Hamburg. Der 30-jährige Afghane soll die Tat in der City begangen haben. Behörden stritten über Abschiebung des Vorbestraften.

Als Mansor S. wieder nüchtern ist, bringen die Beamten ihn vor einen Richter. Und führen ihn wenig später in Handschellen wieder ab, mit einem Haftbefehl. Der 30-jährige Afghane ist dringend tatverdächtig, ein 14 Jahre altes Mädchen vergewaltigt zu haben – in einem Hauseingang am Saturn-Elektromarkt an der Mönckebergstraße, am belebten vergangenen Sonnabend in der City.

Das Mädchen wird weiterhin von Seelsorgern betreut. Nach Abendblatt-Informationen kommt sie aus Ahrensburg, war nach einem Streit von ihrer Mutter hinausgeworfen worden und trieb sich für einige Tage bei wechselnden Freunden in Hamburg herum. Nachdem sich S. offenbar an ihr vergangen hatte, fuhr er ihr laut Polizei bis zur U-Bahnstation Hoheluftbrücke hinterher, ehe das Mädchen in einer Tankstelle um Hilfe rief. „Ein Atemalkoholtest ergab 2,24 Promille bei dem Verdächtigen“, so ein Polizeisprecher.

Der Fall von Mansor S. wirft weitere Fragen auf

Mansor S. ist ein Gescheiterter, hatte keinen festen Wohnsitz mehr; schon zuvor stand er im Visier der Justiz, wurde wegen Gewaltdelikten verurteilt. Eine echte Perspektive hatte der Mann in Deutschland nie. Warum saß er nicht schon in Haft? Und warum hielt er sich überhaupt noch in Deutschland auf? Wie jetzt bekannt wird, waren die Behörden uneinig über eine frühere Abschiebung des Mannes. Der Fall von Mansor S. wirft weitere Fragen auf, über den Umgang mit ausländischen Straftätern und die Belastung in der Hamburger Justiz.

Rückblick: Bereits im April 2011 kommt Mansor S. nach Hamburg, damals 23 Jahre alt, stellt sofort einen Asylantrag. Er wird abgelehnt. Der Afghane erhält nur eine Duldung, darf nicht arbeiten, wohnt in mehreren Unterkünften. Bald tritt der Mann erstmals wegen Straftaten in Erscheinung: Diebstahl, Drogendelikte, Beleidigung.

Im Jahr 2016 wird Mansor S. gewalttätig

Der Afghane lernt zwischendurch offenbar eine deutsche Frau kennen, sie heiraten, erstmals erhält der Mann einen echten Aufenthaltstitel. Es ist wohl die einzige Zeit, in dem Mansor S. sich Hoffnungen auf ein besseres Leben machen kann. Doch bereits zwei Jahre später, im Jahr 2014, scheiden sie sich nach den Daten der Ausländerbehörde – und der Afghane verliert seine Privilegien erneut. Mehrere Versuche des Mannes, doch noch einen Asyltitel zu erhalten oder zumindest nicht abgeschoben zu werden, scheitern.

Im Jahr 2016 wird Mansor S. gewalttätig. Erst schlägt er im April einen anderen Mann mit einem Wetzstahl, verletzt ihn schwer. Dafür wird er zu einem Jahr Haft auf Bewährung verurteilt. Nur wenige Monate später bedroht er mutmaßlich einen Flüchtling aus der Unterkunft am Mittleren Landweg auf einem Bahnsteig mit einem Messer, will ihn ausrauben. Das Opfer flüchtet in Todesangst über die Gleise, verletzt sich dabei am Kopf. Im März 2017 spricht das Landgericht sein Urteil: Drei Jahre und zwei Monate Haft, diesmal ohne Bewährung.

Ausländerbehörde bittet für Abschiebung um „Einvernehmen“

Kurz darauf bittet die Ausländerbehörde formell bei der Staatsanwaltschaft um „Einvernehmen“, den 30-Jährigen abschieben zu dürfen. „Es liegen neben laufenden strafrechtlichen Verfahren keine Abschiebehindernisse bei dem Mann vor“, sagt ein Sprecher der Ausländerbehörde. Auch gültige Papiere sind vorhanden. Die Staatsanwaltschaft lehnt jedoch ab, da das Urteil noch nicht rechtskräftig ist.

Der Anwalt von Mansor S. hat Revision eingelegt. Das Landgericht habe nicht genügend berücksichtigt, dass S. dem Opfer mit dem Messer nicht gefolgt war. Eine Abschiebung wäre trotz des Verfahrens möglich. „Der Strafverfolgung wurde hier Vorrang vor einer Abschiebung eingeräumt“, sagt ein Sprecher der Staatsanwaltschaft. Dies sei immer eine Einzelfallentscheidung.

Bundesgerichtshof hebt erstes Urteil gegen Mansor S. auf

Tatsächlich hebt der Bundesgerichtshof das erste Urteil gegen Mansor S. auf – bereits im September 2017 weist er das Landgericht an, einen neuen Prozess anzusetzen. Zwei Monate später werden zwar Termine für den Mai dieses Jahres avisiert, aber das Gericht ist schließlich zu überlastet. Es werden Fälle vorgezogen, in denen die Angeklagten schnell vor Gericht gestellt werden müssen, damit sie nicht wegen einer abgelaufenen Frist aus der Untersuchungshaft freikommen.

„Es ist spekulativ, darüber zu sprechen, ob der Mann bei einem früheren Prozesstermin erneut zu einer Haftstrafe verurteilt worden wäre“, sagte ein Gerichtssprecher. Einen neuen Termin für den Prozess gab es nicht. Sollte Mansor S. wegen der Vergewaltigung oder des Raubes schuldig gesprochen werden, ist wahrscheinlich, dass er einen Teil der Strafe im Gefängnis verbüßt und dann abgeschoben wird.