Hamburg. Weltweit wächst die Branche. Länder machen Bund für schleppenden Ausbau verantwortlich und fordern ein Umdenken in Berlin.
Windkraftwerke werden nach Überzeugung der Branche künftig gemeinsam mit Solarenergie die wesentliche Quelle der Stromversorgung in Europa und weltweit darstellen. „Die Windenergie nimmt im Energie-Mix der Welt eine zentrale Rolle ein“, sagte Fatih Birol, Exekutivdirektor der Internationalen Energieagentur (IEA), am Dienstag bei der Auftaktveranstaltung der Messe WindEnergy in Hamburg. Gegenwärtig erzeuge Wind fünf Prozent des gesamten Stroms, doch das Potenzial sei weitaus höher. „Bei weiter sinkenden Kosten und entsprechenden politischen Weichenstellungen könnte Wind in den nächsten Jahrzehnten zur wichtigsten Energiequelle der Welt werden.“
Nachdem die Stromerzeugung aus Wind wirtschaftlich ohne Subventionen konkurrenzfähig geworden sei, müssten nun jedoch neue Probleme gelöst werden, sagten Sprecher verschiedener nationaler und internationaler Verbände und Unternehmen. Dazu gehöre der Ausbau der Stromnetze, die Speicherung von Strom und generell die Integration der erneuerbaren Energien in das System der Energieversorgung durch die Kopplung der verschiedenen Energiesektoren. So lässt sich Strom aus Windenergie zu Gas umwandeln oder zu Wärme und damit speichern oder anders nutzen.
Länder fordern mehr Kapazitäten auf See
„Die Windenergie betritt Neuland, indem sie über die bloße Erzeugung sauberer, kostengünstiger Elektrizität hinausgeht“, sagte Hans-Dieter Kettwig, Geschäftsführer des Herstellers Enercon. Es gehe nicht allein um einen höheren Windanteil in der Stromversorgung, sondern auch im Transportwesen und im Bausektor. Unter den Stichworten Digitalisierung und Sektorkopplung arbeitetet die Branche auf ein Szenario hin, bei dem billiger Windstrom im Überfluss vorhanden ist und in allen Bereichen der Wirtschaft die fossilen Energieträger Kohle, Öl und Gas ersetzt.
Die Energieminister und -senatoren der fünf Küstenländer appellierten bei der Messe an die Bundesregierung, die Ausbauziele für die Windenergie an Land und auf See heraufzusetzen. „Der Bund droht gerade, die Energiewende zu verstolpern“, sagte der niedersächsische Umweltminister Olaf Lies (SPD). Die fünf Länder, die von Branchenverbänden und der IG Metall Küste unterstützt werden, fordern Sonderausschreibungen für die Windenergie an Land und mehr Kapazitäten auf See sowie den Ausbau und die Modernisierung der Stromnetze. Das sei auch notwendig, damit die Regierung ihre selbstgesetzten Klimaziele erreichen könne und die Branche unter verlässlichen Rahmenbedingungen wachsen könne.
IG Metal sieht Arbeitsplätze bedroht
Nach Angaben der IG Metall Küste sind wegen des absehbar geringeren Ausbaus der Windenergie in den kommenden Jahren bereits 3500 bis 4000 Arbeitsplätze verloren gegangen oder akut bedroht. Die Minister und Senatoren der Küstenländer befürchten, dass sich dieser Trend fortsetzt und auch die Entwicklung neuer Technologien in der Windenergie sich weitgehend ins Ausland verlagert. In den vergangenen Jahren hatten die Nord-Länder bereits drei ähnliche Appelle an die Bundesregierung gerichtet, zum Teil mit Erfolg.
Zu der Messe werden bis Freitag rund 35.000 Fachbesucher aus aller Welt erwartet. Auf 65.000 Quadratmetern Hallenfläche zeigen mehr als 1400 Aussteller aus 40 Ländern alles zum Thema Windenergie: Turbinen und Rotorblätter, elektrische Komponenten sowie Dienstleistungen aus Logistik, Sicherheit, Finanzierung und Versicherung. Begleitet wird die Messe von dem Kongress WindEurope, bei dem rund 250 Redner zu diversen Fachthemen zu hören sein werden.