Hamburg/Wien. Im Städteranking des „Economists“ auf Platz 18 abgerutscht. Wien liegt erstmals an der Spitze. Das sind die Gründe im Vergleich.
Premiere für Wien, Absturz für Hamburg – laut aktuellem Ranking des Magazins „Economist“ ist die österreichische Hauptstadt neuer Spitzenreiter bei der Lebensqualität und hat als erste europäische Metropole überhaupt den ersten Platz bei der jährlichen „Economist Intelligence Unit Global Survey“ belegt. Hamburg dagegen ist von Platz 10 auf Platz 18 abgerutscht. Das bedeute nicht unbedingt, dass die Lebensqualität nachgelassen habe, heißt es einschränkend, vielmehr hätten sich andere Städte verbessert und seien vorbeigezogen. Bestplatzierte deutsche Stadt ist jetzt Frankfurt auf Platz 12.
Nach sieben Jahren gab es einen Wechsel an der Spitze – Melbourne wurde von Wien enttrohnt. Ganz unten auf der Liste stehen Damaskus (Syrien), Dhaka (Bangladesch), Lagos (Nigeria), Karatschi (Pakistan) und Port Moresby (Papua-Neuguinea). Insgesamt wurden 140 Großstädte weltweit nach Kriterien wie Infrastruktur, Bildung, Gesundheitsversorgung, Stabilität und Kultur miteinander verglichen. Wien erhielt von 100 möglichen Punkten 99,1.
Wien ist Top auch bei der Mercer-Studie
Für Wien kommt die neue Ehre nicht wirklich aus heiterem Himmel. Schon in der Studie des internationalen Beratungsunternehmens Mercer, die jedes Jahr die Lebensqualität in 231 Metropolen untersucht, wurde Wien in diesem Jahr bereits zum neunten Mal in Folge zur lebenswertesten Stadt weltweit eingestuft. Die Mercer-Studie richtet sich an Regierungen und Unternehmen, die Mitarbeiter ins Ausland entsenden. Vor allem die gute Sicherheitslage, der gute öffentliche Nahverkehr sowie die vielen kulturellen Einrichtungen und Freizeitmöglichkeiten waren für die Platzierung ausschlaggebend.
Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) stimmt die Wertung des „Economists“ jedenfalls sehr fröhlich: „Es freut mich, dass Wien diese Auszeichnung erhalten hat“, sagte er dem Abendblatt. „Wir werden alles daransetzen, dass unsere Stadt auch in Zukunft diese Lebensqualität hält und eine Stadt bleibt, in der alle die gleichen Chancen haben und in der der soziale Zusammenhalt Bestand hat.“
Platz für Einwohner durch Stadtentwicklungsprogramm
Aber was hat Wien, was Hamburg nicht hat? Wo sind uns die Österreicher voraus? Hamburg hat die Elbphilharmonie, Wien eine weltbekannte Staatsoper und die Wiener Philharmoniker, Hamburg das Schauspielhaus, Wien das Burgtheater. Beide Städte sind zudem wachsende Metropolen. In Wien leben derzeit 1,867 Millionen Menschen, in Hamburg 1,81 Millionen. Das Wachstum in Wien sei bedingt durch Zuzüge etwa nach der EU-Osterweiterung, durch Flüchtlinge, aber auch durch ein Geburtenplus, sagt Peter Wieser vom Magistrat 23 der Wiener Stadtverwaltung. „Wien war eine alternde Stadt. Jetzt sind wir das jüngste aller Bundesländer.“ Auch Hamburg verzeichnet allerdings wachsende Geburtenzahlen.
Die Zweimillionengrenze wird in Wien voraussichtlich 2024/2025 erreicht. So viele Einwohner habe Wien zuletzt vor dem Ersten Weltkrieg gehabt, sagt Wiesner. Die Zweimillionengrenze in Hamburg wird wohl frühestens 2030 überschritten.
Immobilienmarkt in Hamburg angespannter
Um Platz für mehr Einwohner zu schaffen, wird in der Donaumetropole ein großes Stadtentwicklungsprojekt vorangetrieben. „In der Seestadt Aspern sollen 20.000 Menschen wohnen und 20.000 Menschen arbeiten“, so Wieser. Die U-Bahn dorthin wurde als Erstes fertiggestellt, die Seestadt ist noch im Bau, aber bereits teilweise bezogen. Auch Hamburg hat mehrere große Wohnbauprojekte, so sollen etwa in Oberbillwerder ein neuer Stadtteil mit 7000 Wohnungen entstehen, doch die Umsetzung dauert noch.
Der Immobilienmarkt ist in der Hansestadt deutlich angespannter als in Wien. Mit 200.000 Wohnungen im städtischen Eigentum (den sogenannten Gemeindebauten) sowie weiteren gut 200.000 geförderten Wohnungen, sind die Chancen dort deutlich größer als in Hamburg, eine preiswerte Bleibe zu finden.
Ein Bonus für Langzeit-Wiedern
Der Zugang zu diesen Wohnungen ist an gewisse Einkommensgrenzen gekoppelt, die aber bewusst vergleichsweise hoch sei, sagt Wieser, um eine soziale Durchmischung zu gewährleisten: Für Einzelpersonen liegen sie bei einem Nettojahreseinkommen von 45.510 Euro, für einen Dreipersonenhaushalt bei 76.750 für eine vierköpfige Familie bei 85.670 Euro. Auch wer später mehr verdient, muss nicht ausziehen. In Hamburg darf künftig ein Einpersonenhaushalt für eine Sozialwohnung maximal über 25.900 Euro verfügen, ein Dreipersonenhaushalt über 48.900 Euro, ein Vierpersonenhaushalt über bis zu 59.400 Euro (Nettoeinkommenszahlen sind für Hamburg nicht verfügbar).
Wer schon länger in der österreichischen Stadt lebt, bekommt zudem den sogenannten Wien-Bonus: Wohnungsinteressenten, die dort bereits länger als fünf Jahre ihren Hauptwohnsitz haben, werden bei der Vergabe geförderter Wohnungen bevorzugt. „Dies soll eine Unterstützung für all jene sein, die ihren Lebensmittelpunkt bzw. Wohnsitz schon länger in Wien haben“, so Wieser.
Um die Grünflächen wird in Wien ebenso gerungen wie in Hamburg, das zu den grünsten Großstädten der Welt zählt. „Die 50 Prozent Anteil an der Stadtfläche wollen wir trotz des Wachstums behalten“, sagt Wieser. In Hamburg beträgt der Anteil 71,4 Prozent der Fläche.
Busse und Bahn sind in Wien deutlich günstiger
Beim öffentlichen Nahverkehr punktet dagegen Wien. Schüler fahren kostenlos mit Bus und Bahn zu ihrer Schule, das Jahresticket der Wiener Linien kostet 365 Euro, 780.000 Jahreskartennutzer gab es 2017. Wer in Hamburg die Ringe AB im Abo kauft, bezahlt pro Monat 87,20 Euro, kann allerdings weitere Strecken ins Umland fahren. Etwa 800.000 Menschen benutzen nach Angaben des HVV in der Hansestadt unterschiedlichste Zeitkarten.
Wien ist, anders als Hamburg, Sitz etlicher internationaler Organisationen wie der Uno und der OPEC (Organisation Erdöle xportierender Länder) und sieht sich selbst schon lange als internationale Stadt, während Hamburg über diese Frage immer wieder kontrovers diskutiert. Bei Touristen ist Wien überaus beliebt – beliebter als Hamburg. 15,5 Millionen Übernachtungen im vergangenen Jahr stehen 13,8 Millionen in der Hansestadt gegenüber.
Nur beim Wetter steht Hamburg Wien in nichts nach. Zumindest in diesem Sommer.