Hamburg . Vor dem Rathaus demonstrierten mehrere Hundert Menschen gegen die AfD, drinnen applaudierten mehrere Hundert weitere.

Der Mann polarisiert derzeit wie kaum ein zweiter Politiker in Deutschland. Wenn der AfD-Bundesvorsitzende Alexander Gauland öffentlich auftritt, ruft er häufig Protest aus dem linken Spektrum hervor. Auch vor dem Hamburger Rathaus, wo Gauland am Donnerstagabend auf Einladung der AfD-Bürgerschaftsfraktion sprach, hatten sich mehrere Hundert Demonstranten versammelt, die Gauland unter anderem die Bezeichnung „Vogelschiss“ für die Nazi-Barbarei, den Vorwurf, die Merkel-Regierung betreibe eine „Umvolkung“ oder seine Aussage, niemand wolle neben dem dunkelhäutigen Fußballspieler Jérôme Boateng wohnen, vorwarfen.

„Hoch die Internationale Solidarität“ und „No borders no nations“ skandieren die Demonstranten am Rande des Weihnachtsmarktes. Einige Demonstranten schafften es sogar bis in die Rathausdiele, wo „Nazis raus“-Rufe zu hören waren. Auch im Saal gab es anfangs eine kurze Störung durch Zwischenrufe. Zuvor waren die Protestler einem Aufruf des Bündnisses „Nationalismus ist keine Alternative“ gefolgt und friedlich vom Hauptbahnhof vor das Rathaus gezogen.

Großer Andrang bei Gauland-Rede im Rathaus

Auf der anderen Seite „zieht“ der Name Gauland: Mit rund 600 Gästen war der Große Festsaal im Hamburger Rathaus so voll wie nur selten bei politischen Veranstaltungen. Manch einer hatte sich vermutlich knackige Äußerungen Gaulands zu aktuellen Themen erhofft. Doch die ließ der AfD-Vorsitzende zunächst beiseite und widmete sich in seiner rund 45-minütigen Rede der Frage: „Was ist konservativ?“

Das sei in Deutschland eine besonders schwierige Frage, da der deutsche Nationalstaat erst spät entstanden sei und der Begriff Konservatismus durch die Nazis diskreditiert worden sei. Überhaupt grenzte sich Gauland mehrfach demonstrativ vom Nationalsozialismus ab – wohl auch eine Spätfolge seiner missverständlichen „Vogelschiss“-Äußerungen.

Den größten Applaus gab es immer dann, wenn die Sprache auf das Thema Einwanderung kam. „Ich bin deutsch. Und wer die deutsche Kultur zerstören will, dem sage ich: Fahr zur Hölle“, rief eine nach eigenen Angaben 68 Jahre alte Zuhörerin. Sie erhielt ebenso donnernden Applaus wie Gauland für seine Antwort: „Sie haben völlig recht. Man muss die deutsche Kultur verteidigen.“

Gauland: Flüchtlingswellen sind keine Chance

Als Problem skizzierte er, dass die deutsche Wirtschaft nicht mehr wie früher auf der Seite der Ordnungsmacht stehe, sondern sich aus egoistischen Motiven für Zuwanderung ausspreche. „Aber wir, die Menschen, müssen uns mit den Folgen herumschlagen.“

Auf die Frage eines jungen Mannes, ob die von Alexander Gauland prophezeite Altersarmut nicht durch Zuwanderung aufgehalten werden könne, erwiderte der AfD-Chef: „Nein, ich sehe Flüchtlingswellen nicht als Chance.“ Man dürfe Zuwanderung aus wirtschaftlichen Gründen und Asylpolitik nicht vermengen.

Das Parteiausschlussverfahren gegen die umstrittene schleswig-holsteinische AfD-Landesvorsitzende Doris von Sayn-Wittgenstein, die den Holocaust verharmlost haben soll. verteidigte Gauland: Ihre Äußerungen würden der Partei schaden.