Hamburg. Das Verwaltungsgericht verhandelt über die Approbation. Warum der Fall so brisant ist – und welche Promis Kuck unterstützen.


Der Mann ist rechtskräftig verurteilt: Abrechnungsbetrug in mehreren Tausend Fällen, ein Jahr Gefängnis auf zwei Jahre Bewährung, 100.000 Euro Geldstrafe. Er hat das Geld zurückgezahlt, sich für Fehler entschuldigt. Hat gesagt: „Ich wollte mich nie bereichern.“ Alle Patienten wurden medizinisch korrekt behandelt.

Das Urteil fiel vor mehr als zwei Jahren, doch es lastet auf der bemerkenswerten Karriere des Hamburger Kardiologen Prof. Dr. Karl-Heinz Kuck aus der Asklepios Klinik St. Georg.

Es ist ein besonderer Fall. Die Gesundheitsbehörde von Cornelia Prüfer-Storcks (SPD) hat ihm die Approbation entzogen. Dagegen klagt Kuck vor dem Verwaltungsgericht, wo heute verhandelt wird. Die Causa Kuck hat sich zu einem schillernden Sittengemälde entwickelt. Tausende Patienten haben sich ihre Meinung gebildet. Prominente schrieben Appelle, von Udo Lindenberg, Jürgen Flimm (Theater) und Jürgen Großmann (Unternehmer) bis zu Medizin-Koryphäen wie Prof. Hermann Reichenspurner (UKE).

Fall Kuck zeigt Konkurrenz Asklepios vs. UKE

In einer Stadt, in der fast jeder achte Job in der Gesundheitsbranche ist, wo Asklepios der größte Arbeitgeber ist und das konkurrierende Uniklinikum Eppendorf auf Platz drei dieses Rankings, da herrscht gewaltiges Interesse an dem Fall. Vom Flurfunk in St. Georg über die Amtsstuben der Staatsanwaltschaft zu den Kanzleien renommiertester Anwälte und bis ins vergitterte Senatsgehege des Hamburger Rathauses. Auch der frühere UKE-Mediziner Peter Tschentscher ist im Bilde.

Das Abendblatt hat erneut mit wichtigen Protagonisten rund um Kuck gesprochen. Viele wollten sich nur äußern, wenn ihnen Anonymität garantiert wird. Es geht um nicht weniger als Recht und Gerechtigkeit.

Warum wurde Kuck die Approbation entzogen?

Wenn ein Arzt die Approbation verliert, ist das ein faktisches Berufsverbot. Kuck (66) klagt und darf deswegen vorerst weiterarbeiten. Die Behörde meint: Wir mussten ihm aufgrund der Schwere der Verurteilung die Approbation entziehen. Gesundheitssenatorin Prüfer-Storcks sagt, politische Einflussnahme habe keine Rolle gespielt. „Sie konnte gar nicht anders“, sagen in Medizinfragen erfahrene Juristen dem Abendblatt. „Sie hätte besser zuhören müssen“, sagen die FoK, die „Friends of Kuck“.

Prof. Dr. Karl-Heinz Kuck
Prof. Dr. Karl-Heinz Kuck © HA / A.Laible | Andreas Laible

Offenbar wurde die Senatorin in mehreren Gesprächen darauf hingewiesen, dass Hamburg drohe, einen der renommiertesten Ärzte zu demontieren. Für Prüfer-Storcks gilt Law and Order, ohne Ansehen von Personen. Das verschafft ihr Respekt bei den einen, Missmut bei den anderen. Denn die „FoK“ wollen Kucks Lebensleistung gewürdigt sehen: Der Ruf der Medizinmetropole stehe auf dem Spiel.

Gab es ähnliche Fälle?

Vor einigen Jahren wurde ein renommierter UKE-Professor erwischt, wie er bei seiner „Ermächtigung“ von der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) zum Behandeln von Kassenpatienten in seiner Klinik falsch abrechnete. Er behielt die Approbation. Kucks Unterstützer verweisen auf Fälle, in denen die Behörde nicht einmal Ärzten die Approbation entzogen hat, die gegen Patienten sexuell übergriffig geworden sind.

In der Bundesärzteordnung steht: Einem Arzt muss die Approbation entzogen werden, wenn er das Vertrauen der Normalbürger verspielt hat und wenn damit zu rechnen ist, dass er auch in Zukunft Vorschriften nicht beachtet. Dabei gibt es reichlich Ermessensspielraum. Ein Münchener Gericht bestätigte einen Entzug nach einem vermeintlich kleineren Abrechnungsbetrug.

Kucks prominente Anwälte

Die Kuck-Anwälte werden versuchen, das Verfahren zum Entzug der Approbation vor dem Verwaltungsgericht auseinanderzunehmen. Zu Kucks Juristenteam gehört nach Abendblatt-Informationen außer Prof. Matthias Prinz auch Bundestags-Vizepräsident Wolfgang Kubicki (FDP). Er kennt sich aus mit mehreren Instanzen. Und solange geklagt wird, darf Kuck weiter praktizieren. Vorerst bis zum 30. Juni 2019. Denn da endet sein Vertrag bei Asklepios. Kaum denkbar, dass er dann aufhört. Das Herz der anderen ist sein Leben. „Er leidet“, sagen seine Freunde.

Wie ist Asklepios mit Kuck umgegangen?

Die Promis im Kuck-Lager wollen wissen: Warum hat Asklepios nicht die schützende Hand über Kuck gehalten? „Wir haben alles getan“, beteuern Verantwortliche des Krankenhaus-Konzerns. Selbst dessen Gründer Bernard große Broermann erwähnte im Abendblatt in einem seiner raren Interviews nur einen Namen aus Dutzenden renommierten Ärzten: Kuck. Wer weiß, wie eng Broermann die Szene verfolgt und sich bisweilen persönlich in Top-Personalien einschaltet, der ahnt seinen Verdruss. Er schätzt Kuck ungemein.

Neue Ermittlungen

Zurzeit gibt es wieder Ermittlungen der Staatsanwaltschaft gegen Kuck. Laut Patientenakten, die aus seiner Privatambulanz in St. Georg gestohlen wurden, soll er bei der Abrechnung von Privatpatienten getrickst haben. Auch das Abendblatt hat die „Kucki-Leaks“ und die daraus abgeleiteten Vorwürfe eingesehen. Kuck bestreitet ein Fehlverhalten. Seine Unterstützer mutmaßen, dass die neuen Vorwürfe jetzt die alten noch einmal bestätigen sollen.

Hamburger Herz-Spezialisten erläuterten dem Abendblatt, dass die
Vorgehensweise, wie sie in den Unterlagen beschrieben wird, üblich
und legal sei. So könne Kuck selbstverständlich innerhalb weniger
Stunden Eingriffe am Herzen bei verschiedenen Patienten machen,
wenn sein Team das gut vorbereitet. Das wird in den Vorwürfen
angeprangert. Die Staatsanwaltschaft muss jetzt prüfen, ob die Vorwürfe für eine Anklage reichen.

Wer beerbt Kuck in St. Georg?

Asklepios hat vom UKE Herz-Professor Stephan Willems loseisen können, der mit einem Team auf die andere Seite der Alster ziehen wird. Im UKE, wo das Herz der Unterstützer von Kuck schlägt, ist man sauer auf den Abgänger Willems. Er musste in Eppendorf sofort seinen Kittel abgeben. „Die Ärzte-Szene ist außer Rand und Band“, sagte ein Insider dem Abendblatt. Der Fall lässt gerade die Patienten nicht los. „Ohne Prof. Kuck“, sagt Udo Lindenberg, „wäre ich tot.“

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Prof. Dr. Karl-Heinz Kuck, renommierter Kardiologe in der Asklepios Klinik St. Georg (Archivbild)
Von Jens Meyer-Wellmann und Christoph Rybarczyk