Hamburg/Frankfurt. Nach 15 Jahren Haft in Hamburg wurde der Helfer der Terrorzelle von Mohammed Atta am Montag nach Marokko abgeschoben.
Die Augen verbunden, die Hände und Füße gefesselt, die Finger in Stulpen, dass er nicht greifen und ein Gehörschutz, damit er nicht hören kann. So führten Beamte des Sondereinsatzkommandos Mounir el Motassadeq in Richtung seiner Heimat ab. 15 Jahre hatte der Marokkaner wegen Beihilfe zum Mord in 246 Fällen sowie Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung in Santa Fu abgesessen. Er gehörte zur Terrorzelle um Mohammed Atta, die die Anschläge vom 11. September auf das World Trade Center und das Pentagon verübten.
Die Abschiebung des Terrorhelfers war ein eng getakteter, penibel und minuziös geplanter Einsatz. Um 11:31 Uhr landete der Hamburger Polizeihubschrauber „Libelle 2“ im Innenhof der Justizvollzugsanstalt Fuhlsbüttel. Motassadeq war zu dem Zeitpunkt bereits gefesselt. Beamte des SEK brachten ihn zum Hubschrauber. Um 11:52 Uhr hob die Maschine in Richtung Fuhlsbüttel zu einem nur fünf Minuten dauernden Flug ab. Dort waren nahe dem Geschäftsfliegerzentrum bereits weitere Angehörige des SEK in Stellung gegangen. Ein Hubschrauber vom Typ „Super Puma“ der Bundespolizei stand bereits zum Weitertransport bereit. Er war um kurz nach 11 Uhr dort gelandet.
Um 17.45 Uhr startete das Flugzeug nach Casablanca
Vom Boden und von Dächern sicherten sie die Gegend, während zwei Beamte Mottassadeq in der Mitte vom Hamburger Polizeihubschrauber zum größeren Hubschrauber der Bundespolizei brachten. Die Hamburger SEK-Beamten stiegen mit ein. Um 11:58 Uhr hob der „Super Puma“ mit dem Terrorhelfer und den SEK-Beamten an Bord ab. Um 14:15 Uhr landete die Maschine in Frankfurt. Erst dort übergab die Hamburger Polizei Motassadeq an die Bundespolizei. In einem gesicherten Bereich wartete der 44-Jährige auf den Weiterflug per Linienmaschine. Marokko lehnt es ab, dass Abgeschobene per Charterflug in ihre Heimat gebracht werden.
Gebucht war der Flug AT 811 mit der Royal Air Maroc mit einer Boing 737-800, die planmäßig um 17:45 Uhr in Frankfurt startete und um 21:20 Uhr in Casablanca landen sollte. Begleitet wurde Motassadeq von mehreren Beamten der Bundespolizei.
Motassadeq war im November 2001 in Haft gekommen, nachdem er in das Visier der Ermittler geraten war. Der Marokkaner, der 1993 mit einem Studentenvisum einreiste, studierte ab 1995 wie andere Mitglieder der Terrorzelle an der Technischen Universität in Harburg. Dort hatte er den Drahtzieher des Anschlags am 11. September 2001, Mohammed Atta, kennengelernt und einen engen Kontakt gepflegt. So war man zusammen in der Islam-AG, für die in der TU Räume bereitgestellt worden waren. Auch war Motassadeq oft und regelmäßig in der Wohnung der Terrorzelle an der Marienstraße in Harburg gewesen.
el Motassadeq hatte Mitwisserschaft bestritten
Bereits im Februar 2003 wurde er deswegen verurteilt. Im März 2004 hob der Bundesgerichtshof wegen mangelnder Beweiswürdigung das Urteil auf; Motassadeq kam Anfang April 2004 unter Auflagen frei. Er lebte wieder in Harburg, nur eine Querstraße von der Terrorwohnung in der Marienstraße entfernt. In der Zeit konnte er sich nahezu frei bewegen, nur musste er sich einmal am Tag bei der Polizei melden. Außerdem wurde seine Wohnung, so hieß es damals aus Behördenkreisen, von Beamten des BKA beobachtet. Nach zwei weiteren Verhandlungen und einem juristischen Hickhack wurde er im November 2006 festgenommen, am Tag nach seiner Verurteilung zu 15 Jahren Haft.
Eine Mitwisserschaft hatte Motassadeq stets bestritten. Doch die Indizien sprachen gegen ihn: Unter anderem kam heraus, dass er sich ein Jahr vor den Anschlägen mit Ramzi Binalshibh, einem Mitglied der Terrorzelle, und hochrangigen Mitgliedern der Terrorgruppe al-Qaida in Afghanistan traf. Binalshibh ist noch heute auf der Militärbasis der amerikanischen Streitkräfte in Cuantanamo Bay auf Kuba inhaftiert. Zudem sah es das Gericht als erwiesen an, dass er für die Finanzen der Terrorflieger während deren Aufenthalt zum Flugtraining in den USA zuständig war und deutsche Behörden über ihren Aufenthaltsort täuschte.
Mit seiner Entlassung am Montag saß Moutassadeq fast die gesamte Strafe ab. Anträge, die Haftstrafe zu verkürzen, waren zuvor abgelehnt worden.
Nach Deutschland einreisen darf er erst als 90-Jähriger
Die Hamburger Behörden hatten sich über Monate auf die Abschiebung des Mannes vorbereitet. Erst am Freitag waren die für die Abschiebung nötigen Passersatzpapiere aus Marokko eingetroffen. Bis dahin war unklar, ob der 44-Jährige tatsächlich noch vor seinem offiziellen Haftende abgeschoben werden kann. Wären die Papiere nicht rechtzeitig eingetroffen, hätte man Motassadeq in Hamburg auf freien Fuß setzen müssen. Für eine Abschiebehaft hätte keine Rechtsgrundlage vorgelegen. Motassadeq hatte sich nicht gegen die Abschiebung gesträubt. Aus Behördenkreise hieß es, er sei „froh“ zurück nach Marokko zu können. Er stammt aus einer gutsituierten Familie, die dort lebt.
Der 44-Jährige ist mit einer gebürtigen Russin verheiratet, die zum Islam konvertierte. Sie haben zwei Kinder. Legal zurück nach Deutschland wird Motassadeq frühestens als 90-Jähriger kommen können – gegen ihn wurde ein Einreiseverbot bis April 2064 verhängt.