Hamburg. Sechs ausländische Studenten erzählen im Abendblatt, wie sich die Hansestadt von ihrer Heimat unterscheidet.

Deutschland ist weltweit als Studienstandort bekannt. Auch an den Hamburger Universitäten hat die Zahl der internationalen Studierenden stark zugenommen. Im Wintersemester 2009 waren es noch 5858, im Wintersemester 2015 bereits 7163. Wie sehen sie Deutschland? Weshalb kommen sie hierher? Das Abendblatt hat sich im Studentenwohnheim an der Unnastraße (Eimsbüttel) umgehört.

Hiba Khan: Als ich das erste Mal ins Studentenwohnheim kam, hat die Tutorin mich zunächst über die Mülltrennung informiert. Es sei in Deutschland sehr wichtig, den Müll zu trennen. Wenn ich zurück nach Pakistan gehe, werde ich da auch versuchen, den Müll zu trennen. Aber ich weiß noch nicht, ob ich nach dem Studium diese schöne Stadt verlassen will. Ich finde, dass es viel günstiger ist, ein Studium in Deutschland zu absolvieren als in Ländern wie den USA oder in England. Meine Semestergebühr liegt bei nur rund 300 Euro pro Semester, das Bildungssystem ist hier sehr gut für den Preis.

Ich denke, Hamburg ist genau meine Stadt, weil es international ist und die Leute hier sehr offen sind. Zum Beispiel kann ich mit fast allen Leuten auf der Arbeit oder zu Hause auf Englisch reden. Als ich nach Deutschland kam, war ich erst in Düsseldorf, da war ich nicht sehr zufrieden, weil ich dort nicht überall Englisch sprechen konnte, aber in Hamburg habe ich keine Schwierigkeiten. Doch in den nächsten Wochen möchte ich anfangen, Deutsch zu lernen.

„Die beste Stadt der Welt – bis auf die hohen Mieten“

Baris Usseli: Seit zwei Jahren lebe ich in Deutschland. Ich wollte meine Zeit nicht an einer türkischen Universität verschwenden, weil ich dort keine Zukunft gesehen habe – eine richtige Entscheidung, wie die aktuelle Situation in der Türkei zeigt. Wäre ich dort geblieben, hätte ich auch Militärdienst ableisten müssen. Ich habe mich für Hamburg entschieden, weil Hamburg meine Lieblingsstadt ist, ich glaube, sie ist die beste Stadt der Welt, echt! Hier kann man so viel unternehmen. Aber versuchen Sie mal, bezahlbaren Wohnraum zu finden! Ich musste schon fünfmal umziehen, weil viele Vermieter ihre Wohnungen nicht an Studenten vergeben.

Baris Usseli aus der Türkei
Baris Usseli aus der Türkei © Klaus Bodig / HA

Als Student ist es total anstrengend, eine WG zu finden. Ich bin deshalb in das Studentenwohnheim gezogen. Es gibt in der Nähe viele tolle Konzerte. Wenn ich Zeit habe, spiele ich sehr gerne Keyboard. Jetzt würde ich gern eine Band gründen. PS: Ich studiere, weil es Spaß macht, ich studiere nicht, um dann einen Acht-Stunden-Job zu machen. Wenn ich das gewollt hätte, hätte ich einfach Informatik studiert.

„Das Bildungssystem ist besser als in China“

Xiangju: Seit zwei Monaten lebe ich in diesem Wohnheim und bin ganz glücklich, hier zu wohnen. Alle helfen einander. Wenn ich ein Paket bekommen habe, holt das immer jemand für mich ab, wenn ich nicht kann. Die deutsche Sprache ist sehr schwer. Aber ich gebe mir viel Mühe, sie zu beherrschen, weil ich nach dem Studium in Hamburg bleiben möchte. Je besser ich Deutsch sprechen kann, desto bessere Arbeitsmöglichkeiten habe ich.

 Xiangju ( 25 ) aus China
Xiangju ( 25 ) aus China © Klaus Bodig / HA

Das Studium fällt mir ex­trem schwer. Das Bildungssystem hat eine hohe Qualität in Deutschland, und das ist nicht nur für mich schwierig, sondern auch für andere Studenten, die aus dem Ausland kommen. Es gibt viele ausländische Studenten, die wegen der Sprache ihr Studium abbrechen. Ich merke, dass es einen großen Unterschied zwischen dem chinesischen und dem deutschen Bildungssystem gibt. Das ist besser als in China. Die Dozenten sind hier ganz gut qualifiziert. In Hamburg mag ich den Fischmarkt besonders. Ich gehe da gern hin und sehe mir die Leute an, die die ganze Nacht gefeiert haben, das finde ich sehr lustig.

„Busse und Bahnen sind viel bequemer als in Tokio“

Yumi Yoshinari: Ich habe zuvor in Japan Klavier gelernt. Ich möchte mich verbessern. Im Studentenwohnheim habe ich verschiedene Kulturen kennen­gelernt. Wenn ich irgendwo hinreise, werde ich keinen Kulturschock mehr erleben, weil ich mich hier an außergewöhnliche Sachen gewöhnt habe. Ich mag diese Stadt sehr. Es ist auch entspannend für mich. Früher habe ich in der Nähe Tokios gewohnt und musste fast jeden Tag mit der Bahn in die Stadt pendeln. Die Bahnen waren ganz voll, und das war sehr anstrengend für mich. Hamburg ist sehr bequem, ich kann mit meinem Semesterticket Busse und Bahnen benutzen. Das ist auch nicht so teuer wie in Tokio.

Yumi Yoshinari aus Japan
Yumi Yoshinari aus Japan © Klaus Bodig / HA

Außerdem finde ich Hamburg sehr modern. Leider fehlen die alten Gebäude. Aber ich habe schon davon gehört, dass im Krieg vieles zerstört worden ist. Mein schönstes Erlebnis in Deutschland war, als meine Lehrerin mich zu Weihnachten zum Essen eingeladen hatte. Das Weihnachtsfest finde ich sehr interessant, weil die Leute schon Wochen zuvor mit den Vorbereitungen beginnen.

„Bier ist günstig, und die Menschen feiern lange“

Amakom Augustine: Ich habe hier in kürzester Zeit viele Leute kennengelernt. Das Wohnheim ist sehr sauber. Was man braucht, kann man hier finden, zum Beispiel Fernsehanschluss, Internet, Parkplätze für Autos und Räder. In Deutschland sind Autos sehr günstig, fast jeder kann sich das leisten. In meinem Heimatland Nigeria muss man richtig reich sein, um ein Auto zu kaufen. Mir ist auch aufgefallen, dass die Deutschen viel Bier trinken. Das Bier kostet auch sehr wenig Geld. Außerdem finde ich interessant, dass am Wochenende viele Menschen bis in den Morgen feiern, sogar bis 8 Uhr oder 9 Uhr.

Amakom Augustine ( 30 ) aus Nigeria
Amakom Augustine ( 30 ) aus Nigeria © Klaus Bodig / HA

Ich sehe auch, dass Deutsche großen Respekt vor der Natur haben. Im Wald gibt es sogar Mülleimer. Ich kann sagen, dass Deutschland ein gutes soziales Land ist. Zum Beispiel gibt es viele Beratungsstellen. Wenn man Hilfe braucht, dann kann man sich an sie wenden. Das Bildungssystem ist deutlich besser als in meinem Heimatland. Aber ich möchte nach dem Studium zurückgehen, weil das Land, aus dem ich komme, qualifizierte Menschen braucht.

„In Österreich sind die Menschen lockerer und spontaner“

Jack Mävrer: Ich mag die Hamburger Klassiker, den Hafen zum Beispiel. Mein Lieblingsplatz aber ist das Aquarium in Hagenbecks Tierpark. Ich liebe es, dort zu sitzen und zu zeichnen. Ich bin fast jeden Tag in der Stadt unterwegs, besonders gerne mit der Fähre. Am Wochenende gehe ich manchmal im Wald in Niendorf spazieren. Und wenn ich freihabe, gehe ich öfter ins Fitnessstudio und boxe. Das tut mir gut, auf diese Weise kann ich meine Aggressivität abbauen. Jetzt kommt ein großes Aber: Dieser viele Regen in Hamburg, der nervt einfach nur.

Nach dem Studium werde ich wahrscheinlich zurückgehen – Hamburg ist mir zu teuer und auch zu groß. Es gibt in Deutschland zu viele Regeln, irgendwie ist alles so durchgeplant. Da ist zum Beispiel die Pünktlichkeit, ich selbst bin da nicht so streng. Es fällt mir manchmal schwer, immer pünktlich bei der Arbeit oder bei einem Termin zu sein. Außerdem sind die Leute hier nicht so locker und spontan wie bei uns in Österreich. Noch ein Unterschied, der mir aufgefallen ist: In Deutschland sind nicht nur Glasflaschen, sondern auch Plastikflaschen pfandpflichtig. Irgendwie kurios.

Das Bildungssystem ist ähnlich konzipiert wie bei uns in Österreich. Da lernt man viele Sachen, die man aber nie in seinem Leben braucht. Aber is’ klar: Natürlich muss man einige Sachen lernen – auch wenn ich finde, dass vieles davon unnötig ist. Es wäre sinnvoller, nützlichere Sachen zu lernen.