Hamburg/Luxemburg. Er will die Auslieferung eines Rumänen verhindern, weil die Haftbedingungen in dem Land menschenunwürdig seien.

Der Mann macht sich rar. Selbst für seine Anwälte, den Hamburger Starverteidiger Gerhard Strate und seinen Kanzlei-Partner Johannes Rauwald, ist Dumitru D. derzeit nur schwer zu erreichen. Dabei könnte der Fall des Rumänen „Rechtsgeschichte schreiben“, wie Strate betont. Seinem Mandanten sei aber bewusst, dass „die Sache gerichtlich schon sehr hoch hängt“.

Höher geht es auch nicht. Vom heutigen Dienstag an beschäftigt der Fall, der in Hamburg seinen Ausgang nahm, unter dem Aktenzeichen C-128/18 den Europäischen Gerichtshof in Luxemburg (EuGH). Vor der Großen Kammer wehrt sich Dumitru D., pro bono von Strate und Rauwald vertreten, gegen die Auslieferung in sein Heimatland, wo er eine Gefängnisstrafe verbüßen soll. Strate und Rauwald machen geltend, dass die Haftbedingungen in dem EU-Partnerland nicht menschenwürdig seien und somit ein Verstoß gegen Artikel 4 der europäischen Grundrechtecharta vorliegen könnte. Dieser Artikel besagt: Niemand darf Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden.

Vor dem Verfassungsgericht gewann er

Strate hatte Ende 2016 die Pflichtverteidigung für den in Hamburg gefassten und inhaftierten Kleinkriminellen übernommen. Gegen ihn hatte die rumänische Justiz einen europäischen Haftbefehl erwirkt. Grund: Er soll in seinem Heimatland einen Computer im Wert von 2000 Euro gestohlen haben. Im Januar 2017 entschied das Hanseatische Oberlandesgericht (OLG), dass seine Auslieferung nach Rumänien rechtens ist. Es sei darauf zu vertrauen, dass in den EU-Mitgliedsländern vergleichbare Haftbedingungen gelten, so das Gericht.

Doch Strate legte dagegen erfolgreich Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe ein, das den OLG-Beschluss wegen „Verstoßes gegen den gesetzlichen Richter“ aufhob. Da hier ein möglicher Verstoß gegen die europäische Grundrechtecharta zu prüfen sei, sei der zuständige Europäische Gerichtshof in Luxemburg zu befassen. Für Strate ist es der erste Fall überhaupt vor dem EuGH.

Bis zu zwölf Häftlinge pro Zelle

Die Hamburger Richter legten dem EuGH daraufhin einen Fragenkatalog vor, zu dem der Generalanwalt heute in seinem Plädoyer Stellung nehmen soll. Unter anderem geht es da um die Frage einer „absoluten“ Untergrenze bezüglich der Haftraumgröße in den Mitgliedsstaaten. „Jeder weiß, dass die Haftbedingungen in Rumänien katastrophal sind“, sagt Strate. „Die Zellen sind mit bis zu zwölf Menschen belegt, jedem Gefangenen steht häufig nur eine Fläche von zwei Quadratmetern zur Verfügung.“ Neun EU-Staaten haben sich im Vorfeld bereits schriftlich zu den Haftbedingungen in ihren Ländern geäußert. Sollte das Gericht dem Antrag auf Nicht-Auslieferung stattgeben, so Strate, könne das „peinlich“ werden für Rumänien, das Land hat seit Jahresbeginn die Ratspräsidentschaft inne. „Dann müssen sich die Rumänen zu den fatalen Haftbedingungen in ihrem Land äußern.“

Der Fall ist auch deshalb so bemerkenswert, weil er Fragen der Grundrechtecharta und der europäischen Menschenrechtskonvention berührt. Artikel 3 der Menschenrechtskonvention, für deren Auslegung der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg zuständig ist, verbietet wie Artikel 4 der Grundrechtecharta, mit der sich wiederum der EuGH befasst, Folter und menschenunwürdige Haftbedingungen. „Insoweit ist es spannend zu sehen, wie die Kompetenzen zwischen beiden Gerichten künftig geklärt werden“, sagt Strate und weiter: „Sollten wir Erfolg haben, hätte das jedenfalls weittragende Konsequenzen“. Der Hamburger Anwalt ist überzeugt: „EU-Auslieferungsverfahren werden dann keine Routineangelegenheit mehr sein.“