Hamburg/Berlin. Gründe für die gute Platzierung: Schüler starten in der ersten Klasse mit Englisch und liegen bei „Internationalisierung“ ganz vorn.
Die Kindertagesstätten, Schulen und Hochschulen in Hamburg haben ihren vorderen Platz im Länderranking des „Bildungsmonitors“ behaupten können. Der Stadtstaat belegt Rang fünf unter den 16 Ländern und hat sich im Fünf-Jahres-Vergleich nach dem Saarland am zweitstärksten verbessert.
Seit 2004 untersucht das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) jährlich im Auftrag der arbeitgebernahen Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft, wie leistungsfähig die Bildungssysteme sind. Der Ländervergleich nimmt zwölf Handlungsfelder mit 93 Indikatoren in den Blick. Dabei geht es unter anderem darum, inwieweit ein Land Bildungsarmut reduziert, zur Fachkräftesicherung beiträgt, wie hoch die Investitionsquote, die Quote der Schulabbrecher und wie gut die Betreuungsschlüssel sind. Das IW nutzt für den „Bildungsmonitor“ ausschließlich zugängliche Quellen wie Schülerleistungstests und Behördenmaterialien und stellt keine eigenen Untersuchungen an.
Die gute Platzierung Hamburgs ist auf folgende zentrale Punkte zurückzuführen: Alle Grundschüler starten bereits in der ersten Klasse mit Englisch, der Leistungsstand in diesem Fach ist später vergleichsweise hoch. Im Handlungsfeld „Internationalisierung“ liegt Hamburg unter den 16 Ländern auf Platz eins. Die Sachausgaben an Schulen und Hochschulen sind relativ hoch. Die Schüler-Lehrer-Relation an Grundschulen und in der Sekundarstufe I ist besonders günstig. Schließlich: Viele Schüler können eine Ganztagsschule besuchen. Der Anteil der Grundschüler, die diese Angebote nutzen, liegt derzeit bei knapp 84 Prozent.
In Hamburg haben laut „Bildungsmonitor“ 11,9 Prozent der Kita-Beschäftigten einen akademischen Abschluss – im Bundesdurchschnitt sind es nur 6,9 Prozent. Allerdings ist auch der Anteil der Ungelernten in den Kitas mit 5,6 Prozent höher als auf Bundesebene (zwei Prozent).
Schüler haben Defizit bei der Lesekompetenz
Deutliches Verbesserungspotenzial besteht laut „Bildungsmonitor“ im Bereich Lesen: Von den Hamburger Viertklässlern erreichten 14,2 Prozent 2016 nicht den Mindeststandard. In Hamburg verließen 5,9 Prozent der Schulabgänger die Schule ohne Abschluss – im Bundesdurchschnitt waren es 5,7 Prozent. Der „Bildungsmonitor“ fasst diese Aspekte unter der Überschrift „Bildungsarmut“ zusammen und weist Hamburg Platz 13 zu. Über den gleichen Rang kommt die Hansestadt auch nicht bei dem Aspekt Integration hinaus: Es gebe einen „sehr engen Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und Bildungserfolg“.
Erstmals hat der „Bildungsmonitor“ die Digitalisierung im Bildungsbereich analysiert. Hamburg erhält hier eine durchschnittliche Bewertung. Bei der IT-Ausstattung der Schulen, der Medienkompetenz der Lehrer und der Nutzung digitaler Medien liegt der Stadtstaat im Mittelfeld der Länder. Bei der Förderung digitaler Kompetenzen der Schüler ist das Ergebnis sogar unterdurchschnittlich. Nachholbedarf gebe es auch bei der Forschung: Pro 100.000 sozialversicherungspflichtig Beschäftigten wurden im Jahr 2015 in Hamburg 6,1 Digitalisierungspatente angemeldet, im Bundesdurchschnitt waren es 13,3.
„Hamburg hat sich schon vor Jahren aufgemacht, um den Mitteleinsatz im Bildungsbereich besser zu steuern. Gleichzeitig wurde gerade in die Grundschulen kräftig investiert, was sich nun auszahlt“, sagt Peter Golinski, Geschäftsführer für Bildung bei den Arbeitgeberverbänden Nordmetall und AGV Nord. „Immer noch erreichen viele Schüler bei den Lesefähigkeiten in Deutsch nicht einmal die Mindeststandards. Besorgniserregend ist auch der sehr enge Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und Bildungserfolg in Hamburg“, sagt Golinski. Der Landesvorsitzende des Verbands Die Familienunternehmer, Andreas Fischer-Appelt, fordert die Einführung des Wahlpflichtfachs Informatik an Schulen.
CDU: Rot-Grün bekommt Defizite nicht in den Griff
„Rot-Grün bekommt die Defizite im Bereich Lesen und Integration einfach nicht in den Griff“, sagt Birgit Stöver, schulpolitische Sprecherin der CDU-Bürgerschaftsfraktion. „Kosmetische Maßnahmen werden die massiven Fehler der Vergangenheit nicht aufwiegen können. Die vollkommen missglückte Inklusion wird den Schulalltag noch viele Jahre belasten.“ Alarmierend sei auch das durchschnittliche Ergebnis bei der „Zukunftsherausforderung Nummer eins, der Digitalisierung“.
Die FDP-Schulpolitikerin Anna von Treuenfels-Frowein lobte zwar den „guten fünften Platz“ Hamburgs, sieht aber Verbesserungsbedarf vor allem bei der Bildungsgerechtigkeit. „Damit alle Menschen ihre individuellen Talente unabhängig von ihrer Herkunft entfalten können, brauchen wir die systematische Stärkung der Grundkompetenzen Rechnen, Schreiben, Lesen“, so Treuenfels-Frowein. Es sei verheerend, wenn beim Lesen rund jeder siebte Schüler noch nicht einmal den Mindeststandard erreiche. „Rot-Grün ist es den Schülern schuldig, hier nachhaltig gegenzusteuern“, sagt die Liberale.
„Ich freue mich über die Anerkennung, das ist Rückenwind für unsere Arbeit“, sagt Schulsenator Ties Rabe (SPD). Die Verbesserungen des Hamburger Schulsystems hätten auch andere Vergleichsstudien aufgezeigt.