Hamburg. Der NDR dreht eine neue Folge der beliebten Krimireihe mit Wotan Wilke Möhring in Hamburg. Mittendrin: Architekten aus Barmbek.
Als die erste Polizistin zum Einsatz eilt, lehnt Kommissar Thorsten Falke, ganz der Straßenbulle, der er laut Skript sein soll, noch seelenruhig an seiner Wohnmobiltür und raucht. Damit jeder weiß, wessen Auto das ist, steht groß „Falke“ drauf. Vielleicht war die Beschriftung „Wotan Wilke Möhring“ aber auch einfach zu lang. Der Schauspieler schlägt jedenfalls die Zeit tot, indem er – was auch immer – auf seinem Handy ermittelt. Während neben ihm aufgeregte Komparsen in Polizeiuniformen schlüpfen, hat er die Ruhe weg. Drehtag acht für den neuen NDR-Tatort „Kollateralschaden“ in Barmbek ist eben auch nur der Tag nach Drehtag sieben.
Wie bei Filmproduktionen üblich, sind die Parkplätze an der Osterbekstraße großflächig abgesperrt und mit einem Wall aus Kantinenbus, Garderobenwagen, Maskenmobil und Schauspielerbehelfsheimen verstellt. Neben dem Wohnmobil „Falke“ steht das Wohnmobil „Grosz“, aus dem wenig später Schauspielerin Franziska Weisz steigt. Kurzes Hallo. Herzliche Umarmung. Dann kann’s ja losgehen. Falke und Grosz alias Möhring und Weisz gehen zum Set.
Beginn einer Art Klassenfahrt
Für das Ermittlerduo des NDR-Tatorts mag nur ein weiterer Drehtag anbrechen, für ein Team von Architekten ist es der Beginn einer Art Klassenfahrt. Nur ohne Bus. Denn die Besatzung des SKAI-Office am Osterbekkanal um Geschäftsführer Malte Kramer ist auf Komparsenmission. Ihr Büro wird in der Krimireihe zur Wache der Autobahnpolizei. Und sie zu Architekten in Polizeiuniform.
Seit 7 Uhr warten die eigentlichen Bauwerksschöpfer auf ihren Einsatz als Autobahnpolizisten. Später sollen sie im Hintergrund an Computern sitzen oder schwer beschäftigt durchs Bild laufen. Währenddessen zeigt Ermittlerin Tine Geissler (Marie Rosa Tietjen) den Kommissaren Falke und Grosz als Tatort-Team „Hamburg und Umgebung“, was sie zum aktuellen Fall herausfinden konnte. Ein Heckenschütze hat auf einem Autohof einen Lkw-Fahrer ermordet. Die Frage ist: Psychisch labiler Einzeltäter oder Streit im Truckermilieu? Im nächsten Jahr wird die ARD das Geheimnis dieses Thrillerdramas lüften.
„Fast die ganze Straße abgesperrt“
Am Set herrscht deshalb Beobachtungsverbot, aber davor wird ein Architekt nach dem anderen in Garderobenwagen 14 in formschöne, dunkelblaue niedersächsische Polizeiuniformen gesteckt. „Wie viele fehlen noch?“, fragt jemand von der Aufnahmeleitung. „Zwei“, lautet die Antwort. Jetzt soll zügig mit dem Dreh begonnen werden. Doch auch Bürochef Malte Kramer muss sich noch verwandeln.
Es ist nicht das erste Mal, dass eine Filmcrew das Architektenbüro und seine Besatzung für Aufnahmen bucht. Kramer habe das moderne Office schon vor längerer Zeit bei einer Drehort-Kartei angemeldet. „Und seitdem machen wir das einmal im Jahr“, sagt der Geschäftsführer. Teambuilding vor der Kamera.
Mal spielen sie sich selbst, also Architekten bei der Arbeit, heute werden sie zu uniformierten Beamten. Für das ZDF-Drama „Im Tunnel“ wurden schon Szenen in Barmbek gedreht, „Morden im Norden“ war ebenfalls da. Und auch für den Schweiger-Tatort „Fegefeuer“ habe das Büro als Kulisse gedient. „Da war fast die ganze Straße abgesperrt“, sagt Laiendarsteller Kramer. Dagegen ist das Team heute klein.
Abwechslung zum Alltag
Während die Filmcrew langsam alle Protagonisten zum Drehort lotst und sich einige Helfer die letzten Frühstücksbrötchen in den Mund schieben, haben immer noch nicht alle Komparsen ihre Uniform an. „Ich trage XS“, lügt Kramer, als er zwischen Socken und Unterwäsche nach der passenden Größe gefragt wird. Der Architekt, der sein Büro zum Tatort macht, hat sichtlich Freude an der Abwechslung zum Alltag. Davor war Kollege Daniel Jessen für seine Uniform gelobt worden. „Meine Frau sagt auch immer, ich kann alles tragen“, hatte der zum Besten gegeben. „Zum Beispiel den Müll nach draußen.“
Das Büro an der Weidestraße bildet im Tatort die Basis für die Ermittlungsarbeit. Die Kommissare bringen sich dort auf den aktuellen Stand und tauschen sich über mögliche Täter aus. Ein Verdächtiger soll heute noch vernommen werden. Neben Möhring und Weisz stehen Milan Peschel, Levin Liam, Charlotte Lorenzen und Oana Solomon noch bis zum 12. Oktober vor der Kamera. Die sechste Folge mit dem Ermittler-Duo Falke/Grosz wird unter Regie von Stephan Rick gedreht.
Eine Menge Zeit überbrücken
Die Umbauten im Architektenbüro hielten sich dafür in Grenzen. Eine röhrende Hebebühne und drei Ausrüstungstrucks sind noch die markantesten Botschafter der Aufnahmen. „Wir arbeiten für gewöhnlich mit zwei Bildschirmen pro Rechner, die Polizei nur mit einem, also musste die Hälfte der Monitore im Büro raus“, sagt Kramer. Die Telefone wurden leiser gestellt oder umgeleitet. Das war’s. „Einige von uns können während der Aufnahmen sogar ganz normal weiterarbeiten. Besser geht’s nicht“, sagt Kramer.
Da beim Film viel gewartet wird, müssen die Komparsen aber auch eine Menge Zeit überbrücken. Thematisch passende Fahndungsbilder des Büroleiters machen die Runde, er werde wegen eines illegalen Autorennens gesucht, soll nicht angesprochen werden, sei unberechenbar – die lieben Kollegen. Und während hier an einem Hosenbein genestelt wird, bestaunen andere ihre echt aussehende Spielzeugwaffe oder genießen das Tragen der Uniform. „Ein Kindheitstraum wird wahr“, sagt Henning Rotfuß. Da nimmt man wohl billigend in Kauf, dass die Dreharbeiten für schätzungsweise zwei bis drei Minuten Film einen ganzen Tag lang dauern.