Hamburg. Auf dem 111 Jahre alten Original des Bauwerks liegen bis zu 17 Schichten Farbe, Zement und Epoxid – und diese Zwiebelhaut muss ab.

An unauffälligen Stellen hat sich das Team um Christiane Maier mit Meißeln und Schabern tief in die Fassade gegraben. Schicht für Schicht haben die Restauratoren abgetragen und markiert, sind dabei auf Farbkrusten, Zementdecken und sogar eine Lage Epoxidharz gestoßen, bis sie endlich die ursprüngliche Putzfassade des historischen Eingangstores im Tierpark Hagenbeck erreicht haben. In 111 Jahren haben fortwährende Sanierungen dazu geführt, dass das denkmalgeschützte Portal inzwischen eine Zwiebelhaut aus bis zu 17 Schichten besitzt. Leider ist sie ein Teil des Problems bei der andauernden Restaurierung des Jugendstil-Bauwerks. Denn der Bau ist feucht. Und feucht ist nicht gut.

Seit Eröffnung des Tierparks im Jahr 1907 sind Millionen von Besuchern durch das markante Tor mit seinen kunstvollen Bronzeplastiken gegangen. Ebenso lang nagen schon Regen, Hitze, Frost und Sturm an der Substanz des Portals, weshalb zwar immer wieder oberflächlich mit Farbe und Zement saniert wurde, aber nie originalgetreu restauriert. Das soll nun, nach mehr als einem Jahrhundert passieren.

Und dazu gehört neben kalkulierten Kosten von 500.000 Euro, der engen Zusammenarbeit mit dem Denkmalschutzamt und einer veranschlagten Bauzeit von eineinhalb Jahren auch eine umfassende Untersuchung, die den Originalzustand abbilden soll. Dass deren Ergebnis wenig erfreulich ausfällt, hatte Jan Blum, technischer Leiter des Tierparks, schon geahnt. Er befürchtete, dass das Tor „ganz schön gelitten hat“.

Rekonstruktion ist eine „Herausforderung“

Diplom-Restauratorin Christiane Maier hat schon viele Bauwerke wieder in ihre Ursprungsform versetzt. Ihr Hamburger Projekt sei aber besonders, sagt sie. Seit September bohrt sie sich nun schon ins Gemäuer, um den Zustand des seit 1997 als Gesamtensemble unter Denkmalschutz stehenden, mehrfach überpinselten und mehr schlecht als recht sanierten Baus zu erfassen. Die Rekonstruktion nennt sie „eine Herausforderung“. Denn bautechnisch handelt es sich um einen eher unpraktischen Vertreter der Schmuckarchitektur. Das Tor ist so angelegt, dass es nicht nur den Eingang in den Tierpark markieren sollte, sondern den Übergang in eine andere, exotische Welt. An Regenentwässerung oder gute Belüftung des Mauerwerks hat dabei niemand gedacht.

Im Gegenteil, der Bau ist auf Ästhetik und Sichtachsen ausgerichtet. Bei seiner Eröffnung notierte Tierparkgründer Carl Hagenbeck schwärmerisch: „Als sich am 7. Mai 1907 die großen Portale öffneten, erwachte das Dorf Stellingen aus seinem Dornröschenschlaf. Tausende trafen mit der zu diesem Tage eröffneten Straßenbahn ein und drängten durch den monumentalen Haupteingang, den der Bildhauer Josef Pallenberg mit den mächtigen, Ampeln tragenden Bronzehäuptern der Elefanten geschmückt hatte. Löwen und Eisbären verkörpern die Tierwelt der polaren und der tropischen Zonen, dazu die erzenen Standbilder des kriegerischen Somali und des Siouxindianers.“

Inzwischen ist dieser monumentale Übergang in eine exotische Welt kaum noch verkehrssicher. Denn neben etlichen neuen Anstrichen wurde dem Tor in seiner Sanierungsgeschichte auch der unvorteilhafte Mantel aus Epoxid umgelegt, wie die Untersuchungen nun zeigten. Er sollte keine Feuchtigkeit ins Mauerwerk lassen, bewirkte über Jahrzehnte aber genau das Gegenteil: Er ließ auch keine Feuchtigkeit mehr heraus. Der Kern des Bauwerks ist tropfnass.

Weiterer Verlauf der Arbeiten schwer einzuschätzen

Diese Erkenntnis wirft nun auch den Zeitplan des Tierparks durcheinander. Denn bevor restauriert wird, muss die Zwiebelhaut ab. All die Schichten müssen nicht nur abgekratzt oder mühevoll abgebeizt werden. Der Stein muss danach auch atmen und trocknen. „In dieser Woche hausen wir das komplette Tor ein, damit es über den Winter austrocknen kann“, sagt Bauleiter Blum. Das heißt: Das komplette Tor wird eingepackt. Erst danach ließen sich Aussagen über den weiteren Verlauf der Arbeiten treffen. Schwer abschätzbar, ob Teile des Putzes erneuert werden müssen, die Standsicherheit der Skulpturen gefährdet ist und die Zuwendung des Fördervereins in Höhe von einer halben Million Euro reicht.

Dank Gerüst kommt Bauingenieur Jan Blum den Skulpturen – Eisbären, Löwen, Elefanten – momentan sehr nah. In drei Meter Höhe streicht er über die Patina der Bronze-Figuren. „Unsere bisherigen Untersuchungen zeigen wenigstens bei den Skulpturen weder übermäßigen Rost noch Wassereintritte.“ Der Aufwand bei der Rekonstruktion hält sich wohl – Stand jetzt – in Grenzen. Dennoch werden die Metallteile generalüberholt. Die Patina wird verschwinden, eine Wachsschicht soll aufgetragen werden. „Das haben wir bei unserem Wasserspeier im asiatischen Teich auch gemacht und das ist sehr schön geworden“, so Blum.

Das Tor soll 2019 fertig sein

Im Herbst 2019, hofft der technische Leiter, soll das Tor in Originalanmutung wiedereröffnet werden. Ursprünglich besaß die Fassade einen Putz, der kunstvoll gestaltet an die Sandsteinblöcke der Häuser des Ballindamms erinnert. Im Archiv des Tierparks gab es Fotos vom Eröffnungstag, die das belegen. Diese detailreiche Urform liegt seit Jahrzehnten unter Zentimeter dicken Schichten verborgen.

Ziel für den Tierpark ist deshalb, mit der Wiedereröffnung das Hochgefühl des Gründers auch bei den Besuchern auszulösen. Über den Mai 1907 schrieb Carl Hagenbeck: „Hier stand ich mit dem Zylinder in der Hand und begrüßte die Ehrengäste, welche, in Equipagen und Automobilen vorfahrend, meiner Einladung gefolgt waren. Es waren anwesend die Oberbürgermeister von Hamburg und Altona, die Senatoren, Gesandte und Konsuln, Spitzen der Behörden und Prominente des kulturellen Lebens, die Prinzipale der großen Schiffahrtslinien und Handelshäuser und als besonders aufmerksame Gäste die Direktoren der europäischen Tiergärten, die Zoologen und Künstler.“ Sie alle hätten „mit Rat und Tat dazu beitrugen, dass ich dies, mein Werk, heute der Öffentlichkeit feierlich übergeben konnte.“