Hamburg. Vor dem Prozess um die Elbchaussee-Krawalle stellt die Anklagebehörde gegen Anne Meier-Göring einen Befangenheitsantrag.
Vor dem Prozess um die Krawalle auf der Elbchaussee während des G-20-Gipfels knirscht es mächtig in der Justiz. Und wieder gibt es Zoff um Anne Meier-Göring – sie ist die Vorsitzende Richterin in dem Elbchaussee-Fall und hat die Arbeit der Ermittlungsbehörden mehrfach scharf kritisiert. Vor wenigen Tagen hat die Hamburger Staatsanwaltschaft einen Befangenheitsantrag gegen die Richterin und ihre zwei Beisitzer gestellt – mit dem Ziel, dass eine andere Strafkammer das Verfahren übernimmt. Dass die Anklagebehörde ein Ablehnungsgesuch stellt und das noch vor Prozessbeginn, sei ein „ungewöhnlicher Vorgang“, sagte Gerichtssprecher Kai Wantzen dem Abendblatt.
Von Dienstag an verhandelt Meier-Görings Kammer gegen fünf Angeklagte, die an den Krawallen auf der Elbchaussee beteiligt gewesen sein sollen. Bei dem Aufmarsch von rund 220 Autonomen waren am Morgen des 7. Juli 2017 19 Autos angezündet worden. Den vier deutschen (18, 18, 22, 24) und einem französischen Angeklagten (23) werden Landfriedensbruch, Brandstiftung, gefährliche Körperverletzung und Verstoß gegen das Waffengesetz vorgeworfen.
Klatsche für die Kammer von Meier-Göring
Was war passiert? Am 2. November hatte die Kammer von Meier-Göring die Fortdauer der U-Haft für die 22 und 24 Jahre alten Angeklagten zu prüfen. Um einschätzen zu können, ob U-Häftlinge im Fall einer Haftentlassung das Weite suchen, ist es üblich, dass sich das Gericht vorläufig und nach Aktenlage zur Straferwartung äußert – je höher die Strafe, desto höher die Fluchtanreize. Sie gehe im „schlimmsten Fall von drei Jahren Freiheitsstrafe aus“, sagte Meier-Göring, so zumindest hörte es der Vertreter der Staatsanwaltschaft.
Gegen die am 9. November angeordnete Haftverschonung legte die Anklagebehörde Beschwerde beim Oberlandesgericht (OLG) ein, am 30. November lag der Beschluss vor – eine Klatsche für die Kammer von Meier-Göring. Die Angeklagten hätten in der U-Haft zu verbleiben, so das OLG, bei einer Verurteilung sei mit einer Freiheitsstrafe im „oberen Bereich des Strafrahmens von sechs Monaten bis zehn Jahren“ zu rechnen. Wegen dieser Diskrepanz und weil Meier-Göring aus Sicht der Staatsanwaltschaft nicht deutlich gemacht hatte, dass es sich bei der Straferwartung von maximal drei Jahren lediglich um eine „vorläufige Einschätzung“ handelte, stellte die Anklagebehörde den Befangenheitsantrag. Wörtlich heißt es darin: „Die Kammer hat erkennbar die Dimension der verfahrensgegenständlichen Tat aus dem Blick verloren.“ Eine andere Kammer am Landgericht lehnte den Antrag allerdings kurz darauf ab.
Pikant: In der Vergangenheit eckte Meier-Göring mehrmals bei Staatsanwaltschaft und Polizei an. Als sie vor zwei Jahren drei wegen der sogenannten Silvesterübergriffe angeklagte Männer freisprach, warf sie der Polizei im Urteil eklatante Ermittlungsfehler vor. Nach der Schelte kritisierten wiederum Generalstaatsanwalt Jörg Fröhlich und Polizeipräsident Ralf Martin Meyer in einer gemeinsamen Mitteilung die Richterin für ihre Äußerungen. Erst vor sechs Wochen rügte die umstrittene Richterin die Polizei erneut. Die Ermittlungen der Sondereinheit „Cold Cases“ zu einem Mordversuch vor 38 Jahren seien derart „fehlerhaft“, dass die Indizien „wenig Beweiskraft“ hätten. Meier-Göring sprach den Angeklagten frei.