Hamburg. Nach Kritik von Rechtsmediziner: Krankenhaus-Betreiber und Senatorin loben Warnsystem. Hygienemängel festgestellt.

Wie groß ist die Gefahr durch Keime in Krankenhäusern? Nach einer eindringlichen Warnung des renommierten Rechtsmediziners Prof. Klaus Püschel und dem Bekanntwerden vermehrter Ausbrüche von Erregern ist eine Diskussion darüber entbrannt, ob ausreichend Vorsorge getroffen wird. Nach einer neuen Statistik werden in einem Großteil der Hamburger Kliniken regelmäßig hygienische Mängel festgestellt. Die Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks (SPD) sieht das Kontrollsystem jedoch als intakt an.

Ausweitung der Meldepflicht

„Das Infektionsgeschehen unterliegt Schwankungen“ sagte Prüfer-Storcks dem Abendblatt auf Anfrage. Der jüngste Anstieg der Fallzahlen in einigen Bereichen sei auch mit der Ausweitung der Meldepflicht zu erklären. Wie berichtet, war im vergangenen Jahr etwa bei mehr Patienten der multiresistente Erreger MRSA festgestellt worden. Vermehrt kam es in Hamburger Kliniken auch zu Ausbrüchen von sogenannten gramnegative Keimen, die als besonders gefährlich gelten.

Laut der Senatsantwort auf eine Kleine Anfrage des Linken-Abgeordneten Deniz Celik starben in den vergangenen zweieinhalb Jahren mindestens 17 Personen an Keiminfektionen. Der Rechtsmediziner Püschel hatte von einer „nicht unerheblichen Dunkelziffer gesprochen“. Im Gegensatz zu Berlin werden in Hamburg nicht alle tödlich verlaufenden Infektionen erfasst.

In der Hauptstadt waren in den vergangenen neun Jahren insgesamt mehr als 500 Menschen in Folge einer Keiminfektion verstorben. Auch wurde etwa der Vorfall im Februar im AK St. Georg, bei dem Teile der Intensivstation gesperrt werden mussten, nicht in der Senatsstatistik vermerkt. Zehn Ausbrüche von Keimen in Kliniken im Jahr 2017 wurden erst jetzt bekannt.

Asklepios und UKE betonen Gegenmaßnahmen

Die Gesundheitssenatorin betont nun, dass aus rechtlichen Gründen zwar nicht jeder Ausbruch selbst öffentlich gemacht werde – dass dem Problem aber entschieden begegnet werde: „Wichtig ist, dass die Verantwortlichen, wenn Keime auftreten und festgestellt werden, schnell und gezielt handeln“, sagte Prüfer-Storcks. Dass dieses Hygienemanagement „durchaus gut“ funktioniere, sei daran abzulesen, dass auch bei Ausbrüchen von Keimen die Zahl der Infektionen „vergleichsweise gering“ gehalten werde.

Unzureichende Hygiene

Wie aus der Senatsantwort auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion hervorgeht, stellen die Gesundheitsämter jedoch seit Jahren immer wieder Mängel in den Kliniken fest. In den Bezirken Altona, Nord, Wandsbek und Bergedorf wurde nach einer Auswertung des Abgeordneten Deniz Celik bei jeder der mehr als 200 Kontrollen seit dem Jahr 2012 auch unzureichende Hygiene festgestellt, die die Verbreitung von Keimen befördern können – und teils Nachbesserung gefordert.

In der absoluten Mehrheit der Fälle handelte es sich laut Senatsantwort um keine „gravierenden Mängel“, nähere Details sind nicht angegeben. Für den Linke-Abgeordneten Celik sind die Zahlen dennoch ein „deutliches Indiz dafür, dass im Hinblick auf die Hygiene in den Hamburger Kliniken vieles im Argen liegt“. Dass nur im Bezirk Eimsbüttel überhaupt keine Mängel festgestellt worden seien, deute zudem auf unterschiedliche Standards der Gesundheitsämter hin. Er kritisierte auch eine sinkende Zahl von Kontrollen und fehlende ausgebildete Reinigungskräfte. Dagegen fordert er „unangemeldete Kontrollen und harte Sanktionen“.

„Verunsicherung der Patienten“

Gesundheitssenatorin Prüfer-Storcks spricht dagegen davon, dass sich in den vergangenen Jahren „eine sehr gute Kooperation und frühzeitige Einbindung bei Auffälligkeiten zwischen Krankenhäusern und Bezirken“ entwickelt habe. Der Krankenhausbetreiber Asklepios spricht von einer „Verunsicherung der Patienten“. Die Zahl der Fälle mit multiresistenten Erregern sei sogar zurückgegangen.

45 hygienebeauftragte Ärzte

Dazu hätten die Maßnahmen der Krankenhäuser beigetragen, zu denen auch ein Screening-Verfahren gehöre und „nachweislich zunehmend aufwendigere Hygienemaßnahmen“. Risikopatienten würden genau untersucht. Bei einem Keim-Befall würden die Hygienemaßnahmen gesteigert und Patienten isoliert. Asklepios spricht davon, dass neun von zehn Patienten, bei denen Keime festgestellt werden, diese schon mit in die Klinik gebracht hätten. Auch das UKE spricht auf Anfrage davon, dass die eigenen Hygienestandards etwa weit über den Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts lägen – zudem gebe es 45 hygienebeauftragte Ärzte und „Hygienementoren“ unter den Pflegekräften.

Der Rechtsmediziner Klaus Püschel hatte im Gespräch mit dem Abendblatt kritisiert, dass Keiminfektionen mutmaßlich nicht vollständig diagnostiziert und gemeldet würden. Zwar seien viele Gegenmaßnahmen ergriffen worden – da sich gefährliche Keime immer stärker verbreiteten, kämen die Krankenhäuser im Ergebnis am Ende jedoch schlechter mit den Erregern zurecht als früher.

Die gesundheitspolitische Sprecherin der FDP-Fraktion, Jennyfer Dutschke forderte vom Senat, eine verpflichtende Eingangsuntersuchung von Patienten auf Keime zu prüfen. „Multiresistente Keime sind ein zunehmendes Problem im Krankenhausalltag. Umso wichtiger sind wirkungsvolle Maßnahmen.“