Hamburg. Gutachten kritisiert Beteiligungsgeflecht und fehlende zentrale Steuerung. Senat will Verbesserungen erarbeiten.
Die Freie und Hansestadt Hamburg ist mit mehr als 1,8 Millionen Einwohnern nicht nur die zweitgrößte Stadt Deutschlands. Als Konzern betrachtet, ist sie auch eines der größten Unternehmen der Republik: Rund 400 Firmenbeteiligungen, 120.000 Mitarbeiter, eine Bilanzsumme von 90 Milliarden Euro – Werte eines mittelgroßen DAX-Konzerns.
Doch bei der Steuerung und Kontrolle dieses weit verzweigten Geflechts, das vom Schülerforschungszentrum über klassische öffentliche Unternehmen wie die Hochbahn oder die Saga bis hin zu Weltkonzernen wie der Reederei Hapag-Lloyd reicht, hapert es in Teilen offensichtlich. Zu dem Ergebnis kommt jedenfalls die renommierte Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young (EY). Sie hatte im Auftrag der Finanzbehörde ein Gutachten über die Hamburger Beteiligungsverwaltung erstellt, das nun vorliegt.
Im Kern kritisieren die EY-Experten die „hohe Aufgabenfragmentierung“ und fordern folglich mehr zentrale Steuerung durch den Senat: „Kleinstorganisationen sowie unzureichende Aufgabenbündelung sind Effizienz- und Professionalisierungshemmnisse“, heißt es. Zentrale Vorgaben durchzusetzen sei derzeit aber schwierig, denn in den Fachbehörden herrsche „ein unterschiedliches Verständnis“ zu dem Thema. Die von den Unternehmen an die Finanzbehörde übermittelten Daten seien „teilweise inkorrekt und unvollständig“, vorgegebene Bilanzkennzahlen wie EBIT (Gewinn vor Steuern) „werden in der Praxis wenig verwendet“, feste Fristen „werden teilweise nicht eingehalten“. Die Zahl oder Sinnhaftigkeit der Beteiligungen erörtern die Gutachter allerdings nicht, das war nicht ihre Aufgabe.
Kritik des Rechnungshofs
Doch auch die Finanzbehörde bekommt einiges ins Stammbuch geschrieben: Eine regelmäßige kritische Prüfung des Firmenbestands erfolge „nicht in angemessenem Maße“, die Auswirkungen des Unternehmertums auf den städtischen Haushalt werde „nur in Ansätzen“ überprüft. Es gebe keine „Gesamtrisikoschau“ und „keine zentrale Instanz“, die auf die Einhaltung zentraler Vorgaben „hinwirkt und diese kontrolliert“, so die Gutachter. Man hört zwischen den Zeilen förmlich ihr Erstaunen, wenn sie notieren: „Eine strategische Gesamtsteuerung ist bislang nicht vorgesehen.“ Die Experten schlagen daher vor, einen neuen „Portfolioanalysebereich“ zu gründen.
Der Auftrag an Ernst & Young geht auf eine Kritik des Rechnungshofs zurück, der 2016 die stark gestiegene Zahl öffentlicher Beteiligungen angeprangert hatte. „Das Gutachten bestätigt Mängel in der Kontrolle der Unternehmensbeteiligungen der Stadt“, sagte Thilo Kleibauer (CDU). „Jetzt muss zügig sichergestellt werden, dass zentrale Vorgaben für öffentliche Unternehmen auch überall eingehalten werden.“ FDP-Fraktionschef Michael Kruse sieht es ähnlich: „Das EY-Gutachten zeigt deutlich die Schwachstellen des städtischen Beteiligungsmanagements. Es mahnt zu Recht die Überprüfung des Beteiligungsportfolios an. Die mangelnde Verzahnung zwischen Fachbehörden und Finanzbehörde führt zu einem immer größeren Durcheinander. Das muss sich dringend ändern.“
Kruse kann das auch mit aktuellen Zahlen unterlegen: Einer Großen Anfrage der FDP zufolge, die heute auf der Tagesordnung der Bürgerschaft steht, war die Stadt Ende 2017 an exakt 399 Unternehmen beteiligt – rund 20 Prozent mehr seit 2011, aber etwas weniger als noch 2015 (406). „Die Ausweitung der Staatswirtschaft nimmt in Hamburg immer bedrohlichere Formen an“, sagt Kruse dennoch. Dabei würden die Verluste der Stadt Hamburg „in schwindelerregende Höhen“ wachsen: „Allein in den letzten drei Jahren hat die Stadt mehr als 400 Millionen Euro Miese mit öffentlichen Unternehmen gemacht“, so Kruse.
Finanzsenator nimmt die EY-Kritik an
Dass der Senat diese Verluste auf den „Sondereffekt“ HSH Nordbank zurückführt, ohne den die Ergebnisse positiv ausgefallen wären, lässt Kruse nicht gelten: „Jeder Unternehmer hätte bei einem solchen Ergebnis längst den Hut nehmen müssen.“ Es sei „dringend an der Zeit für eine städtische Beteiligungsstrategie und eine Reduzierung des Beteiligungsportfolios“.
Finanzsenator Andreas Dressel (SPD) nimmt die EY-Kritik an: „Das Gutachten macht deutlich, dass wir die Beteiligungssteuerung auch in der Finanzbehörde stärken müssen“, sagte er dem Abendblatt. Dressel setzt nun ein behördenübergreifendes Projekt ein, in dem Verbesserungen erarbeitet werden sollen. „Mir ist wichtig, die gesamtstädtischen Ziele auch bei unseren Beteiligungen im Blick zu behalten.“
CDU-Experte Kleibauer stört sich allerdings daran, dass dieses „Projekt“ auf drei Jahre angelegt ist: „Hier darf der Senat nicht auf Zeit spielen.“