Hamburg. Hamburg galt als Hochburg der Bewegung. 1919 zogen 17 Politikerinnen ins Parlament ein. Die Nazis drehten das Rad zurück.

Im Jahr 1902 gründeten Frauen in Hamburg den Deutschen Verein für Frauenstimmrecht. Er war der erste aus dem bürgerlich-radikalen Spektrum, der sein Ziel in erster Linie in der Erlangung des aktiven und passiven Wahlrechts für Frauen sah. Schnell gewann der Verein viele Mitglieder und galt als Vorbild für lokale Ableger in Deutschland. „Hamburg war die Hochburg der Frauenwahlrechtsbewegung“, sagt deshalb die Historikerin Rita Bake. An vorderster Front dabei war Lisa Gustava Heymann, Tochter eines reichen Hamburger Kaufmanns aus der Sophienterrasse, die den Millionennachlass ihres Vaters verwaltete. Anfänglich bürgerlich ausgerichtet, wurde sie im Laufe der Zeit radikaler in ihren Forderungen und begründete den Verein mit. Heute ist nach ihr die Heymannstraße in Eimsbüttel benannt.

Nachdem die Frauen 1918 das Wahlrecht erkämpft hatten, gründete der Stadtbund den überparteilichen „Wahlwerbeausschuss Hamburger Frauenvereine“. Er organisierte Versammlungen, in denen die Parteien mit ihren Programmen vorgestellt wurden – damit sich die Frauen vor ihrem ersten Urnengang orientieren konnten. Zur ersten Versammlung im November 1918 kamen fast 7000 Frauen in den Zirkus Busch.

Schließlich durften die Hamburgerinnen am 16. März 1919 erstmals die Bürgerschaft wählen und sich auch selbst wählen lassen. 17 Frauen (und 168 Männer) zogen ins Parlament ein. Es war eine Frau, die die konstituierende Sitzung der neu gewählten Bürgerschaft am 24. März 1919 als Alterspräsidentin eröffnete: Helene Lange, die berühmte Pädagogin, Frauenrechtlerin und Politikerin, die zu der Zeit in Hamburg lebte. Sie saß zusammen mit drei Parteifreundinnen für die liberale DDP im Parlament. Die SPD entsandte neun Frauen, die USPD zwei Frauen und die DVP und die DNVP jeweils eine.

Die Nazis drehten das Rad zurück: Frauen verloren ihr passives Wahlrecht wieder. Stattdessen gab es Einheitslisten mit ausschließlich Männern. Im Oktober 1933 löste Reichsstatthalter Karl Kaufmann die Bürgerschaft auf.

Schon in der noch von der Militärregierung im Februar 1946 ernannten Bürgerschaft waren Frauen vertreten. Auch nach der ersten freien Wahl im Oktober 1946 zogen 17 weibliche Angeordnete in die insgesamt 110-köpfige Bürgerschaft ein. Zu den prägenden Parlamentarierinnen dieser Zeit gehörte die Sozialdemokratin Paula Karpinski.

Am Frauenanteil in der Hamburgischen Bürgerschaft änderte sich in den folgenden gut drei Jahrzehnten nur wenig. Er schwankte zwischen 11,7 und 17,5 Prozent. Frauen mussten sich von Männern Sprüche anhören, die man denen heute nicht mehr durchgehen lassen würde. Ein Beispiel, das der Landesfrauenrat zitiert: Als die FDP-Politikerin Ursula Pohl 1976 in einer Debatte erklärte, sie hoffe, dass die Gesellschaft durch die verstärkte Einflussnahme der Frauen etwas menschlicher werde, fuhr ihr CDU-Mann Fridtjof Kelber ins Wort: „Das bezweifele ich, wenn ich Sie sehe!“ Das Protokoll vermerkt Heiterkeit.

Erst 1986 stieg der Frauenanteil in der Bürgerschaft schlagartig an, bedingt durch die damals erstarkende neue Frauenbewegung. Von den 120 Abgeordneten war nun jeder dritte eine Frau. Die Grün-Alternative Liste zog mit Adrienne Goehler und einer reinen Frauenfraktion ins Parlament ein. Die 13 Politikerinnen nannten sich die Wilde 13 und sorgten für viele Schlagzeilen.

1987 wurde die Sozialdemokratin Elisabeth Kiausch erstmals zur Bürgerschaftspräsidentin gewählt. Sie war nicht nur die erste Frau an der Spitze der Bürgerschaft, sondern auch die erste Präsidentin eines bundesdeutschen Landesparlaments überhaupt.

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