Hamburg.

Ex-Bürgermeister Olaf Scholz sagt man nach, er sei Anhänger einer politischen Theorie, die man „Dezisionismus“ nennt. Danach geht es in der öffentlichen Wahrnehmung nicht darum, wie ein Politiker sich in einer Streitfrage entscheidet. Es geht nur darum, dass er sich eindeutig und im Brustton allergrößter Überzeugung entscheidet – und danach nicht mehr wackelt.

Ein guter Tag für Hamburg

Folgt man dieser Theorie, war der Dienstag ein guter Tag für Hamburg, und vielleicht auch für Scholz-Nachfolger Peter Tschentscher. Denn dieser hat nun eine eindeutige Entscheidung zum Rückkauf der Fernwärme verkündet – und sie inbrünstig begründet. Hamburg übernimmt das gesamte Netz, die Zusammenarbeit mit Vattenfall endet. Fünf Jahre nach dem Volksentscheid und nach Monaten des Feilschens, Drohens und Haderns herrscht nun Klarheit bei dem so komplizierten Thema.

Plan mit Risiken

Dass Tschentscher es in Wahrheit lieber gewesen wäre, wenn er Vattenfall noch für ein paar Jahre als Minderheitsgesellschafter an Bord behalten hätte, zeigt, welchen Respekt er vor der Aufgabe hat, die er nun allein verantworten muss. Denn jetzt geht es darum, binnen weniger Jahre eine völlig neue Fernwärmeversorgung für Hunderttausende Wärmekunden aufzubauen. Dafür müssen neue Technologien erprobt, ein teures Gaskraftwerk gebaut und eine Leitung unter der Elbe gelegt werden. Zugleich drängt die Zeit, denn das Kohlekraftwerk Wedel sollte eigentlich 2022 vom Netz, weil es zu viele Gifte in die Luft pustet. Bei alledem sollen den Fernwärmekunden keine großen Preissteigerungen zugemutet werden. Dass bei diesem Szenario alles glatt geht, ist eher unwahrscheinlich.

Volksentscheid umgesetzt

Und doch ist die Entscheidung, die jetzt getroffen wurde, richtig und im doppelten Sinne sauber – und zwar aus drei Gründen. Erstens wird ein verbindlicher Volksentscheid umgesetzt. Der ist zwar knapp ausgegangen, und man kann geteilter Meinung sein, ob das Volk weise entschieden hat. Und doch wäre es fatal, wenn die Politik solche Plebiszite überginge. Damit würde sie die Demokratie an der Wurzel beschädigen – und Populisten in die Hände spielen, die politische Eliten ohnedies als verkommen hinstellen.

Infrastruktur gehört in staatliche Hand

Zweitens ist es klug (und im besten Sinne konservativ), wenn zentrale Versorgungseinrichtungen der Stadt selbst gehören – und sie nicht am Weltmarkt gehandelt werden. Oder wie würden wir uns fühlen, wenn wir beim Heizen morgen auf das Wohlwollen chinesischer Staatsfirmen und übermorgen auf windige Fonds mit Sitz in der Karibik angewiesen wären? Alt-Bürgermeister Henning Voscherau hatte Recht: Elementare Infrastruktur gehört in staatliche Hand.

Drittens geht es um nicht weniger als die Rettung des Planeten. Der Weltklimarat hat die Dramatik der Lage gerade deutlich gemacht. Die Fernwärme für viele Jahre an klimaschädliche Kohle zu binden, wie Vattenfall es noch bis Mitte des Jahres wollte, wäre ein fatales Signal. Weil sich Senat und Vattenfall darüber lange nicht einig waren, hat sich die Wärmewende immer weiter verzögert – und das dreckige Kraftwerk Wedel muss so lange am Netz bleiben.

Nun herrscht endlich Klarheit. Und der Senat muss zeigen, dass er die riesige Herausforderung allein bewältigen kann. Scheitert er, scheitert er allein. Hoffen sollte darauf niemand. Im Sinne von Klimaschutz und bezahlbarer Energie für die Fernwärmekunden muss man dem am Dienstag so entschiedenen Bürgermeister Erfolg wünschen. So oder so: Die Hamburger werden ihn an seinen Versprechen messen.