Hamburg. Oberbillwerder – autoarm, grün, sportlich. Die Stadt präsentiert die konkreten Züge des umstrittenen Projekts.
Die Erwartungen an Hamburgs neuen, nunmehr 105. Stadtteil könnten kaum höher sein. Die künftigen Bewohner von Oberbillwerder sollen gesund leben, im Grünen wohnen, dem Wasser nah sein, möglichst wenig Auto fahren, quirlige Urbanität spüren und doch im Einklang mit der gewachsenen Kulturlandschaft um sie herum siedeln.
Mit dem just vorgestellten Masterplan für das neue Viertel nimmt der Aufbruch im Osten der Metropole konkrete Form an. In den kommenden 15 Jahren entstehen auf 124 Hektar Wiesen und Feldern knapp 7000 Wohnungen und 5000 wohnverträgliche Arbeitsplätze, wovon 3000 schon die Schulen, 14 Kitas, Sozialeinrichtungen und Sportvereine bringen sollen. Zielgruppe sind junge Familien, gebaut werden soll im Drittelmix aus Eigentum, freiem Markt und öffentlich geförderten Wohnungen. Eine Quote von 20 Prozent Baugemeinschaften werde angestrebt, bisher gebe es eine konkrete Interessensbekundung. Beim durchaus umstrittenen „Bauen auf der grünen Wiese“ sollen allem Anschein nach die Fehler der Vergangenheit vermieden werden, einen Stadtteil aus der Retorte soll es nicht geben.
Fünf charakterlich unterschiedliche kleine Quartiere
Verkürzt sieht der Masterplan, der den überarbeiteten Siegerentwurf eines dänisch-niederländisch-deutschen Planungsteams darstellt und heute von Bausenatorin Dorothee Stapelfeldt, Oberbaudirektor Franz-Josef Höing, Bergedorfs Bezirksamtsleiter Arne Dornquast und IBA-Hamburg-Geschäftsführerin Karen Pein präsentiert wird, fünf charakterlich unterschiedliche kleine Quartiere vor, die zusammen das große Ganze, den neuen Stadtteil Oberbillwerder bilden. Unterteilt wird das Viertel demnach in ein zentrales BahnQuartier mit hoher Dichte an der S-Bahn-Station Allermöhe, das als Entree mit Platz und „Rambla“ fungiert. Einem Blauen Quartier im Westen, das mit Kanälen und Gräben den Wasserbezug herstellt, und einem AgriQuartier im Norden, das mit Gewächshäusern, Kleingärten und Townhouses einen „sanften“ Übergang in die Feldmark markieren soll.
Im Osten sind schließlich ein Grünes und ein ParkQuartier geplant, die ineinandergreifend Bildungszentrum und „Aktivitätspark“ mit Sportplätzen beheimaten. Der neue Stadtteil werde nicht nur elementarer Teil der „Active City“, die den Fokus auf Gesundheit und Bewegung legt. Als „Connected City“ wird auch fußgänger- und radfreundlich, kurz: „autoarm“ geplant. Die IBA Hamburg, die den neuen Stadtteil entwickelt, rechnet mit 0,4 bis 0,6 Stellplätzen pro Wohneinheit.
„Stadt der kurzen Wege“
Der Masterplan sieht eine „Stadt der kurzen Wege“ vor, in der keine geparkten Autos den öffentlichen Raum verstellen und flächendeckend Tempo 30 gilt. Dafür werden in elf Parkhäusern 3500 Plätze zur Verfügung gestellt, von denen die Bewohner auf Rädern oder mit anderen Verkehrsmitteln bis zur Haustür kommen. Drei sogenannte „Mobility Hubs“ fungieren dabei als Umsteigebahnhöfe mit Carsharing oder Nahversorgung im Erdgeschoss und werden über einen Mobilitätsring miteinander verbunden. Kleine Straßen sollen sich von dort wie Äderchen in die Wohnquartiere ziehen. Für Schulen und Schwimmbad werden eigene Stellplätze eingeplant. Um die Zufahrtsstraßen zu entlasten, wird der Stadtteil über drei Wege aus Osten, Westen und Süden erschlossen.
Auch die Entwässerung sei laut Plan zukunftsweisend. Ein Wasserlauf im Norden soll Starkregen aufnehmen und per Kippwehr in eine Aufweitung führen, die Gräben und Kanäle würden gleichzeitig als Gestaltungsmerkmal dienen. Kernstück sei aber der „grüne Loop“ als tiefste Stell – eine Parkfläche, die bei Bedarf geflutet werden kann.
„Neues, lebendiges Stadtquartier“
Ungeachtet der Kritik der Bezirks- CDU und der Initiative „Nein zu Oberbillwerder“, die mehr als 3000 Unterschriften gesammelt haben und den Verlust von Tierarten, die Versiegelung der Fläche oder die Zerschneidung der Landschaft befürchtet, sprach Bausenatorin Dorothee Stapelfeldt davon, dass Oberbillwerder zeigen möchte, „wie verantwortungsvolle Stadtentwicklung im 21. Jahrhundert aussieht“. Ausgerichtet an den Bedürfnissen heutiger Stadtbewohner, die auf eine naturnahe, autoarme und trotzdem mobile, architektonisch ansprechende, ökologisch vorbildliche und, ganz wichtig, bezahlbare Umgebung Wert legen.
Auch Oberbaudirektor Franz-Josef Höing lobte den Masterplan als „gute Grundlage für ein neues lebendiges Stadtquartier, unterschiedlichste Wohnlagen, Schulen und Kindergärten, neue Arbeitsorte und Freiräume.“ Naturgemäß fand auch Karen Pein, Geschäftsführerin der IBA Hamburg GmbH, nur Wohlwollen für ihren eigenen Entwicklungsansatz: „Oberbillwerder wird ein Stadtteil, der seinesgleichen sucht.“ Er werde es schaffen, urbanes Leben an den Stadtrand zu bringen und dabei doch kleinteilige, heimelige Nachbarschaften bilden.
Nach neun Veranstaltungen mit 3000 Teilnehmern sieht Arne Dornquast, Bezirksamtsleiter Bergedorf, das Projekt auf einem guten Weg, die Bürgerbeteiligung soll fortgesetzt werden. „Mir ist wichtig, dass alle Bergedorfer wissen, wie ihr neuer Stadtteil aussehen wird. Es wäre schön, wenn sie ihre Fragen zu Oberbillwerder stellen.“