Hamburg. Yannic Hendricks geht juristisch gegen Gynäkologen vor und wehrt sich dagegen, dass sein Name öffentlich genannt wird.

Yannic Hendricks unternimmt viel, um seinen Namen aus der Öffentlichkeit herauszuhalten. Journalisten und Blogger, die den Abtreibungsgegner namentlich nannten, ließ er bereits von einem Kölner Anwaltsbüro abmahnen. Dabei nennt er selber gern Namen: die von Dutzenden Frauenärzten. 60 bis 70 Mediziner zeigte er bei den Ermittlungsbehörden an, weil sie im Internet über Schwangerschafts­abbrüche informiert und damit gegen Paragraf 219a des Strafgesetzbuches verstoßen haben sollen, darunter die Gießener Medizinerin Kristina Hänel. Vor allem an ihrem Fall hatte sich die öffentliche und politische Debatte um den Paragrafen entzündet.

Juristischen Ärger mit dem jungen Mathematikstudenten aus Kleve hat nun auch die Hamburger Pro-Familia-Vorsitzende, Journalistin und ehemalige linke Bürgerschaftsabgeordnete Kersten Artus. Sie hatte seinen Namen mehrfach im Internet veröffentlicht. Hendricks will ihr das gerichtlich untersagen und reichte Unterlassungsklage in Hamburg ein. Vom Freitag an verhandelt darüber die Pressekammer.

Anzeigen gegen Ärzte sei sein Hobby

Viel Zuspruch für ihren juristischen Kampf erhält Artus aus der linken Szene und von Frauenrechtlern. Seit einigen Tagen hängt an der Fassade des Autonomen Zentrums Rote Flora ein Plakat, das Hendricks’ leicht verfremdetes Konterfei in Verbindung mit seinem Namen zeigt. Wie Hendricks Kölner Anwalt auf Anfrage mitteilte, sei Strafanzeige erstattet worden. „Die sogenannte Rote Flora bedient sich mittelalterlicher Methoden und stellt einen Menschen an den Pranger. Zivilisatorische Standards existieren hier offensichtlich nicht mehr“, so der Anwalt. Andreas Blechschmidt, Sprecher der Roten Flora, wollte sich weder zum Plakat noch zur Strafanzeige äußern – er habe kein Mandat dafür.

Die Frage, warum er macht, was er macht, hat Hendricks selbst beantwortet: in Interviews unter seinem Pseudonym „Markus Krause“. Das sei, so Krause/Hendricks in der „taz“ und im Deutschlandfunk, „halt sein Hobby“. Er habe in den vergangenen drei Jahren schon an die „60 bis 70 Anzeigen“ gegen Frauenärzte und Frauenärztinnen erstattet, weil sie im Internet über Schwangerschaftsabbrüche informiert hatten. Nach Paragraf 219a steht die Werbung für Abbrüche (noch) unter Strafe. Allein die Anzeige gegen Kristina Hänel löste einen bundesweit beachteten Prozess aus und befeuerte nachhaltig die Debatte um das Werbeverbot für Schwangerschaftsabbrüche. Obgleich ein Impulsgeber im aktuellen Diskurs, will Hendricks verhindern, dass identifizierend über ihn berichtet wird. Andererseits hat der selbst ernannte „Lebensschützer“ in den Interviews persönliche Details preisgegeben, darunter sein Alter, seinen Wohnort und sein Studienfach.

Er war Impulsgeber in der Debatte

Kersten Artus betreut den Solidaritätsblog für Kristina Hänel, die Ende 2017 zu einer Geldstrafe von 6000 Euro verurteilt worden war. Unter anderem dokumentierte Artus darin einen Artikel, der auch Hendricks Namen enthielt. Außerdem nannte sie ihn auf Facebook und Twitter. Im Juli 2018 bekam sie Post von Hendricks Anwalt: eine Abmahnung. Sie habe durch die Namensnennung vor einer unbeschränkten Öffentlichkeit gegen Hendricks’ Persönlichkeitsrechte verstoßen, hieß es. Sie solle die Beiträge löschen, eine Unterlassungserklärung abgeben und 1700 Euro Anwaltskosten zahlen.

Artus weigerte sich. Den gegen sie geltend gemachten Anspruch habe sie als „Provokation“ empfunden, sagte Artus dem Abendblatt. Sie habe zwar Verständnis, wenn jemand seine Identität schützen wolle, um Vorverurteilungen zu vermeiden. Hier liege der Fall aber anders. „Er hat Interviews gegeben zu dem Thema, hat sich selbst in die Öffentlichkeit­ begeben und war Impulsgeber der öffentlichen Debatte. Ich habe ihn ja nicht verunglimpft oder Unwahrheiten veröffentlicht“, so Artus. Im Übrigen habe Hendricks durch sein Tun genau das Gegenteil dessen bewirkt, was er habe erreichen wollen: Aktuell werde sogar über eine Streichung des Paragrafen nachgedacht.

Verhandlung am Freitag

Im August 2018 folgte dann die zivilrechtliche Klage des Abtreibungsgegners. In der Klageschrift heißt es, Hendricks befürchte durch die identifizierende Berichterstattung „Anfeindungen gegen seine Person von gewaltbereiten Abtreibungsbefürwortern“. Das Plakat der Roten Flora scheint ihn nun zu bestätigen. Zudem wolle er nicht, dass seine persönliche Position im Mittelpunkt öffentlicher Debatten stehe. Ganz grundsätzlich heißt es dazu von Hendricks Anwalt: An einer Namensnennung bestehe kein öffentliches Informationsinteresse, welches die mit der Namensnennung­ entstehenden Rechtsverletzungen überwiege. Artus‘ Anwalt wiederum sieht mit Verweis auf Hendricks „herausragende Rolle“ im aktuellen Diskurs ein „berechtigtes öffentliches Interesse“ an der Nennung.

„Die juristische Auseinandersetzung war bisher sehr zeitraubend“, sagt Kersten Artus. Immerhin sei das finanzielle Risiko überschaubar. „Durch Spenden sind 8000 Euro zusammengekommen – genug für die erste Instanz.“ Mut mache ihr die Entscheidung des Düsseldorfer Landgerichts, das im Januar einen Eilantrag Hendricks’ ablehnte und dem Online-Medium Buzzfeed gestattete, seinen Namen zu nennen.

Fraglich bleibt, wie der Student all die rechtlichen Auseinandersetzungen finanziert. Nach Auskunft von Gerichtssprecher Kai Wantzen habe er keine Prozesskostenhilfe beantragt. Vor Beginn der Verhandlung am kommenden Freitag (10.30 Uhr) wird auch Frauenärztin Kristina Hänel mit einem Redebeitrag erwartet. Dass Hendricks persönlich erscheint, gilt als unwahrscheinlich. Allerdings wird sein Name auf der Gerichtsrolle vor dem Saal stehen.