Arnis. Ein Bootsbauer aus Arnis ist zum ersten Mal dabei. In Hamburg entdeckte er seine Liebe zum Wasser.

Ein bisschen verrückt fanden Freunde und Eltern seine Idee schon. Sich selbstständig zu machen und dann noch mit einer Werft. In Arnis an der Schlei. Das klang ganz schön mutig. Und irgendwie eben auch ein bisschen verrückt. Doch Jan Brügge wusste genau, was er wollte. Und das schon eine ganze Weile. Pläne hatte er geschmiedet, ein Konzept für seine eigene kleine Firma ausgearbeitet, einen Leitgedanken formuliert.

„Ich war mir ganz sicher, dass das das Richtige ist. Ich wollte das einfach ganz fest“, sagt er heute über den Weg in die Selbstständigkeit. Also nahm er einen kleinen Startkredit auf und mietete zusammen mit drei befreundeten Handwerkern eine Halle in der Nähe der Schlei an. Im April 2016 nahm die Ein-Mann-Firma ihren Betrieb auf.

Brügge hatte einen Plan. Immer wieder war ihm aufgefallen, dass in den kleinen Hallen in der Nähe des Wassers, in denen die Boote im Winterlager liegen, keine Möglichkeit bestand, diese dort von Bootsbauern überarbeiten zu lassen. Also nahm er sich seinen Wagen und sein Werkzeug, fuhr über das Land und bot seine Dienste an. „Meine Idee war, mit einer komplett ausgestatteten Werkstatt auch auswärts professionellen Bootsbau anzubieten.“ Schnell hatte er einen kleinen Kundenstamm zusammen. Bereits im Herbst konnte der junge Mann einen ersten Auszubildenden einstellen. Wenig später einen Gesellen. „Mit der Idee habe ich hier oben eine kleine Marktlücke gefüllt“, sagt er.

Falsche berufliche Entscheidung

Brügge ist in Hamburg geboren und aufgewachsen. Hier ging er zur Schule. Hier entdeckte er seine Liebe zum Wasser. „Als ich klein war, haben meine Eltern uns zum Segeln mit auf die Elbe genommen.“ Der blonde Mann mit dem schüchternen Lächeln begann schnell, selbst zu segeln, erst im Opti, später in größeren Jollen. Auf Elbe und Alster. Schon früh nahm er an Regatten teil. Und entschied deshalb auch nach dem Abitur: „Es muss ein Beruf sein, der mit dem Wasser zu tun hat.“ Also begann Brügge in Rostock Nautik zu studieren. Zur See fahren, eines der letzten großen Abenteuer, so dachte er.

Nach zwei Jahren in der Hansestadt war von der Seefahrer-Romantik allerdings nicht mehr viel übrig. Und Brügge wurde klar, dass er die falsche berufliche Entscheidung getroffen hatte. „Ich wollte lieber direkt mit den Booten arbeiten. Mit Booten, die ich dann auch selber segeln kann.“ Hinzu kam: „Zur See zu fahren ist langfristig gesehen nicht wirklich familientauglich.“

Brügge ist ein Mann der klaren Entscheidung. Also beendete er sein Studium und begann eine Bootsbauerlehre bei der Firma Stapelfeld in Kappeln. „Schon als Schüler hatte ich hier einmal ein Praktikum gemacht. Ich kannte also die Werft und wusste, was mich erwartete.“ Die Tatsache, dass das Lehrjahr bereits begonnen hatte, hielt ihn nicht ab. Brügge stieg einfach später ein und legte los. „Rückblickend habe ich mich ganz gut geschlagen“, sagt Brügge und lacht. Er schloss die Ausbildung als Bundessieger seiner Zunft ab. Und hatte da schon längst entschieden, es soll weiter- gehen. Aber nicht einfach so. „Selbstständig wollte ich mich machen, das war mir schnell klar. Ein Leben lang als angestellter Geselle arbeiten wäre nichts für mich gewesen.“ Sein eigener Chef sein, alle Entscheidungen selbst treffen, das wollte der 31-Jährige.

Neun Mitarbeiter

Und das tut er bis heute jeden Tag. Aus einem Ein-Mann Betrieb ist in gerade einmal zweieinhalb Jahren ein kleines Unternehmen mit neun Mitarbeitern geworden. In diesem Winter soll der zehnte Kollege hinzukommen. Alles junge Männer und Frauen, das Durchschnittsalter beträgt gerade einmal 30 Jahre. Aus einer mobilen Werkstatt ist eine kleine Werft mit mittlerweile zwei Hallen entstanden. Die eine steht in Königstein in der Nähe von Arnis. Dazu haben Brügge und sein Team die traditionsreiche Holzbootwerkstatt der M&P Jachtwerft Paulsen GmbH in Arnis als zweite Werkstatt übernommen. Hier haben sie sich auf klassische Holzboote spezialisiert. Und in diesem Winter kommt ein eigenes kleines Winterlager für Yachten verschiedener Größen hinzu. Brügge investiert von Anfang an jeden verdienten Euro wieder in das Unternehmen und konnte so das Wachstum auch finanzieren.

Richtig zu Hause fühlt sich der mittlerweile zweifache Familienvater heute an der Schlei. „Arnis ist ein toller Ort für diese Branche. Hier sind so viele Bootsbauer ansässig. Hier herrscht ein tolles Arbeitsklima unter allen Kollegen“, so Brügge. Ein Konkurrenzverhalten gebe es nicht. „Höchstens einen sportlichen, fairen Wettbewerb.“ Auch er als Neuling sei immer gut aufgenommen worden. „Wir helfen uns alle gegenseitig und tauschen uns untereinander aus.“

Brügges Vorteil: Er kennt – nach all den Jahren, in denen er selbst gesegelt ist – viele Männer und Frauen am und auf dem Wasser. So hat er nicht nur von Anfang an hier und da kleine Aufträge ergattert. Er ist er auch an sein bisher wohl wichtigstes und spannendstes Projekt gekommen, einen kompletten Neubau. Der Hamburger Unternehmer Daniel Baum, Geschäftsführer der Pantaenius Yachtversicherung, lässt seit 2017 an der Schlei seine neue Segelyacht fertigen. Das Schiff mit 12,50 Metern Länge (48 Fuß) wird in einem Mix aus Holz und Carbon hergestellt und soll später auf Regatten auf der ganzen Welt eingesetzt werden.

Ins Gespräch bringen

Aber auch für Törns mit der Familie. Mehr als eine Million Euro wird die Yacht am Ende kosten, die von dem renommierten Designer Thomas Tison, der schon für den America’s Cup zeichnete, entworfen wurde. Für Brügge die Chance, sich auch im Bereich Neubau einen Namen zu machen. „Als Bootsbauer möchte man gern ein eigenes Schiff bauen, das ist doch klar“, sagt er. Im kommenden Sommer soll die Yacht fertig sein. Zeit für den ehrgeizigen Unternehmer, sich nach einem neuen großen Projekt umzusehen.

Auch deshalb ist die kleine Werft ab heute auf der neuen Bootsmesse, der Hamburg Boat Show, vertreten. „Wir stellen mit einem Film unsere Projekte vor. Ziel ist es, uns bekannter zu machen. Aber auch, uns für weitere Neubauten ins Gespräch zu bringen.“ Das neue frische Konzept der Messe habe ihn überzeugt. „Fünf Tage reichen aus“, sagt er. Er erhoffe sich interessante Gespräche. Und darauf, eventuell den einen oder anderen künftigen Auftraggeber kennenzulernen. Auch deshalb hat er einige Tausend Euro in den Messestand investiert.

Brügge wäre aber nicht Brügge, wenn er nicht bereits in Gesprächen für ein weiteres Neubauprojekt wäre. Wobei, entschieden ist noch lange nichts, sagt er. „Die Arbeit an dem Neubau macht meinem Team und mir viel Spaß. Deshalb würden wir uns, zusätzlich zu dem gut laufenden Tagesgeschäft, über einen weiteren Neubauauftrag freuen.“