Hamburg. Es wird Bauschutt abgeladen, anderswo fällt der Strom aus. Senator hält Kritik für überzogen, Ploß spricht von “Schlag ins Gesicht“.
John Mönninghoffs Stimme spiegelt irgendetwas zwischen Verzweiflung und Kampfgeist wider, Trotz und Hoffnungslosigkeit. Vor allem aber Ungläubigkeit und Fassungslosigkeit. Seit 1956 ist der Marienthaler Tennis und Hockeyclub (MTHC) am Rande der Horner Rennbahn ansässig. 800 Mitglieder, 14 Tennisplätze, drei Hockeyplätze, davon ein Kunstrasen. Doch die Hockeyplätze drohen zu verschwinden, ersatzlos. „Uns wurde die Existenzberechtigung entzogen“, sagt MTHC-Präsident Mönninghoff, „wenn wir nicht mehr Hockey spielen können, stehen wir vor dem Aus.“
Das Pech des traditionsreichen Vereins, der seit 1900 existiert: Seine Anlage liegt auf städtischem Grund. Es gibt Pachtverträge seit 52 Jahren, ohne Probleme. Bis jetzt. Bis die Hamburger Hochbahn die Hockeyflächen als Lagerplatz für den Erdaushub der U4-Verlängerung Richtung Horner Geest ausgemacht hat und dabei von der lokalen Politik unterstützt wird. Der Hamburger Verkehrsverbund (HVV) und das Bezirksamt Mitte betonen, dass „nur“ die Naturrasenplätze benötigt würden.
Der Verein hat das anders verstanden. „Kurz vor Weihnachten erhielten wir die Kündigung zum 31. März“, sagt Mönninghoff, „und wir brauchen auch die Naturrasenplätze, für Turniere und perspektivisch für den Bau eines zweiten Kunstrasens. Sonst können wir nicht weiter wachsen. Die Nachfrage nach Hockey bei Kindern im Hamburger Osten ist groß.“
An der Basis hakt es immer wieder
In Hamburg ist viel von „Sportstadt“ die Rede, von „ActiveCity“. Tatsächlich werden wichtige Projekte vorangetrieben, die sportliche Infrastruktur mit Millionensummen gestärkt. Kunstrasenplätze werden gebaut, Bewegungsinseln im öffentlichen Raum geschaffen. Insgesamt will die Stadt im Doppelhaushalt 2019/ 2020 allein 14,86 Millionen Euro zusätzlich für Sportstättenbau ausgeben. Aber an der Basis, dort wo die Menschen Sport treiben sollen, hakt es immer wieder. Sport wird entgegen dem politischen Willen eben nicht überall mitgedacht.
„Unsere Hauptaufgabe ist die effektive und kosteneffiziente Verwaltung der Schulgebäude. Was nach 17 Uhr passiert, interessiert uns nicht“, erinnert sich Ulrich Lopatta vom Walddörfer SV, Sprecher der 27 Hamburger Topsportvereine, an die Aussage von Ewald Rowohlt beim Symposium „Bildung durch Sport“ Anfang November. Rowohlt ist Geschäftsführer von Schulbau Hamburg, das für die Verwaltung der Schulsporthallen verantwortlich ist.
Die gemeinsame Nutzung dieser Sporthallen von Schulen und Vereinen stößt aber immer wieder an Grenzen. „Wir brauchen funktionierende Partnerschaften von Schulen und Vereinen. Wir sind nicht schlecht, aber es geht noch mehr“, fasst Innen- und Sportsenator Andy Grote die Probleme in Diplomatensprache zusammen. Hauptproblem ist ein grundsätzlicher Webfehler der Kooperation: „Schulbau Hamburg baut im Auftrag für Schulen. Die Sportvereine sind aber zur Hälfte Nutzer der Sporthallen. Leider werden beim Sporthallenbau die Interessen der Clubs immer noch nicht genügend berücksichtigt“, klagt Lopatta.
In den Ferien müssen die Vereine die Reinigung bezahlen
Wenn nachmittags von 17 Uhr an die Vereine kommen, sind die Hausmeister oft nicht mehr im Dienst. Auch oft an Wochenenden nicht, wenn Sportveranstaltungen stattfinden. Aufgeschlossen werden die Hallen mit elektronischen Systemen, die je nach Schule und Verein nach unterschiedlichen Maßstäben herausgegeben werden. Der Walddörfer SV beschäftigt eine Arbeitskraft auf halber Stelle, um eine reibungslose Übergabe der Schlüssel zu organisieren.
In den Ferien müssen die Vereine die Reinigung bezahlen. Grün-Weiß Eimsbüttel wollte deshalb eine Halle in Stellingen am Wochenende selbst verwalten, ein Vertrag war ausgehandelt, kam aber nie von Schulbau Hamburg zurück – „die Rechtsabteilung hatte angeblich Einwände“, sagt GWE-Geschäftsführer Jürgen Hitsch.
Die Viertliga-Handballer der HG Barmbek wiederum dürfen in der Halle des Margaretha-Rothe-Gymnasiums nicht mit dem üblichen Klebharz trainieren, der das Handling der Bälle erleichtert, aber deutliche Spuren auf dem Boden hinterlässt. Diese Regelung geht auf eine Vereinbarung zwischen Schulbau Hamburg und dem Hamburger Handballverband zurück, nach der Harz nur von der Dritten Liga an aufwärts benutzt werden darf.
Neuanmeldung nötig, private Zeitpläne ändern, alles unnötiger Ärger
Das Angebot des Vereins, selbst für die Reinigung zu sorgen, wurde abgelehnt. Das ist für die ambitionierte Mannschaft, die im Sommer in die Dritte Liga Nord zurückkehren will, eine Art Wettbewerbsverzerrung. Gespräche mit Schulbau Hamburg laufen. „Wir brauchen eine hohe Kompetenz im Sportbau, die im bezirklichen Sportstättenmanagement vorhanden ist, teilweise aber nicht bei Schulbau Hamburg“, fordert Lopatta.
Wochenlang war seit Ende Dezember der Trainingsbetrieb in der Leichtathletik Halle in Winterhude unmöglich. Die Heizungsanlage war ausgefallen, erst seit dieser Woche ist sie wieder in Betrieb. „Es war fünf Grad kalt, ein ordentlicher Trainings- und Wettkampfbetrieb unmöglich“, erzählt Leichtathletik-Trainer Jürgen Krempin. Ein Kinder- und Jugend-Qualifikationswettkampf musste vom 5. auf den 26. Januar verschoben werden.
Neuanmeldung nötig, private Zeitpläne ändern, alles unnötiger Ärger. Weil das zuständige Bezirksamt Nord keinen Handwerker an der Hand hatte, der die Anlage rund um die Feiertage in Ordnung bringen konnte. Dass schon seit drei Monaten auch ein Fahrstuhl defekt ist, der Trainingsgeräte (und Rollstuhlfahrer) transportieren könnte, nehmen die Trainer nur noch resigniert zur Kenntnis.
Viele Sportvereine fühlen sich als Bittsteller
Weitere Beispiele für fehlendes Mitdenken und -planen gibt es zahlreich. Im neuen Sportpark Bahrenfeld mit vier Kunstrasenplätzen fehlte wochenlang der Strom, weil eine Stromtrasse nicht gelegt werden konnte. Es gibt keine Heimspielstätten für neu geschaffene Fußballclubs. Landesligist Inter Hamburg musste zuletzt abmelden. Der HFC Falke weiß laut Präsidentin Tamara Dwenger nicht, „wo wir nächsten Winter trainieren sollen“. Es gibt keinen Trainingsplatz mit Flutlicht. Ein Vorstoß beim Bezirksamt Eimsbüttel brachte „Verständnis“, aber auch die Auskunft: „Im Bezirk gibt es keine Möglichkeit.“
Für Dwenger bleibt da nur die Erkenntnis: „Ich würde niemandem raten, in Hamburg einen neuen Verein zu gründen.“ Das Fazit Lopattas : „Viele Sportvereine fühlen sich immer noch als Bittsteller und nicht als gleichberechtigter Partner bei der Nutzung von Sportraum, obwohl die Politik eine kostenfreie Nutzung der Flächen garantiert.“
Nächste Woche hat John Mönninghoff einen Termin bei Bezirksamtsleiter Falko Droßmann. Grundsätzlich soll dem Marienthaler THC kein Schaden entstehen, heißt es aus der Verwaltung.
„Es ist eine Aufgabe für Profis, die unterschiedlichen Interessen in einer Großstadt unter einen Hut zu bekommen“, sagt Sportstaatsrat Christoph Holstein. „Ich schätze Schulbau Hamburg als Partner, der neben den Interessen der Schulen auch die des Sports im Auge hat. Wir sollten niemals verlernen, Kompromisse zu schließen – und uns dann an sie zu halten.“
Dressel hält Kritik für nicht gerechtfertigt
Finanzsenator Andreas Dressel reagierte am Sonnabend via Twitter: Der SPD-Politiker erklärte, "bei dreistelligen Millionenbeträgen für neue/sanierte Sportstätten" sei die Kritik an Schulbau Hamburg "so nicht gerechtfertigt". Anders Christoph Ploß: Der Bundestagsabgeordnete der CDU erklärte am Sonnabend – ebenfalls via Twitter – die aktuelle Situation sei "ein Schlag ins Gesicht der Sportstadt Hamburg und der Hockeyfans".