Hamburg. Winterzauber in Wandsbek mit Eislaufpremiere bringt den Winter trotz Frühlingswetters nach Hamburg.
Wenn die Meteorologen nicht völlig neben der Spur sind, erwarten uns am morgigen Dienstag fast sieben Sonnenstunden und 17 Grad Höchsttemperatur. In Hamburg. Wer dann auf Schlittschuhen Pirouetten dreht und Tannenschmuck oder Christbaumkugeln bestaunt, kann sich wie auf einem fernen Stern fühlen.
Oder er weilt in Wandsbek.
Winterzauber mit Eislaufbahn
Eine pfiffige Schaustellerfamilie aus Billwerder zeigt auf dem dortigen Marktplatz, wie man aus der Not eine Tugend macht, dem Wetter trotzt und seinen Gästen Überraschungen bietet. Das zweimonatige Ereignis heißt schlicht „Winterzauber“. Ein 1400 Quadratmeter großes Areal mit Eislaufbahn und 25 festlich herausgeputzten Holzbuden trägt den Namen „Winterdorf“. Am 26. November, dem Tag nach Totensonntag, verwandelt sich die Anlage flugs in einen klassischen Weihnachtsmarkt. Verändert wird nicht viel – von Weihnachtsbäumchen, noch mehr Zweigen sowie Adventsmusik abgesehen. Schon jetzt funkeln viele tausend LED-Lichtchen.
In den schönen Schein passt: Das Eis ist gar kein Eis. Doch dazu später viel mehr. Auf Ideen kommt es an – und auf die passende Vermarktung. Seit vergangenem Freitag geht’s abseits des Busbahnhofs rund. Auf also zum zauberhaften Wintervergnügen. Erster Eindruck bei der Eislaufpremiere 2018: fantasievoll und gut gemacht. Die 400 Quadratmeter umfassende Lauffläche belebt das Dörfchen. Buden bilden den Rahmen. Auch anderswo in der Stadt geht der Schlittschuhspaß in diesen Tagen oder demnächst an den Start (siehe Kasten oben rechts).
Mehr als 600 Schlittschuhläufer
„Am Sonnabend waren mehr als 600 Schlittschuhläufer hier“, sagt eine plietsche Dame im Zelt neben der Bahn. „Da standen wir zu viert hinter dem Tresen.“ In den Regalen lagern rund 600 Stiefelpaare für jeweils 4 Euro zum Ausleihen. Gut 90 Minuten laufen kostet 3 Euro, für Kinder 2 Euro. Lütte Leute können sich einen putzigen Pinguin mieten – zum Festhalten und Lernen. Zu besonderen Terminen, für Betriebsausflüge oder private Runden werden Utensilien zum Eisstockschießen oder Eishockey ausgegeben.
Wo ist der Chef? „Welchen?“, entgegnet die Mitarbeiterin hinterm Tresen. Womit Frage eins beantwortet ist. Während das Bezirksamt Wandsbek offiziell als Veranstalter des „Winterzaubers“ fungiert und die Attraktion ausschreibt, organisiert die Schaustellerfamilie Pluschies das Ereignis. Senior und Geschäfts- führer der Firma Eventz one ist Manfred Pluschies, bis Frühjahr dieses Jahres lang gedienter Präsident des Deutschen Schaustellerverbands. Mit Tochter Sandra betreibt er den legendären „Rotor“ auf dem Hamburger Dom. Ehefrau Carla entstammt einer norddeutschen Dynastie, die seit Generationen auf Jahrmärkten aktiv ist.
In Wandsbek ist die Sippe mit sechs Familienmitgliedern zugegen. Dazu gehören Richard Pluschies und Christian Müller, Sohn und Schwiegersohn des Seniors. Ein Großteil der Marktbuden ist an selbstständige Kleinunternehmer vermietet.
Bei einem Kaffee (ohne Schuss!) in der gemütlichen Almhütte neben der Lauffläche erklärt der Boss, was es mit dem rutschigen Belag auf sich hat. Es handelt sich um einen speziellen, weißen Kunststoff namens „Like-Ice“, also: wie Eis. Offenherzig legt Pluschies Fakten auf den Tisch. Die Bahn mit dem gleitfähigen, mit sieben Zusatzstoffen angereicherten Polyethylen-Kunststoff hat ihn gut 150.000 Euro gekostet. Angeschafft wurde sie vor sieben Jahren, als Hamburg als „Green Capital“ Europas Umwelt-Hauptstadt war. Einmalig ist das erheblich teurer als echtes Eis. Doch soll sich die Investition auf Dauer rentieren. In Bayern gibt es Hallen, die ausschließlich so bespielt werden.
„Wandsbeker Winterzauber“ wird zum Weihnachtsmarkt
Das „Plastikeis“ kommt ohne Strom, Wasser und kostspielige Maschinen aus. Etwa einmal in der Woche wird eine Art Öl aufgetragen. Pro Saison spart Pluschies seiner Rechnung zufolge mehr als 20.000 Euro Energiekosten. Läufer beschreiben die künstliche, ungekühlte Fläche als gut, indes kräftezehrender befahrbar. Auf Deutsch: Wer länger läuft, kann einen Muskelkater ernten. Andererseits wird man beim Hinfallen nicht nass und kalt. Davon profitiert besonders der Nachwuchs. Zu Beginn der diesjährigen Wintergaudi im Osten Hamburgs wurden 350 Schulen und Kindergärten angeschrieben und zu einem kostenlosen Besuch auf dem Fast-so-gut-wie-Eis eingeladen. Im Vorjahr ließen sich 120 Klassen und Gruppen nicht zweimal bitten.
Für Manfred Pluschies ist es aktuell der „13. Wandsbeker Winterzauber“. Einer seiner Vorgänger hieß Franz Gladow. Der geschäftstüchtige Fuhrunternehmer kam anno 1881 erstmals auf die Idee, auf dem Marktplatz des damaligen Dorfs eine Kunsteisbahn zu errichten. Angeblich war er hierzulande der Pionier.
Schon jetzt ist inmitten der Eisanlage ein kleines Quadrat abgesperrt. Dort wird in drei Wochen ein beleuchteter Tannenbaum stehen. Wenn sich das Winterdorf im Handumdrehen in einen Weihnachtsmarkt verwandelt.