Hamburg. IG Metall ruft zu Trauermarsch um Firmengelände in Ohlsdorf auf. Konzern will 215 Vollzeitstellen ins Ausland verlagern.

Der Himmel ist grau in grau. Die Temperatur liegt knapp über der Frostgrenze. Und der Wind weht eisig. Dennoch haben sich an diesem Mittwochvormittag Hunderte Philips-Mitarbeiter vor dem Werktor in Ohlsdorf versammelt. Kurz nach 10 Uhr greift Frank Schwarz zum Megafon. „Es ist ein Unding, was hier auf diesem Gelände passiert“, sagt der Betriebsrat und Vertrauensmann der IG Metall. „Wir wehren uns dagegen, dass der Standort Hamburg schmilzt und die Arbeitsplätze verlagert werden.“

Es ist erst wenige Tage her, dass der Elektronik- und Medizintechnikkonzern seine Pläne in einer kurzfristig einberufenen Versammlung den Beschäftigten verkündete. 215 Vollzeitarbeitsstellen will Philips in Hamburg streichen. Ein großer Teil der Produktion von Röntgensystemen soll nach Best in den Niederlanden verlagert werden. Zudem soll ein Teil der Entwicklungsarbeit künftig in Indien stattfinden, auch der Standort Suzhou in China soll Arbeitspakete übernehmen. Schwarz fordert die Beschäftigten zum Trauermarsch rund um das Firmenareal auf, „damit alle sehen: Nicht mit uns!“

IG Metall spricht von 350 Demonstranten

Der Tross setzt sich in Bewegung. Die IG Metall spricht von 350 Demonstranten, die Polizei von 200. Von der Röntgenstraße geht es über Suhrenkamp und Sengelmannstraße zurück vors Werktor. Vorne an der Spitze des Zuges läuft Uwe Langer. Der 58-Jährige ist seit 1990 bei Philips und Betriebsrat. Er trägt – passend in diese Jahreszeit mit Volkstrauertag am vergangenen und Totensonntag am nächsten Sonntag – einen Kranz mit weißen Rosen, Lilien und Co. sowie blauer Schleife. „In tiefer Trauer und wütend Kollegen Kunden und IG Metall“ steht in weißer Schrift darauf. Philips wird als bester Arbeitgeber – diesen Titel gewann der Konzern in diesem Jahr noch in einem bundesweiten Wettbewerb – symbolisch zu Grabe getragen. Der Kranz wird zum Ende der Demo an einem Philips-Schild abgelegt, eine Trauerminute folgt.

Der angekündigte Jobabbau sei komplett überraschend gekommen, sagt Langer: „Es gab zuvor überhaupt keine Gespräche mit den Mitarbeitern.“ Durch das Streichen von 215 Vollzeitarbeitsstellen könnten mehr als 215 Personen von den Plänen betroffen sein, weil sich zum Beispiel zwei Menschen eine Stelle teilen. Dabei gibt es in dem Bereich insgesamt nur 326 Arbeitnehmer. „Wir fordern die Geschäftsleitung auf, auf betriebsbedingte Kündigungen zu verzichten“, sagt die Betriebsratsvorsitzende Ina Jännsch. Komme es doch dazu, könnten weitere Bereiche neben den Röntgensystemen betroffen sein, weil die dann erforderliche Sozialauswahl über den gesamten übergeordneten Betrieb mit mehr als 1200 Beschäftigten geht.

Das digitale Röntgen wurde in Ohlsdorf erfunden

Also könnten auch Mitarbeiter, die sich noch sicher fühlen, betroffen sein. Insgesamt beschäftigte Philips Ende 2017 in der Hansestadt knapp 2900 Mitarbeiter – zur Jahrtausendwende waren es noch 5000. „Scheibchenweise wird Arbeitsplatzabbau betrieben“, sagt Langer verärgert über die Konzernstrategie. Gerechnet habe sich keine der Maßnahmen.

Der jetzt betroffene Bereich hat eine lange Tradition am Standort. 1927 erwarb Philips die Firma C. F. H. Müller, die Röntgenröhren fertigte. Dieser Zukauf war eine wichtige Grundlage für spätere Erfolge in der Medizintechnik des niederländischen Konzerns. Ende der 90er Jahre wurde das digitale Röntgen in Ohlsdorf erfunden.