Hamburg. CDU spricht beim Neujahrsempfang des Abendblatts von „vernichtender Bilanz“, Rot-Grün sieht sich auf richtigem Kurs.
Zum Neujahrsempfang des Senats am 1. Januar hatte Oppositionsführer André Trepoll noch zwei Bobbycar-Ferraris mitgebracht: Ein Geschenk für die Zweite Bürgermeisterin und Zwillingsmama Katharina Fegebank – und eine Anspielung auf die aus CDU-Sicht unzureichende Verkehrspolitik des Senats. Zum Abendblatt-Empfang kam Trepoll ohne Spielzeug-Rennwagen. An seiner grundsätzlichen Kritik hielt der CDU-Politiker indes fest. Die rot-grüne Bilanz sei „vernichtend“, durch die ständigen Staus entstünde ein volkswirtschaftlicher Schaden von 3,5 Milliarden Euro im Jahr. Der Senat setze auf Zwang und Umerziehung: „Hamburg ist aber zu groß, um eine reine Fahrradstadt zu werden.“
Grünen-Fraktionschef Anjes Tjarks sah dies naturgemäß anders. Den Höhenflug seiner Partei in Umfragen erklärte er auch mit dem klaren Bekenntnis zur Verkehrswende. Das Fahrrad sei selbst im Winter sehr wohl eine Alternative: „Ich bin heute Morgen auch zum Empfang geradelt. Das Wetter in Norddeutschland ist weit besser als sein Ruf.“ Ebenso wichtig wie der Ausbau von Fahrradwegen sei die Stärkung des HVV: „Wir brauchen neue Strecken, bessere Takte. Wir müssen Lust darauf machen, mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu fahren.“ Für Manfred Braasch, Geschäftsführer des BUND Hamburg, verträgt sich dieses Ziel indes nicht mit der neuerlichen Erhöhung der Tarife: „Das ist kontraproduktiv.“ Hamburg müsse viel stärker darauf drängen, den Autoverkehr in der City unattraktiver zu machen.
Stadtplaner plädiert für weniger Autoverkehr
Auch der Architekt und Stadtplaner André Poitiers plädiert für weniger Autoverkehr: „Neben einer sechsspurigen Straße radelt es sich auch auf dem Fahrradweg schlecht. Da verschlägt es einem nämlich den Atem.“ Poitiers befürwortet überall gebührenpflichtige Parkplätze, auch in den Wohnvierteln: „Warum müssen in manchen Stadtvierteln Bewohner Tiefgaragenplätze mieten oder kaufen, in anderen Gegenden bezahlt man fürs Anwohnerparken, und wieder woanders parkt man kostenlos, obwohl dort auch öffentlicher Raum durch Autos besetzt wird. Gerade diese Autos sind es, die in die Innenstädte drängen.“
Das Thema Wohnen dominierte natürlich auch viele Diskussionen beim Neujahrsempfang. Andreas Breitner, Direktor des Verbands norddeutscher Wohnungsunternehmen (VNW), lobte die Rede des Chefredakteurs Lars Haider: „Es war wichtig, dass er noch einmal deutlich gemacht hat, wie wichtig das Thema Wohnen für Hamburg ist.“ Es sei auch positiv, dass die Parteien Wohnungspolitik für sich entdeckt hätten: „Torschlusspanik und populistische Lösungen wie eine Mietpreisbremse oder das Einfrieren von Mieten führen aber nicht zu mehr bezahlbaren Wohnungen. Sie treffen vor allem jene Wohnungsunternehmen, die langfristig zu fairen Mieten bezahlbaren Wohnraum anbieten.“ Die sinkende Zahl von Baugenehmigungen (das Abendblatt berichtete) nannte Breitner besorgniserregend: „Diese Zahlen sind mehr als ein Alarmsignal. Sie stehen im Widerspruch zur Verschärfung der Mietpreisbremse und den Versprechen der Parteien. Entlastung bringt nur der Bau von bezahlbaren Wohnungen.“
Braasch forderte Kurswechsel
Stefan Wulff (Bauunternehmung Otto Wulff) sieht einen möglichen Weg zu mehr Wohnungsbau darin, bislang gewerblich genutzte Flächen umzuwidmen. Solche gebe es beispielsweise in Wandsbek. Wulff hält es auch für sinnvoller, Kleingärten in Oberbillwerder anzusiedeln, statt dort wie geplant einen neuen Stadtteil zu entwickeln. Die Wohnungen könne man stattdessen auf den frei werdenden Kleingartenflächen bauen. „Man kann wegen der Bodenbeschaffenheit in Oberbillwerder nicht preiswert bauen.“
Dorothee Stapelfeldt, Senatorin für Stadtentwicklung und Wohnen, verteidigte den Kurs des Senats. Oberbillwerder werde ein attraktiver Stadtteil für alle, mit bezahlbaren Wohnungen mitten im Grünen. Auch die neue Grundstücksvergabe werde sich positiv auswirken. Der Senat will städtische Grundstücke vor allem in Erbpacht vergeben und nicht mehr verkaufen: „Wir brauchen Investoren, die weitsichtig denken. Das Gut Boden ist nicht beliebig vermehrbar.“
Braasch forderte dagegen für den BUND einen Kurswechsel in Richtung Ökologie: „Die politische Schlagzahl von 10.000 Wohnungen bestimmt die Agenda. So entstehen Wohngebiete zulasten der Natur.“ Dagegen sei das Potenzial im Bestand noch lange nicht ausgeschöpft. Weitere Aufstockungen seien möglich, beseitigen müsse man auch die Fehlbelegung durch Arztpraxen und Gewerbe. Wichtig sei klimafreundliches Bauen: „Wir erfüllen leider nur die Mindeststandards.“