Hamburg. Razzia in 13 Wohnungen. 35 Jahre alter Kleinkrimineller verhaftet. Neue Fotofahndung nach Brandstiftern von der Elbchaussee.
Sie hatten Steine auf Polizisten geworfen, Supermärkte geplündert und Autos in Brand gesetzt. Tausende Gewalttäter versetzen Hamburg beim G-20-Gipfel vor 14 Monaten in Angst und Schrecken. Jetzt hat die Soko „Schwarzer Block“ erneut 13 Wohnungen in der Hansestadt sowie jeweils eine Wohnung in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen durchsucht und einen 35 Jahre alten Mann in Winterhude festgenommen, der bereits einschlägig polizeibekannt war.
Gleichzeitig veröffentlichte die Polizei die Fotos von drei Männern und einer Frau. Sie gelten als die „Top-4“ der im Zusammenhang mit den G-20-Krawallen gesuchten Gewalttäter. Alle vier sollen an den Ausschreitungen auf der Elbchaussee beteiligt gewesen sein. Nach ihnen wird europaweit gefahndet.
„Mit der Veröffentlichung der Fotos haben wir einen weiteren wichtigen Schritt bei der Fahndung nach den Tätern von der Elbchaussee getan“, sagt Polizeisprecher Timo Zill.
Von etwa der Hälfte der Beteiligten hat die Polizei DNA-Spuren
Die 220 vermummten Täter, die auf der Elbchaussee wüteten, Autos ansteckten und in nur 19 Minuten einen Schaden in Höhe von rund 1,5 Millionen Euro anrichteten, gelten als harter Kern der militanten linksradikalen Szene Europas, die zum G-20-Gipfel nach Hamburg gekommen war. Die Fotos von ihnen sind j ein wichtiger Ermittlungsansatz der Polizei. Neun Beteiligte an den Ausschreitungen an der Elbchaussee konnten so bereits identifiziert werden. Es dürften noch weit mehr werden.
Was bislang nicht bekannt war: Von etwa der Hälfte der Beteiligten hat die Polizei DNA-Spuren sichern können. Über sie, so hoffen die Ermittler, werden in den nächsten Monaten oder sogar Jahren weitere Tatbeteiligte identifiziert. Dadurch erhofft man sich auch deutlichere Einblicke in das Netzwerk linksextremistischer Gruppierungen. Die Durchsuchungsaktion am Dienstagmorgen unter Leitung von Soko-Chef Jan Hieber richtete sich dagegen gegen zwölf Beschuldigte vornehmlich aus Norddeutschland im Zusammenhang mit der Demonstration „Welcome to hell“ am 6. Juli 2017 und den Ausschreitungen am folgenden Tag im Schanzenviertel.
Der 35 Jahre alter Mann, der gestern in Winderhude verhaftet wurde, war der Polizei bislang als gewöhnlicher Kleinkrimineller aufgefallen. Um 6 Uhr klingelten Polizisten an den Türen der Wohnungen in Winterhude, Altona, Eidelstedt, Eimsbüttel, Harburg, Hummelsbüttel, Horn, Rahlstedt und Wandsbek sowie außerhalb Hamburgs in Elmshorn und Dortmund. In den Händen hatten die Beamten die von der Staatsanwaltschaft erwirkten Durchsuchungsbeschlüsse. Viele der Betroffenen seien „völlig überrascht“ gewesen. In Sicherheit habe sich auch der 35-Jährige gewogen. Ihm wird vorgeworfen im Schanzenviertel an Ausschreitungen und Plünderungen beteiligt gewesen zu sein.
Offenbar hatte er 14 Monate nach den Taten nicht mehr damit gerechnet, dass er belangt wird. Gerade sein Fall zeigt, wie akribisch die Polizei arbeitet und über welche Menge von Beweismaterial sie verfügt, das wie Mosaiksteinchen zusammengeführt wird. Dem Mann aus Winterhude, der in einem unauffälligen Mehrfamilienhaus mit roter Backsteinfassade nahe des Osterbekkanals wohnt, konnten ihm 19 Würfe von Flaschen und Steinen sowie die Beteiligung an der Plünderung von zwei Supermärkten im Schanzenviertel zugerechnet werden.
Bei mehreren Verdächtigen fand die Polizei die Tatkleidung
Die Soko ist zufrieden. „Es konnten in mehreren Fällen Beweismittel, sogar noch Tatbekleidung, sichergestellt werden“, sagt ein Polizist. Außerdem wurden während der Aktion Computer und Datenträger sichergestellt. Bei der Durchsuchung in Altona fanden die Beamten in der Wohnung eines 23-Jährigen Rauschgift. Den zwölf Beschuldigten wird schwerer Landfriedensbruch, Widerstand gegen Polizeibeamte, tätlicher Angriff auf Vollstreckungsbeamte, Körperverletzung oder Eigentumsdelikte vorgeworfen.
Joachim Lenders, Landesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), wertet die Durchsuchungsaktion auch unabhängig von der Verhaftung und dem Auffinden von Beweismitteln als „großen Erfolg“. „Der Einsatz zeigt deutlich, wie hartnäckig die Polizei ermittelt, wie lang ihr Atem und ihr Arm ist“, sagt Lenders. „Gerade kurz nach den Ausschreitungen rund um den G-20-Gipfel hatte es länger gedauert, bis Ermittlungserfolge im Zusammenhang mit den Ausschreitungen sichtbar wurden. Jetzt zeigt sich, dass die Herangehensweise der Soko genau richtig ist.“
850 Personen konnten identifiziert werden
Bislang hat die Soko rund 3400 Ermittlungsverfahren bearbeitet. 850 Personen konnten identifiziert werden. Polizeiintern wurde bislang mit 585 Fotos gefahndet. So wurden 41 Beschuldigte sogar ohne Öffentlichkeitsfahndung identifiziert. 278 der Fotos wurden veröffentlicht. Das führte zu 71 weiteren Identifizierungen. 113 Fotos werden für eine europaweite Fahndung genutzt. Sie führte zur Identifizierung von vier Beschuldigten.