Hamburg/Lübeck/Travemünde. Sturmtief “Benjamin“ hat Norddeutschland verlassen – mit viel Wind, aber ohne größere Schäden zu verursachen.

Die Sturmflut an der schleswig-holsteinischen Ostseeküste am Mittwoch hat – ebenso wie am Tag zuvor in Hamburg – keine größere Schäden angerichtet. „Im Vergleich zur Sturmflut in der vergangenen Woche ist es diesmal glimpflich verlaufen“, sagte ein Sprecher der Feuerwehr Lübeck. In der Hansestadt, deren Altstadt zum Unesco-Welterbe gehört, wurden einige Straßen überflutet - etwa im Bereich der Obertrave und des Bauhofs. „Die Bewohner, Laden- und Restaurantbesitzer waren aber vorbereitet und hatten ihre Häuser mit Sandsäcken oder Hochwasserschotts geschützt.“

Teile der Lübecker Altstadt standen unter Wasser

Der Pegelstand habe um 9.00 Uhr um 1,13 Meter über dem mittleren Wasserstand gelegen. Seit Mittag sanken die Pegelstände. "In der Altstadt betrug der Höchststand 1,36 Meter über dem mittleren Wasserstand", sagte der Feuerwehrsprecher. Dies sei eine mittlere Sturmflut gewesen, wie sie Lübeck immer wieder mal treffe, sagte der Sprecher. Es sei keine große Sturmflut gewesen. Hierfür ist ein Hochwasserstand von mindestens 1,50 Meter über mittlerem Wasserstand nötig.

Das Wasser der Trave hat Bereiche der Lübecker Altstadt überflutet.
Das Wasser der Trave hat Bereiche der Lübecker Altstadt überflutet. © dpa

In Lübeck hätten die meisten Bürger gelassen reagiert. An der Lübecker Obertrave lagen die Sandsäcke griffbereit am Straßenrand, an der Musikhochschule und anderen Gebäuden waren die Eingänge mit Hochwasserschotts verbarrikadiert. In Lübeck-Travemünde sei zum Teil die Trave-Promenade überflutet worden. In Heiligenhafen wurde die Landzunge Graswarder, ein Naturschutzgebiet überflutet. In Flensburg schwappte Wasser nur an einigen Stellen über die Kaimauer. Straßen waren nicht gesperrt.

Nur auf dem Brocken und auf Spiekeroog ein Orkan

Auch in Niedersachsen hat "Benjamin" keine größeren Schäden angerichtet. An der Küste wurden Hafenbereiche überflutet, im Binnenland knickten Äste ab oder fielen Bäume um. Vielerorts fegten stürmische Böen bis 70 Kilometer pro Stunde über das Land. Auf dem 1141 Meter hohen Brocken im Harz war der Wind doppelt so schnell unterwegs und galt damit als Orkan. Auf der ostfriesischen Insel Spiekeroog wurden Orkanböen von 119 km/h (12 Beaufort) gemessen. Die Inselfähren nahmen am Mittwoch ihre Fahrpläne wieder auf, lediglich die Verbindung nach Helgoland blieb unterbrochen.

Glück hatte ein Busfahrer in Verden, als am Dienstag eine Birke gegen die Front seines leeren Linienbusses fiel: Der Mann blieb ebenso unverletzt wie ein 73 Jahre alter Autofahrer in Wilhelmshaven, dessen Wagen von einem umstürzenden Baum getroffen wurde. Ohne Verletzungen kamen auch 13 Reisende davon, als ihre S-Bahn zwischen Stade und Buxtehude in der Nacht zum Mittwoch gegen einen auf dem Gleis liegenden Baum prallte.

Weniger Sand auf den Inseln, mehr Schnee im Harz

An den Küstenschutzbauwerken gab es nach einer ersten Bilanz des Landesbetriebs NLWKN keine gravierenden Schäden. Dünenabbrüche und Verluste von Strandaufspülungen wurden auf Norderney, Spiekeroog und Langeoog gemeldet. Auf Wangerooge entstanden meterhohe Abbrüche direkt an der Promenade. Bürgermeister Marcel Fangohr (parteilos) rechnet mit mehr als 100.000 Euro Schaden und weiteren Folgekosten für das Heranfahren von neuem Sand aus dem Osten der Insel.

Der Sturm ließ im Harz reichlich viel Schnee stöbern. In Harzgerode wurden sieben Zentimeter gemessen. Auf dem Brocken wuchs die Schneedecke binnen eines Tages von 75 auf 103 Zentimeter, wie ein Sprecher des Deutschen Wetterdienstes (DWD) am Mittwoch in Leipzig sagte. Das führte auch zu Schneeverwehungen, in denen schließlich eine Lok der Harzer Schmalspurbahn (HSB) steckenblieb. Beschäftigte waren stundenlang mit einer Schneefräse im Einsatz, um die Zugmaschine und drei Waggons freizubekommen. Der reguläre Bahnbetrieb zum Brocken und zurück fiel daher aus.

Suche nach havarierten Containern fortgesetzt

Unterdessen setzte das Havariekommando die unterbrochene Suche nach verloren gegangenen Containern des Frachters „MSC Zoe“ wieder fort. Daran seien ein Ölüberwachungsflugzeug und ein Hubschrauber der Bundespolizei beteiligt gewesen, sagte eine Sprecherin in Cuxhaven. Bei nachlassendem Wind und Wellengang sollten Spezialschiffe vor der deutsch-niederländischen Küste kreuzen.

Auf den Inseln und am Festland wurde zudem nach Treibgut aus der Containerladung gesucht. Auf Borkum wurden rund 15 bis 20 Kubikmeter Treibgut gesichtet, die in Kürze geborgen werden sollten. Vereinzelt landeten auch Ladungsreste wie Fahrradbleche aus Kunststoff, Seifenspenderköpfe und Verpackungsreste auf den Inseln Norderney und Juist an

Hamburg bekam "Benjamin" schon am Dienstag zu spüren

Zwischen Stade und Buxtehude fuhr in der Nacht zu Mittwoch eine S-Bahn der Linie S3 gegen einen auf dem Gleis liegenden Baum. Wie die Polizei mitteilte, sei der Baum bei Dollern durch den Sturm auf das Gleis gestürzt. Keiner der 13 Reisenden in der Bahn wurde verletzt. Am Mittwochmorgen war nur ein Gleis auf der Strecke befahrbar. Die S-Bahn hatte einen Ersatzverkehr mit Bussen eingerichtet.

Fischmarkt vorübergehend unter Wasser

Hamburg hatte bereits am Dienstag die erste Sturmflut des Jahres erlebt. Die Elbe überflutete ab dem späten Nachmittag Teile des St.-Pauli-Fischmarkts. Der Scheitel sei nach 17.30 Uhr mit 2,08 Metern über dem mittleren Hochwasser erreicht worden, sagte ein BSH-Sprecher. Damit war der Fischmarkt vorübergehend bis zu einem halben Meter unter Wasser.

Die Feuerwehr in der Hansestadt musste bis Mitternacht zu 23 sturmbedingten Einsätzen ausrücken. So war in Harburg eine zehn Meter hohe Buche auf drei Autos gefallen. In Wilhelmsburg habe sich auf dem Dach einer 2000 Quadratmeter großen Kühlhalle 30 Zentimeter Wasser gesammelt, das von der Feuerwehr abgepumpt wurde, sagte ein Sprecher. Aber für Hamburg sei das alles nichts Besonderes gewesen. Das BSH hatte im Elbegebiet vor einem Pegelstand von 1,5 bis 2 Metern über dem mittleren Hochwasser gewarnt.

Am Wochenende kommt der nächste Sturm

An den Küsten von Nord- und Ostsee soll es allerdings weiterhin stürmisch bleiben. Der Wind flaut nach Einschätzung des DWD in der Nacht auf Donnerstag kurzzeitig ab, bevor "am Wochenende wieder Sturm angesagt" ist.

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