Hamburg. Wie der 33-Jährige Unternehmer und Präsident des HSV wurde, was er heute ist – und wer ihm dabei geholfen hat.
Wer mit nur 29 Jahren seine Karriere als Profi-Fußballer beendet, muss sich mindestens so vielen Fragen stellen, wie derjenige, der mit nur 33 Jahren Präsident des Hamburger SV wird. Marcell Jansen hat beides getan, und darüber jetzt ausführlich im Abendblatt-Podcast „Entscheider treffen Haider“ gesprochen. Wer zuhört, erlebt einen sowohl leidenschaftlichen als auch nachdenklichen ehemaligen Nationalspieler, der schon bei der Europameisterschaft 2008 gespürt hat, wie hart (und ungerecht) der Profi-Sport sein kann: Nach der 1:2-Niederlage gegen Kroatien wurde ausgerechnet der junge Jansen zum Hauptschuldigen, „alle haben sich damals auf mich eingeschossen“. Er habe zwei Tage gebraucht, um die Niederlage und die damit verbundenen Anfeindungen zu verdauen: „Dann bin ich aufgestanden und habe mir gesagt: Den Pappnassen zeigst du es.“
Ein Schlüsselmoment in einer Karriere, die den Fußballer nicht nur ins EM-Finale, sondern auch zu den Weltmeisterschaften 2006 und 2010 führte. Und schließlich zum HSV und nach Hamburg, wo Jansen lebt und inzwischen als Unternehmer arbeitet. Seine Firma hat ihre Büroräume in der City, ist unter anderem an zwei Sanitätshäusern und einem glutenfreien Café beteiligt. Jansen will zudem mit Koch und TV-Moderator Steffen Henssler eine Restaurantkette mit schneller, aber gesunder Kost aufbauen. Ein Pilotprojekt in Köln ist abgeschlossen, nächster Standort soll in diesem Frühjahr die Europa Passage an der Binnenalster sein. Jansen: „Ernährung hat in meinem Leben als Profi-Fußballer eine große Rolle gespielt. An diese Erfahrungen möchte ich anknüpfen und sie weitergeben.“
Und das sagt Marcell Jansen . . .
... über seine Wahl zum Vereins-Präsidenten des Hamburger SV:
„Der HSV ist der Grund, warum ich in Hamburg geblieben bin. Es ist für mich eine große Ehre, jetzt Präsident des Vereins sein zu dürfen. Ich finde es unglaublich, wie ungebrochen die Liebe der Fans zu diesem Verein ist, das ist nicht selbstverständlich nach den vergangenen Jahren. Und ich kann alle beruhigen: Ich habe keine Agenda, ich will nicht in den Vorstand der HSV Fußball AG. Ich möchte vereinen und etwas zurückgeben.“ (Anmerkung: Jansens Vorgänger Bernd Hoffmann kam über das Amt des Präsidenten erst in den Aufsichtsrat und dann in den Vorstand der HSV Fußball AG).
… über seine Eltern:
„Meine Eltern haben mir ein perfektes Umfeld geschaffen, obwohl sie jeden Morgen um vier oder fünf Uhr aus dem Bett mussten. Meine Mutter hat bei Aldi gearbeitet, mein Vater bei Kaiser’s.“
… über seine frühe Erkenntnis, dass Fußball selbst im Leben eines Nationalspielers nicht alles sein kann:
„Mit Anfang 22 hatte ich zum ersten Mal seit Jahren wegen einer Verletzung eine längere Auszeit. Damals saß ich in meinem Haus in München in meinem Büro und habe mir die Frage gestellt: Marcell, du hast einen langen Vertrag bei Bayern, du hast gegen Cristiano Ronaldo gespielt – aber was ist, wenn du das plötzlich nicht mehr weitermachen kannst? Über was definierst du dich eigentlich? Und dann fing ich an, ein Interesse an anderen Dingen zu entwickeln. Ich habe damals schon mitbekommen, wie viele ehemalige Kollegen in der Zeit, in der sie Profis waren, hängengeblieben sind. Es gab für sie keine neuen Themen. Das wollte ich nicht, ich wollte nicht mit 50 noch von der Fußball-Weltmeisterschaft 2006 erzählen müssen.“
… über sein Karriereende mit nur 29 Jahren, obwohl er noch viel Geld bei einem ausländischen Verein hätte verdienen können:
„Mit Ende 29 war ich ablösefrei, also eigentlich an dem Punkt, auf den alle Profis hinarbeiten. In dieser Zeit reifte in mir die Entscheidung: Jetzt noch mal zu einem anderen Verein, für zwei, drei Jahre, nur um noch mehr Geld zu verdienen – oder raus aus dem Profi-Fußball? Ich habe dann zu meinem Berater gesagt, dass ich nicht mehr weiterspielen möchte. Und was hat er zu mir gesagt? ,Langer, ich wusste schon immer dass du bekloppt bist. Mach das!‘ Und ich wusste: Wenn du jetzt den einfachen Weg nimmst, dann ist es vielleicht zu spät, den Absprung vernünftig zu schaffen. Alle, die jetzt in Bundesliga-Vereinen aktiv sind, sollten wissen: Niemand wartet auf einen Fußballer, der mit seiner Karriere aufhört.“
… über Geld:
„Ich war jetzt auch kein Lahm, Schweinsteiger oder Podolski, obwohl ich zu dieser Generation gehörte. Ich habe gut verdient, habe das Geld vernünftig zur Seite gepackt. Ich müsste nicht arbeiten, wenn es jetzt nur ums Geld gehen würde. Dafür sind meine Ansprüche auch nicht groß genug. Sowieso geht es immer um die Einstellung zum Geld. Und ich rede nicht von jetzt, ich rede von früher. Meine Eltern haben mir gegenüber nie gezeigt, ob Geld ein Problem ist – auch, wenn es ein Problem war. Geld war für mich deshalb nie ein Treiber. Ich habe schon immer gedacht, dass ich reich war, auch in der Jugend, als ich auf sieben Quadratmeter in meinem Kinderzimmer gelebt habe.“
… über HSV-Investor Klaus-Michael Kühne:
„Kühne ist ein richtig Guter. Ich habe ein Problem mit den Äußerungen von Menschen, die so etwas sagen wie: ‚Der hat es doch, der hat doch eh keine Kinder, der soll mal richtig was hinlegen für den HSV.‘ Ich hoffe, dass die aktuell Verantwortlichen nicht darunter leiden, was in der Vergangenheit passiert ist. Die Zusammenarbeit mit Kühne hatte leider keinen roten Faden.“
… über die Lehren aus seiner Zeit als Profi:
„Was mir eine innere Ruhe gibt: Von meiner Zeit als Profi waren zwei Jahre top, der Rest war durchschnittlich oder sehr harter Abstiegskampf. Und trotzdem ging mein Weg nicht nach unten. Das gibt mir eine Gelassenheit.“
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Der Fragebogen: Was war der beste Rat der Eltern?
Was wollten Sie als Kind werden und warum?
Ich wollte nichts Bestimmtes werden. Ich habe mir als Kind nie groß Gedanken gemacht, was mal aus mir wird.
Was war der beste Rat Ihrer Eltern?
Bleib so, wie du bist.
Wer war beziehungsweise ist Ihr Vorbild?
Meine Vorbilder sind meine Eltern, meine Berater und enge Freunde. Die können mir auch mal sagen, wenn ich etwas nicht so gut mache.
Was haben Ihre Lehrer über Sie gesagt?
„Du und dein Fußball.“
Wann und warum haben Sie sich für den Beruf entschieden, den Sie heute machen?
Als ich mit 29 vor der Entscheidung stand, noch mal ins Ausland zu wechseln oder in Hamburg zu bleiben, und beruflich etwas Neues zu machen.
Wer waren Ihre wichtigsten Förderer?
Ein Stück weit die Vorbilder, aber sportlich gesehen vor allem meine Trainer wie Ottmar Hitzfeld, Jupp Heynckes und Jogi Löw. Wichtige Ratschläge für meine Arbeit als Unternehmer habe ich zum Beispiel von Eugen Block, Klaus-Michael Kühne und Alexander Otto erhalten.
Auf wen hören Sie?
Auf mein Bauchgefühl und auf Menschen, die es ehrlich mit mir meinen.
Was sind Eigenschaften, die Sie an Ihren Chefs bewundert haben?
Dass sie das vorgelebt haben, was sie gesagt haben.
Was sollte man als Chef auf keinen Fall tun?
Das Gegenteil von dem zu machen, was man sagt. Versprechen geben, die man nicht halten kann.
Was sind die Prinzipien Ihres Führungsstils?
Ein Häuptling muss immer auch ein Indianer sein können. Und ich will immer zu hundert Prozent authentisch sein.
Wie wichtig war/ist Ihnen Geld?
Die Frage musste ich mir zum Glück nicht stellen, während meiner Fußball-Karriere nicht, aber auch nicht davor. Und damals war mein Kontostand eher nicht so erfreulich.
Was erwarten Sie von Ihren Mitarbeitern?
Wertschätzung und Dankbarkeit – aber von beiden Seiten.
Worauf achten Sie bei Bewerbungen?
Mein Bauchgefühl und meine Menschenkenntnis sind mir wichtiger als ein Notendurchschnitt. Am Ende kommt es darauf, Arbeit nicht als Arbeit zu sehen.
Duzen oder siezen Sie?
Mich können gern alle duzen. Aber ich sieze Menschen, die älter sind als ich, eigentlich immer. Das ist für mich eine Frage des Respekts.
Was sind Ihre größten Stärken?
Visionäres Denken, Leidenschaft, Selbstreflexion.
Was sind Ihre größten Schwächen?
Manchmal bin ich ungeduldig und manchmal zu ehrlich.
Welchen anderen Entscheider würden Sie gern näher kennenlernen?
Warren Buffett.
Was würden Sie ihn fragen?
Wie wichtig war ihr soziales Umfeld für ihren Erfolg?
Was denken Sie über Betriebsräte?
Sie sind prinzipiell gut und wichtig. Ich kann es aber nicht leiden, wenn sich einzelne Betriebsratsmitgliedern von eigenen Interessen leiten lassen.
Wann haben Sie zuletzt einen Fehler gemacht?
Das ist schwierig zu beantworten, weil sich vermeintliche Fehler später einmal als das genaue Gegenteil herausstellen können. Außerdem lernt man meistens nicht im Erfolg, sondern im Misserfolg. Und wenn ich das Gefühl habe, etwas läuft falsch, korrigiere ich es sofort.
Wie viele Stunden schlafen Sie (pro Nacht)?
Sieben Stunden.
Wie gehen Sie mit Stress um?
Wenn ich merke, dass eine stressige Situation entsteht, versuche ich bewusst, mich zu entspannen und runterzufahren.
Wie kommunizieren Sie?
Am liebsten im Gespräch, weil Körpersprache, Mimik, Gestik und Energie dann ganz anders zu spüren sind als am Telefon oder per Mail.
Wieviel Zeit verbringen Sie an Ihrem Schreibtisch?
60 bis 70 Prozent meiner Arbeitszeit.
Wenn Sie anderen Menschen nur einen Rat für ihren beruflichen Werdegang geben dürften, welcher wäre das?
Nach gewissen Erfahrungen, die jeder braucht, sollte man auf sein Bauchgefühl hören und sich eigene Ideen nicht von anderen zerreden lassen.
Was unterscheidet den Menschen von dem Unternehmer/Präsidenten Marcell Jansen?
Ich bin als Führungskraft sehr leistungsorientiert. Privat ist das völlig anders.
Und zum Schluss: Was wollten Sie immer schon mal sagen?
Liebe Leute, wartet bitte nicht darauf, dass andere eure Herausforderungen lösen. Denn das wird nicht passieren.
Der Podcast ist auch auf Spotify und iTunes zu hören.