Hamburg. Nachdem der Sonderausschuss seine Arbeit beendet hat, hat die Bürgerschaft über Erkenntnisse debattiert.
Exakt 445 Tage nach dem Ende des G-20-Gipfels in Hamburg ist die parlamentarische Aufarbeitung der Ereignisse abgeschlossen. Der von der Bürgerschaft eingesetzte Sonderausschuss hat nach 14 abendfüllenden Sitzungen seine Arbeit abgeschlossen. Alle sechs Fraktionen haben jeweils eigene, kurze Abschlussberichte vorgelegt, und die Bürgerschaft hat die ganze Thematik am Mittwoch ausführlich debattiert. Dabei wurde erneut deutlich, wie unterschiedlich die Bewertung der Vorgänge in Teilen ausfällt – dass es aber auch durchaus Einigkeit in einigen Punkten gibt.
Die Entscheidung für Hamburg: Dass es im Ergebnis keine gute Idee war, ein solches Gipfeltreffen mitten in Hamburg und dort auch noch am Rande des linken Schanzenviertels stattfinden zu lassen, ist von AfD bis zur Linkspartei weitgehend Konsens. Allerdings sind die Begründungen unterschiedlich. Rot-Grün argumentiert vor allem mit den Belastungen für die Bürger: „Was wir den Hamburgern zugemutet haben, war zu viel“, sagte Innensenator Andy Grote (SPD). Die CDU um Innenexperte Dennis Gladiator meint dagegen: „Die linksextremen Strukturen sind in Hamburg derart ausgeprägt, dass unter diesen Rahmenbedingungen der Gipfel hier nicht hätte stattfinden dürfen.“
Die Verharmlosung im Vorfeld: Dass die vom damaligen Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) gegebene Sicherheitsgarantie für die Bürger und sein Vergleich der Verkehrsprobleme infolge von G 20 mit denen beim Hafengeburtstag unklug waren, ist ebenfalls Konsens, allerdings wird auch das unterschiedlich artikuliert. „Politik und Polizei haben die sich abzeichnenden Zielkonflikte und Belastungen nicht klar genug kommuniziert“, heißt es bei SPD und Grünen etwas verklausuliert. Die CDU drückt es drastischer aus: „Alle Warnungen der Sicherheitsbehörden wurden durch den Senat und die ihn tragenden Fraktionen verharmlost und ignoriert.“
Das Polizeikonzept: Relativ unstrittig ist, dass das Konzept der Polizei in Teilen nicht aufging: Der Gipfel selbst sei erfolgreich geschützt worden, die normalen Bürger hingegen nicht. Während die CDU dem Thema in ihrem Bericht nur einen Absatz widmet („Der Kontrollverlust in Altona und im Schanzenviertel hätte verhindert werden müssen“), gehen SPD, Grüne und Linke darauf intensiver ein. Unter anderem werden den Sicherheitsbehörden das tagelange Verkehrschaos infolge diverser Straßensperrungen, die umstrittenen Entscheidungen zu G-20-Camps, die Behinderung von Journalisten, die ungewöhnliche Auflösung der Demonstration „Welcome to Hell“ und ihre Folgen sowie die ausgebliebene Hilfe in der Schanze sowie im Hamburger Westen vorgehalten. Vor allem die Linkspartei, in gemäßigter Form aber auch SPD und Grüne kritisieren zudem die von Polizisten verübte Gewalt. Dass es trotz 161 internen Ermittlungsverfahren bislang keine Anklage gab, „schwächt das Vertrauen in die funktionierende Aufklärung“, so SPD und Grüne. Die CDU meint: „Es gab Fehlverhalten einzelner Polizisten, die konsequent verfolgt werden. Es gibt aber keinerlei Gründe, den gesamten Einsatz der Polizei infrage zu stellen.“
Konsequenzen: Für CDU, FDP und AfD ist der stärkere Kampf gegen Linksextremismus die wichtigste Konsequenz aus G 20: Die linksextremen Strukturen in Hamburg hätten Exzesse ausländischer Gewalttäter erst ermöglicht, sagte Dennis Gladiator. Die Verantwortung dafür liege bei Rot-Grün: „Sie haben den Linksextremismus jahrelang verharmlost.“ Auch Carl Jarchow (FDP) sagte: „Der Sonderausschuss hat ergeben, dass der Senat Extremismus duldet, anstatt zielführend und wirksam gegen ihn vorzugehen.“
SPD und Grüne leugnen das Problem zwar nicht, benennen es aber unschärfer: Linksextremistisch begründete Gewalttaten junger Menschen bei G 20 böten „Anlass, um die bestehenden Ansätze der Präventionsarbeit insbesondere auch an den Schulen“ zu überprüfen, heißt es lediglich. Den Antrag der CDU für ein Aktionsprogramm gegen Linksextremismus lehnte die Mehrheit ab. Rot-Grün will stattdessen die Akademie der Polizei stärken, die Belastung von Bewohnern bei Großveranstaltungen „noch intensiver“ in die Planung einzubeziehen und für mehr Transparenz und bessere Kommunikation zu sorgen, etwa durch die Kennzeichnungspflicht für Polizisten.
Rote Flora: Für die CDU ist klar: Die seit 1989 besetzte Rote Flora am Schulterblatt, deren Vertreter im Vorfeld massiv zur Teilnahme an Protesten in Hamburg aufgerufen hatten, war maßgeblich mitverantwortlich für die Ausschreitungen, sie müsse daher geschlossen werden. Auch Dirk Nockemann (AfD) meinte: „An der Schließung der Flora führt kein Weg vorbei.“ Aus der FDP gibt es diese Forderung hingegen nicht, aus der Linkspartei ohnehin nicht.
SPD und Grüne räumen dagegen nur ein, „auch die autonome Szene aus der Roten Flora“ habe sich an der Mobilisierung beteiligt. Einen „Nachweis für eine direkte aktive Teilnahme“ an Ausschreitungen oder anderen Straftaten gebe es aber bisher nicht. Entscheidend für die Zukunft der Flora sei „das Verhältnis zur Gewalt und damit ein Konsens zu friedlicher Meinungsäußerung. Dieser steht aus, wird jedoch aus dem Quartier heraus und von der Bürgerschaft politisch eingefordert.“ Eine Räumung der Flora lehnt Rot-Grün „als reine Symbolpolitik ab“. Innensenator Grote sagte aber auch: „Die „Zukunft der Roten Flora ist völlig offen.“