Hamburg. 1600 begeisterte Leser lauschen Sebastian Fitzek im Audimax: Der Schriftsteller beglückte sein Publikum mit Witz und Blut.

Vielleicht, nein, ganz bestimmt sogar liegt es auch am Verfasser dieser Zeilen, dass er sich beim großen Krimi-Abend im Audimax nicht so recht mit den anderen 1600 Zuhörern in die schauderhafte Welt des Gewaltverbrechens ziehen lassen wollte. Ein Kind, das entführt wurde, ein Jahr ist das her. Der vermutliche Täter, natürlich ein krankes Schwein, sitzt in der Psychia­trie ein. Im Hochsicherheitstrakt. Er hat schon anderweitig gemordet, und der Vater des Kindes sieht nur eine Möglichkeit, etwas über das Schicksal seines Kindes zu erfahren. Er muss selbst rein in die Totalgeschlossene. Schwierige Übung. Er wird es schaffen.

Das ist, in sehr kurzen Worten, der Plot von „Der Insasse“, also jenem Buch, das sehr bald schon auf Platz eins der Bestsellerliste stehen wird. Der Autor heißt Sebastian Fitzek und gilt als unumstrittener deutscher Psychothrillerkönig. Weil Fitzek, 47 Jahre alt, 18 Veröffentlichungen in 13 Jahren, studierter Jurist und ehemaliger Radiojournalist, auch ein Mann ist, der sich auf der Bühne wohlfühlt, reiste er am Erstveröffentlichungstag des neuen Titels nach Hamburg, um diesen im ausverkauften Audimax vorzustellen. Er las ein paar Kapitel, für die man, siehe oben, allerdings wohl die Bereitschaft mitbringen muss, sich ordentlich erschrecken zu lassen. Fitzek ist in Zeiten schwindender Literaturbegeisterung ein Segen für die Branche, weshalb man die Ekstase des Buchhändlers Christian Heymann in dessen einleitenden Worten durchaus verstehen konnte.

Sebastian Fitzek ist eine Art Popstar

Es war ein Coup für das Krimifestival, das eigentlich erst am 6. November beginnt, Fitzek als Headliner zu gewinnen. An vier Tagen waren alle Karten für den riesigen Vorlesungssaal der Uni weg, und das ist für eine Literaturveranstaltung sensationell. Fitzek ist, der Vergleich ist ausgelutscht, drängt sich aber nun einmal auf, eine Art Popstar.

Wenn er als solcher schon mit frenetischem Applaus begrüßt wurde, dann ist man geneigt, das als verdienten Lohn für schreiberischen Fleiß und Publikumsnähe zu betrachten. Ist doch schön, wenn Literatur, diese grundsätzlich selten bühnentaugliche Kunst, wenigstens etwas auslöst, das der Euphorie zumindest nahekommt.

Fitzek setzt beim Live-Auftritt auf den Faktor Amüsement

Fitzek ist schon oft als Selbstvermarktungswunder beschrieben worden, das nicht nur die Bestsellerformel kennt, sondern auch weiß, wie man Literatur promoted. Im Audimax äußerte sich das zunächst in dem penetrant auf die Leinwand projizierten Cover des neuen Buches. Optische Reize erhöhen die Kaufwahrscheinlichkeit, weiß der Konsumpsychologe. Es äußerte sich aber auch in der Eloquenz und Geschicktheit, mit der Fitzek sein Image, die Blutrünstigkeit seiner Thriller und beruflichen Erfolg zum Thema machte.

Nach der einfachen „Ich werde ja oft gefragt“-Wendung folgten im Barrierefrei-Modus fitzekscher Prägung durchweg sympathische Geschichten, die den Autorhelden als Familienmenschen („Nachdem ich ihnen eine Gruselgeschichte erzählte hatte, schliefen die Kinder drei Wochen aus Angst in einem Bett“), vom Schicksal Begünstigten („Ich hatte vor allem eben auch Glück“) und hart arbeitenden Schriftsteller („Ich recherchiere alles selbst“) zeigen. So sehr Fitzek in seinen Büchern darauf aus ist, beim Publikum Zähneklappern hervorzurufen, so sehr setzt er beim Live-Auftritt auf den Faktor Amüsement. Wenig überraschend allerdings, dass er sich wie in seinen Büchern auch auf der Bühne eher am Reißbrett bedient. Was nicht zuletzt auch daran liegt, dass das Publikum augenscheinlich nicht nach mehr verlangt. Fitzek beherrscht die oberste Entertainment-Kunst, nicht zu langweilen; er profitierte aber auch an diesem Abend von der steten Lachbereitschaft seiner Fans. Die wurden an diesem Abend schließlich auch medial vollversorgt. Der Trailer von „Abgeschnitten“, der derzeit im Kino laufenden Fitzek-Verfilmung, wurde gezeigt. Kann ja sein, dass ihn noch nicht jeder gesehen hat.

Das Autogramm als Ich-bin-dabei-gewesen-Beweisstück

Und wer noch kein Autogramm hatte, der stellte sich nach zwei Stunden Vorprogramm bis zu zweieinhalb Stunden lang an, um das Ich-bin-dabei-gewesen-Beweisstück einzufordern. Für Fitzek ein Dienst am Kunden, der praktischerweise mit dem Verkauf von Büchern einhergeht. Was nicht der einzige Grund dafür sein dürfte, dass Fitzek wirklich Spaß an der Begegnung mit seinen Lesern hat. Er hatte übrigens tatsächlich eine Band mit nach Hamburg gebracht, die neben dem Signiertisch aufspielte, um den Leuten die Wartezeit zu verkürzen. Hat man so auch noch nicht erlebt. 300.000 Bücher hat Fitzeks Verlag am Erscheinungstag ausgeliefert. Sollte es einen Autor geben, für den das auch eine Bürde sein könnte: Fitzek ist es nicht.

Hamburger Krimifestival 6.–10.11., Kampnagel, Karten bei Heymann, in der HA-Geschäftsstelle, Großer Burstah 18–32, und unter T. 30 30 98 98. www.krimifestival-hamburg.de