Hamburg. Die Einrichtung hilft Eltern mit schwierigen Kindern. Finanzierungsverhandlungen mit der Behörde gescheitert.

Es ist eine Nachricht, die Jugendpsychologen, Präventionsberater, Babylotsen, Therapeuten und Familien in Hamburg erschüttert. Das Angebot der Schreibaby-Ambulanz Hamburg (SBA) wird zum 31. August eingestellt. Die Verhandlungen mit der Behörde für Arbeit, Soziales, Familie und Integration (BASFI) über eine zuverlässige Finanzierung der in Hamburg seit zehn Jahren erfolgreich tätigen Einrichtung sind gescheitert. Damit verliert die Hansestadt ein wichtiges Angebot der frühen Hilfen.

Die Anlaufstelle für Eltern mit Schreibabys – das sind Babys, die an mehr als drei Tagen pro Woche über mehr als drei Wochen drei Stunden und mehr täglich schreien – hat in den vergangenen Jahren bis zu 100 Familien pro Jahr betreut. Anfang November 2017 feierte das Projekt sein zehnjähriges Bestehen. Doch die Zukunft des rein durch Spenden finanzierten Angebotes war bereits zu dem Zeitpunkt ungewiss, da die Einnahmen bei Weitem nicht die laufenden Kosten deckten (das Abendblatt berichtete).

Die Babyfoto-Galerien des Abendblatts

„Aus diesem Grund hatten wir bereits 2017 bei der BASFI um finanzielle Unterstützung angefragt“, sagt Beraterin Monika Wiborny. Doch diese war ausschließlich bereit, Familien mit Hartz IV zu fördern. Die Therapeutin lehnte das Angebot ab. Der Grund: Die SBA hätte in dem Fall keine Kapazitäten mehr für andere Familien vorhalten können. „Wir wollten aber für alle Hamburger Familien da sein“, sagt Monika Wiborny.

Kommentar: Hilfeschrei für Schreibabys

Aus diesem Grund stellte sie im Dezember 2017 einen erneuten Antrag zur Förderung der Ambulanz bei der BASFI. „In den folgenden Monaten ist es immer wieder zu Verzögerungen, Nachforderungen von Unterlagen und Verschiebungen bei den Verhandlungen gekommen“, sagt Monika Wiborny. Ende Mai schließlich scheiterten die Verhandlungen. Schreibaby-Ambulanz und Behörde konnten sich nicht über die Höhe der Honorarsätze einigen.

Stundensatz von 60 Euro gefordert

Die SBA hatte einen Stundensatz von 60 Euro gefordert. Die Behörde hingegen errechnete je nach Qualifikation und Tätigkeit einen Stundensatz zwischen 35,01 und 40 Euro und hat keinen weiteren Verhandlungsspielraum. „Im Zuwendungsrecht gilt das ‚Besserstellungsverbot‘“, sagt Behördensprecher Marcel Schweitzer. „Das bedeutet: Wir dürfen Zuwendungsempfängern nur so viel Geld für Personalausgaben geben, wie man für die vergleichbare Tätigkeit im öffentlichen Dienst erhalten würde.“

Im vorliegenden Fall komme erschwerend hinzu, dass es bundesweit kein definiertes Berufsbild für jemanden gibt, der in einer „Schreibaby-Ambulanz“ arbeitet. Im gesamten Bundesgebiet gebe es diverse Hilfsangebote. Die Inhalte und Qualität dieser Angebote seien verschieden und abhängig von der Qualifikation der Personen.

Folgekosten für die Gesellschaft

Darüber, dass Monika Wiborny, die nicht nur ausgebildete Krisenbegleiterin, sondern auch studierte Sozialpädagogin und gelernte Körpertherapeutin ist, in den vergangenen Jahren außergewöhnlich gute Arbeit geleistet hat, sind sich die Kollegen anderer sozialer Einrichtungen in der Frühen Hilfe einig. „So ein großes erfolgreiches Engagement über zehn Jahre und öffentliche Wertschätzung ohne positive Auswirkungen ist für eine Stadt wie Hamburg armselig“, sagt die Kinder- und Jugendärztin Dagmar Brandi vom Verein „Von Anfang an“.

„Ohne die Schreibaby-Ambulanz Hamburg werden viele Eltern viel zu spät die notwendige frühe Hilfe erfahren.“ Die Folgen für die Familien seien traurig, die Folgekosten für die Gesellschaft ein Skandal. Nicole Hellwig von der Stiftung SeeYou ist vom Ende der SBA in Hamburg erschüttert: „Das ist eine sehr traurige Nachricht, und das in Zeiten, in denen das Bewusstsein für die Verletzlichkeit von Säuglingen wächst und parallel eine große Offensive des Nationalen Zentrums Frühe Hilfen zum Thema ‚Schütteltrauma‘ läuft.“

Suche nach einem Träger

Künftig wird es das Angebot des SBA-Kompetenzzentrums Frühe Hilfen e.V. nur noch in Berlin und Stormarn geben. Dort zum Beispiel wird die Krisenhilfe im Rahmen des Landesprogramms Schutzengel vor Ort und vom Kreis Stormarn finanziert. Eltern zahlen pro Sitzung einen Eigenanteil in Höhe von 10 Euro. Auf diese Weise können bis zu zehn Sitzungen finanziert werden. Monika Wiborny kann nicht verstehen, dass eine ähnliche Lösung­ in Hamburg nicht möglich ist.

Diese will allerdings auch künftig nicht auf das Angebot verzichten und hat nun die Suche nach einem Träger gestartet, der ein Angebot wie das der SBA in Hamburg zu anderen Konditionen durchführen kann. In der Ausschreibung heißt es: „Die BASFI möchte ab 1.1.2019 eine Beratungsstelle für Eltern, deren Säuglinge/Kleinkinder ein exzessives Schreiverhalten zeigen („Schreiambulanz“), fördern (…). Es wird der Träger ausgewählt, der die Anforderungen maßgeblich erfüllt und von dem zu erwarten ist, dass er die fachlichen Ziele und Zwecke am besten erreicht. Bei fachlich gleichwertigen Bewerbungen wird die Bewerbung mit dem geringsten Zuwendungsbedarf beziehungsweise mit dem höchsten Eigenmittelanteil ausgewählt.“