Hamburg. Der Senat reagiert nach Vergewaltigung in der Hamburger City. Eine Arbeitsgruppe soll Kriterien erarbeiten.
Der rot-grüne Senat will die bisherige Abstimmungspraxis bei der Rückführung von Straftätern überprüfen. Anlass ist die Vergewaltigung einer 14-Jährigen in der Hamburger Innenstadt und die heftige Kritik an der zuvor nicht vollzogenen Abschiebung des mutmaßlichen Täters Mansor S. Der Fall hatte im Senat zu einer intensiven Debatte über den Umgang mit ausreisepflichtigen Straftätern geführt.
„Der Vorfall vom Wochenende lenkt den Blick auf die Schnittstelle Staatsanwaltschaft und Einwohnerzentralamt, wenn es um die Rückführung von Straftätern geht“, sagte Justizsenator Till Steffen (Grüne). „Unter Beteiligung von Justiz- und Innenbehörde wird es eine gemeinsame Arbeitsgruppe von Staatsanwaltschaft und Einwohnerzentralamt geben, die die Gewichtung von Rückführungsinteressen und Strafverfolgungsinteressen in den Blick nimmt.“
Arbeitsgruppe soll Klarheit schaffen
Zwar bleibe es dabei, dass die Staatsanwaltschaft letztlich entscheidet, ob sie einer von der Ausländerbehörde beantragten Abschiebung eines Straftäters zustimmt. „Ziel der Arbeitsgruppe wird jedoch sein, Klarheit darüber zu erlangen, unter welchen Umständen und Kriterien der Staat eine Rückführung stärker gewichtet und die Strafverfolgung aussetzt“, sagte Steffen. Dazu sollten das Einwohnerzentralamt, dem die Ausländerbehörde unterstellt ist, und die Staatsanwaltschaft eine „gemeinsame Haltung“ entwickeln. Beide Behörden entscheiden bislang nach eigenen Kriterien.
Wie berichtet, soll der mehrfach vorbestrafte 30 Jahre alte Afghane am Sonnabendvormittag in der Innenstadt ein 14 Jahre altes Mädchen aus Ahrensburg vergewaltigt haben. Danach verfolgte er die Jugendliche noch in die U-Bahn, bevor sie sich in einer Tankstelle in der Nähe der Station Hoheluftbrücke (Harvestehude) Hilfe suchend an Zeugen wandte. Dort wartete der 30-Jährige auf die alarmierten Beamten, die einen Atemalkoholwert von 2,24 Promille feststellten. Mansor S. steht unter dringendem Tatverdacht und sitzt seither in Untersuchungshaft.
Abschiebung muss zum Schutz der Bevölkerung Priorität haben
Mansor S., der 2011 nach Hamburg kam, ist seit fünf Jahren ausreisepflichtig und hat bereits neun Vorstrafen angehäuft – in Haft saß er noch nie. Auch nicht, nachdem er im April 2016 in einer Kleingartenlaube während eines Gerangels mit einem Hammer auf die Beine seines ohnmächtig am Boden liegenden Onkels eingeschlagen hatte. Nach einer Verurteilung wegen versuchter räuberischer Erpressung zu drei Jahren und zwei Monaten Haft in einem anderen Fall regte die Ausländerbehörde am 20. März 2017 seine Abschiebung an – doch die Staatsanwaltschaft lehnte ab. Grund: Das Urteil sei noch nicht rechtskräftig.
Tatsächlich war die Revision des Angeklagten erfolgreich, der Bundesgerichtshof wies das Verfahren nach Hamburg zurück. „Der Strafverfolgung wurde hier Vorrang vor einer Abschiebung eingeräumt“, sagte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft. Zu einem neuen Prozess kam es bisher nicht, weil die Justiz dafür keine Kapazitäten hat und andere Fälle, in denen Beschuldigte in Haft sitzen, per Gesetz beschleunigt verhandelt werden mussten.
Komunikation zwischen Behörden klären
Kommen die Gerichte nicht hinterher, müsse die Abschiebung zum Schutz der Bevölkerung Priorität haben, fordert der innenpolitische Sprecher der CDU-Bürgerschaftsfraktion, Dennis Gladiator. „Wenn die Bürger bis zum Gerichtsverfahren nicht effektiv geschützt werden können und mutmaßliche Täter aufgrund der Überlastung der Hamburger Justiz monatelang auf freiem Fuß sind, muss eine sofortige Abschiebung erfolgen.“
Bevor Senatoren für mögliche Fehler der ihnen unterstellten Behörden zur Verantwortung gezogen werden, müsse der genaue Sachverhalt und die Kommunikation zwischen den Behörden aufgeklärt werden, betont indes die FDP-Justizpolitikerin, Anna von Treuenfels-Frowein. Klar sei aber, dass Fehler in diesen sensiblen Sicherheitsbereichen „nicht geduldet“ werden dürften. „Konsequente Abschiebungen müssen im Rahmen rechtsstaatlicher Regeln umgesetzt werden, der Schutz der Bürger darf nicht zur Disposition stehen“, so von Treuenfels-Frowein.
„Der Staat versagt auf ganzer Linie. Das Abschieben krimineller Straftäter schützt die einheimische Bevölkerung“, sagte Dirk Nockemann (AfD).