Hamburg. Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Prof. Kuck wegen Betruges. Grundlage sind auch gestohlene Patienten-Unterlagen. Die Hintergründe.

Die Hamburger Staatsanwaltschaft ermittelt gegen den renommierten Kardiologen Prof. Karl-Heinz Kuck (Asklepios St. Georg) wegen Betrugs. In Hamburg sind derzeit Dutzende sensibler Patientenakten im Umlauf, die belegen sollen, dass Kuck bei Privatpatienten betrogen hat. Die anonymen Anschuldigungen kommen angeblich von „ehemaligen Mitarbeitern“.

Sie enthalten offenbar illegal vervielfältigte Krankenhausakten von Dutzenden zum Teil prominenten Patienten, darunter Personen des öffentlichen Lebens und Künstler. Die Akten liegen auch der Ärztekammer vor. Beobachter sprechen von „Kucki-Leaks“.

Prof. Kuck: "Die Vorwürfe sind nachweislich unberechtigt"

Wie Oberstaatsanwältin Nana Frombach dem Abendblatt sagte, gebe es aber „momentan keine Ermittlungen“ wegen der Weitergabe von Patientenakten. Ob die Unterlagen, die der Staatsanwaltschaft anonym übermittelt wurden, echt seien, wisse man noch nicht.

Kuck teilte dem Abendblatt über seinen Anwalt Prof. Matthias Prinz mit: „Die Vorwürfe sind in jedem einzelnen Fall nachweislich unberechtigt. Die Abrechnungen erfolgten jeweils durch die Firma Unimed.“ Diese Firma betreut viele Chefärzte aus mehreren Häusern. Prinz sagte weiter: „Unimed ist auch ansonsten bei den Asklepios-Kliniken mit der Abrechnung betraut, sodass Herr Prof. Kuck keinen Anlass hatte, an der Richtigkeit der Abrechnungen zu zweifeln. Dies hat sich nun im Rahmen der Überprüfung auch bestätigt.“

Das steht in den entwendeten Patienten-Unterlagen

Bei den Vorwürfen geht es um Privatversicherte. In den Unterlagen ist zu sehen, dass Kuck an ausgewählten Tagen als Operateur oder 1. Untersucher eingetragen war und mehrere Elektrophysiologische Untersuchungen, Mitralklappenrekonstruktionen oder Eingriffe zum Ersatz der Aortenklappe gemacht hat. Die Patienten sind mit ihren persönlichen Details und der genauen Art der Behandlung genannt. Laut den Vorwürfen gehe es um systematischen Betrug in Millionenhöhe.

Für Kuck spricht, dass in privatärztlichen Vereinbarungen für gewöhnlich steht, dass ein dort benannter Arzt oder bei dessen Abwesenheit auch ein Stellvertreter eine Behandlung durchführen könne. Ähnliche Vorwürfe konnte der Herzspezialist bereits mit Anästhesieprotokollen widerlegen, die zeigten: Er behandelt mit seinem Team Patienten zum Teil parallel, was übliche und legale Praxis ist. Handfeste Beweise für ein Fehlverhalten finden sich nach Abendblatt-Informationen in den Unterlagen nicht. Wie die Staatsanwaltschaft das bewertet, ist offen.

"Vorwürfe gegen Asklepios werden nicht erhoben"

Asklepios sagte, Kucks Anwälte hätten das Unternehmen informiert, dass es eine anonyme Anzeige gegen ihren Mandanten gebe. „Vorwürfe gegen Asklepios werden nicht erhoben. Da es um seine privatärztliche Tätigkeit gehen soll, wurden die Abrechnungen mit den privaten Kostenträgern von ihm persönlich veranlasst. Sollte ein Ermittlungsverfahren aufgenommen werden, werden wir dieses im Rahmen unserer Möglichkeiten uneingeschränkt unterstützen“, sagte Asklepios-Sprecher Rune Hoffmann.

Der Präsident der Hamburger und der Bundesärztekammer, Prof. Frank Ulrich Montgomery, hat von den anonymen Anschuldigungen erfahren. Er sagte dem Abendblatt: „Solange eine Staatsanwaltschaft ermittelt, sind uns die Hände gebunden.“ Zum Inhalt der Vorwürfe könne er sich nicht äußern.

Hamburgs Datenschutzbeauftragter alarmiert

Der Hamburger Datenschutzbeauftragte, Prof. Johannes Caspar, sprach wegen des Datenlecks von einem ernst zu nehmenden Fall. Auch wenn man die konkreten Tatumstände noch nicht kenne und in Krankenhäusern die Sicherheitsstandards einhalte, gebe es hier vermutlich einen „massiven Datenschutzverstoß“. Caspar mutmaßt, dass ein oder mehrere Whistleblower auf Straftaten bei der ärztlichen Behandlung hinweisen wollten.

„Soweit die Whistleblower als Ärzte die Gesundheitsdaten von Patienten weitergegeben haben, steht nicht nur der Vorwurf der unzulässigen Verarbeitung von besonders streng geschützten Daten im Raum, sondern auch die Straftat einer Verletzung der ärztlichen Schweigepflicht nach Paragraf 203 des Strafgesetzbuches. Dabei wird dann zu prüfen sein, ob und gegebenenfalls inwieweit das Ziel der Aufdeckung von Straftaten gegen Vermögenswerte einen solch schweren Eingriff in Persönlichkeitsrechte der Patienten rechtfertigen kann.“

Prof. Kuck: Prominente appellieren an den Senat

Prof. Kuck ist vor einigen Wochen die Approbation entzogen worden, weil er im Jahr 2016 wegen Abrechnungsbetruges zu einem Jahr Gefängnis (auf zwei Jahre Bewährung) und einer Geldstrafe von 100.000 Euro verurteilt worden war. Damals ging es um die Behandlung von gesetzlichen Versicherten im Rahmen seiner sogenannten Ermächtigung von der Kassenärztlichen Vereinigung. Obwohl ihm die Zulassung entzogen wurde, kann Prof. Kuck weiterarbeiten. Seine Klage vor dem Verwaltungsgericht hat aufschiebende Wirkung.

Die Hamburger Gesundheitsbehörde von Senatorin Cornelia Prüfer-Storcks wollte sich nicht äußern. Sie teilte dem Abendblatt zuletzt mit, sie habe „ausschließlich nach Recht und Gesetz“ geurteilt. Man werde sich zu konkreten Verfahren (beim Approbationsentzug; die Red.) nicht äußern. Es gebe aber „keine politische Intervention“ im Fall Kuck. Neben prominenten Hamburger Ärzten aus UKE und Praxen haben sich namhafte Hamburger für Kuck eingesetzt. Sie schrieben an die Senatorin und baten um eine Überprüfung des Approbationsentzuges, der einem Berufsverbot in Deutschland gleichkomme. Asklepios hatte mit Kuck (66) vereinbart, dass sein Vertrag in St. Georg noch bis zum 30. Juni 2019 läuft.

Zu den Unterzeichnern des Appells an die Senatorin und Bürgermeister Peter Tschentscher zählen unter anderem die früheren HSV-Stars Felix Magath und Bernd Wehmeyer, Unternehmer Jürgen Großmann, die Theaterleute Jürgen Flimm, Corny Littmann und Ulrich Waller sowie Udo Lindenberg.