre alte Kapitän erlitt einen Schock. Die Wasserschutzpolizei hat eine Ermittlungsgruppe zu dem Vorfall eingesetzt, der in einer Katastrophe hätte enden können. Das Abendblatt klärt die wichtigsten Fragen.
Wie ist der Stand der Ermittlungen?
Gegen den 39 Jahre alten indischen Kapitän des Containerriesen ist ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der fahrlässigen Körperverletzung und des gefährlichen Eingriffs in den Schiffsverkehr eingeleitet worden. Zwei Beamte sind an Bord des Frachters gegangen und begleiten das Schiff auf dem Weg nach Rotterdam.
Containerschiff rammt Hafenfähre vor Blankenese
Dabei werden Vernehmungen durchgeführt und Daten, darunter Radarbilder und gespeicherte Gespräche, unter anderem zwischen der Brücke und der Lotsenstation sowie vom Schiffsdatenschreiber, sichergestellt. Zudem wird ein Gutachten über die Wetterverhältnisse zum Zeitpunkt des Unfalls erstellt.
Was ist über die Ursache der Kollision bekannt?
Hinweise auf einen Blackout, also einen Ausfall der Ruderanlage an Bord des Containerriesen, gibt es bislang nicht. „Das hätte man sehr schnell über den Schiffsdatenschreiber feststellen können“, so ein Beamter. Zum Unfallzeitpunkt herrschte starker Wind auf der Elbe. Ein Navigationsfehler erscheint als wahrscheinliche Ursache.
Zum Zeitpunkt des Unfalls hatten sich zwei Lotsen an Bord befunden. Sie sind nicht im Fokus der Ermittlungen, weil sie ausschließlich „beratende Tätigkeit“ beim Ablegemanöver und die Fahrt durch die Elbe hatten. Zudem wurde bekannt, dass ein Schlepper den Frachter zwar begleitete, aber keine Leinenverbindung hatte.
Warum durfte das Containerschiff überhaupt auslaufen?
Die „Ever Given“ ist ein sogenannter Megamax Carrier mit einer Länge von 400 Metern und einer Kapazität von 20.388 Standardcontainern. Schiffe dieser enormen Größenordnung dürfen maximal bei einer Windstärke von sechs Beaufort auslaufen. „Beim Ablegen der ,Ever Given‘ um 8.26 Uhr bestand von der Nordsee bis einschließlich dem Hamburger Hafen kein Windfahrverbot“, sagte ein Sprecher der Hamburg Port Authority (HPA) auf Anfrage.
Zum Zeitpunkt der Kollision um 9.28 Uhr lag die Windgeschwindigkeit in Hamburg demnach bei fünf bis sechs Beaufort (Südwest). Allerdings wurde nur zwei Minuten (!) nach der Kollision schließlich ein Windfahrverbot von der Revierzentrale Cuxhaven ausgesprochen. Die Windstärken waren zuvor bereits stark zunehmend, außerdem verschärften offenbar Schauer die Wetterlage.
Warum durfte das Containerschiff seine Fahrt nach dem Unfall fortsetzen?
Dass der Frachter weiterfahren durfte, ist in so einem Fall üblich. „Das Schiff war manövrierfähig“, sagte ein Beamter. Ein Containerfrachter einer solchen Größe könne man nicht einfach rückwärts wieder an seinen Liegeplatz bringen. Außerdem würden in so einem Fall Liegeplätze blockiert und der komplizierte Logistikfluss an den Terminals behindert, sagte ein Beamter.
Wie geht es mit den betroffenen Restaurants am Elbanleger weiter?
Manuela („Ela“) Gehrmann, die gemeinsam mit ihrer Geschäftspartnerin Britta Hiemer den Ponton und die in der Nähe liegende Kajüte S.B. 12 betreibt, reagierte gefasst. „Alle fragen jetzt nach der Versicherung“, erzählte sie, „aber die erste Frage muss immer sein, ob jemand verletzt wurde.“ Grundsätzlich zahle ihre Versicherung bei Unfällen wie diesen jedoch nicht. Ob die Versicherung der Reederei des Containerschiffs für die Schäden aufkomme, sei unklar. Nach allem, was sie bisher wisse, müsse man aber von „Glück im Unglück“ sprechen, sagte Gehrmann.
Ein Datum für eine Wiedereröffnung ist völlig ungewiss, Gehrmann lobte jedoch die Behörden. „Die haben sich sofort gemeldet und schnell agiert.“ Grundsätzlich sieht Gehrmann die Gastronomie auf dem Anleger nicht in Gefahr.
Zieht die HPA Konsequenzen aus dem Vorfall?
Zunächst müssten die polizeilichen Ermittlungen abgewartet werden, heißt es. Es sei zu früh, den grundsätzlichen Umgang mit großen Containerschiffen zu prüfen. Bei der Polizei rechnet man frühestens zum Ende der Woche mit belastbaren Ergebnissen.