Hamburg. Schuld sind hohe Lebenshaltungskosten. Was Gesundheitsminister Jens Spahn bei seinem Besuch im Hamburger Klinikum noch erfuhr.
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn ist am Freitagmorgen nach Hamburg gekommen, um zu lernen: Der CDU-Politiker besuchte die Martini-Klinik am Universitätsklinikum Eppendorf (UKE), die mit 2400 Prostatakrebs-Operationen im Jahr weltweit führend ist und vor allem mit ihrer Qualitätsentwicklung Maßstäbe setzt. Das Klinikteam befragt die Patienten systematisch und jahrzehntelang immer wieder nach den Ergebnissen der Behandlung und dem Krankheitsverlauf.
Lernen konnte Gesundheitsminister Spahn am UKE aber auch viel über die Not der Pflegekräfte. Stationsleiterin Anja Köster berichtete, wie schwierig es für die Pfleger ist, mit ihrem Gehalt in einer Großstadt wie Hamburg das Leben zu finanzieren. „Der Großteil unserer Mitarbeiter hat einen Zweitjob“, erzählte sie.
Auch wenn viele der Pfleger im Schichtsystem arbeiteten, müssten sie nebenher etwas dazuverdienen – insbesondere, um sich die teuren Wohnungen in der Hansestadt leisten zu können. Meist würden die Anträge auf Nebentätigkeit genehmigt, auch um überhaupt neue Pflegekräfte rekrutieren zu können. Diese starteten mit einem Bruttogehalt von rund 2800 Euro, so Köster. Am gesamten UKE haben rund zehn Prozent der Pflegekräfte eine Nebentätigkeit angezeigt.
Bessere Bezahlung und Ausbildungsoffensive
Das Klinikum hat die hohen Wohnkosten im Blick und greift zu drastischen Maßnahmen: „Wir versuchen, mit einem Großinvestor Wohnungen zu bauen“, kündigte UKE-Direktor Professor Burkhard Göke im Gespräch mit Spahn an. Geplant seien etwa 300 bis 400 neue Einheiten. Das UKE verfügt bereits über 300 Wohnungen in fünf Häusern am Grandweg in Lokstedt, rund 15 Minuten zu Fuß vom Krankenhaus entfernt, die vor allem von Auszubildenden des UKE bewohnt werden – sie sind heiß begehrt.
Gesundheitsminister Spahn versicherte: „Wir sind an dem Thema dran.“ Er verwies auf Beschlüsse zur besseren Finanzierung der Pflegekräfte sowie eine Ausbildungsoffensive und bekräftigte seinen Plan, wonach ab 2020 jedes Krankenhaus eine bestimmte Untergrenze beim Pflegepersonal einhalten muss. „Die Zahl der Pflegekräfte wird ins Verhältnis gesetzt zu der Zahl der behandelten Patienten pro Jahr“, sagte der Minister. „Eine Klinik, die dauerhaft und strukturell zu wenig Pflegekräfte hat, muss entweder mehr Pflegekräfte einstellen oder aber weniger Patienten behandeln. Alles andere würde Patienten gefährden.“
Das soll die Kliniken dazu anhalten, sich mit noch größerem Nachdruck um die Ausbildung und Anwerbung von Pflegekräften zu bemühen. Sicherheit und Qualität müssten in den Kliniken Vorrang haben. „Wenn das bedeutet, dass manche Krankenhausabteilungen schließen müssen, dann ist das so“, erklärte er.
UKE befragt 27.000 frühere Patienten pro Jahr
Vor allem aber wollte Spahn etwas über die wegweisende Qualitätssicherung der Martini-Klinik erfahren, die als „das Martini-Prinzip“ bekannt geworden ist. Denn das Team um die Klinikleiter Prof. Hartwig Huland und Prof. Markus Graefen bewertet nicht nur die unmittelbaren Operationsergebnisse, sondern befragt die Patienten regelmäßig auch nach einer Woche, sechs Monaten und dann jährlich zur Ergebnis- und Lebensqualität. So werden jährlich mittlerweile 27.000 ehemalige Patienten angeschrieben. Anhand der Ergebnisse kann evaluiert werden, welche Behandlungsformen – auch langfristig – die besten Ergebnisse für die Patienten bringen, insbesondere im Hinblick auf Kontinenz und Potenz, die bei der Behandlung von Prostatakrebs eine große Rolle spielen. Da erreicht die Martini-Klinik Spitzenwerte.
Auch die Ergebnisse der einzelnen Operateure werden ausgewertet, sodass die Kollegen voneinander lernen können. „Solange wir uns nicht messen und die Ergebnisse auswerten, werden wir uns nicht weiterentwickeln“, sagte Prof. Graefen. „Dieses übergeordnete Ziel sollte das Handeln jeder Klinik ausmachen“, findet auch Prof. Huland. Auch in der Neurologie des UKE läuft ein Modellprojekt, bei dem Schlaganfallpatienten im Krankenhaus und dann nach drei und zwölf Monaten zu ihrem körperlichen und seelischen Befinden befragt werden.
Jens Spahn zeigte sich beeindruckt: „Das sollte Schule machen“, sagte er und lobte die Martini-Klinik als „herausragendes Beispiel für deutsche Spitzenmedizin“. Andere könnten davon lernen. „Mediziner müssen im Interesse der Patienten die Bereitschaft haben, sich infrage zu stellen.“